Anders als bei Bundestrainer Joachim Löw mag man Stefan Kuntz keinen Vorwurf für das überraschende Vorrunden-Aus machen. Der Junioren-Nationaltrainer ist bei den Olympischen Spielen das Opfer einer gefährlichen Entwicklung im Profifußball geworden: Die Bundesliga hat sein Team Deutschland im Stich gelassen.
Dabei sein ist offenbar nicht alles: Die Spitzenklubs waren voller Sorge, dass ihre Spieler, wenn sie in Tokio an den Start gehen, bestenfalls die eigene Vorbereitung im Klub verpassen und schlimmstenfalls eine Verletzung mitbringen. Von Stolz auf die erfolgreiche Olympia-Qualifikation war keine Spur.
Stefan Kuntz trifft keine Schuld
Man ist es ja schon gewohnt, dass die Bundesliga-Vereine am liebsten keine Nationalspieler zu den Freundschaftsspielen des DFB entsenden. Dann muss man sich halt nicht wundern, wenn die Mannschaft nicht eingespielt ist und sich wahlweise bei der WM (Vorrunden-Aus 2018) oder bei der EM (Achtelfinal-Aus gegen England 2021) blamieren.
Und noch weniger muss man sich wundern, wenn Stefan Kuntz jetzt hinschmeißt und seine Nachwuchsarbeit beim DFB beendet. Man könnte ihn gut verstehen. DFB-Direktor Oliver Bierhoff konnte oder wollte seinem Chefcoach
Hat Olympia keinen Stellenwert im Fußball?
Die Bundesliga ließ Kuntz gegen die Wand fahren, als von 100 Olympia-Kandidaten, die er auserkoren hatte, keine zwanzig übrig blieben. Die beiden EM-Siege gaben ihm keinen Kredit, dass er aus jungen Spielern zukunftsfähige Männer entwickelt. Stefan Kuntz macht gute Miene zum bösen Spiel. Aber wie groß ist seine Leidensfähigkeit wirklich?
Es wird nicht reichen, dass die Nationalmannschaft im September mit einem neuen Bundestrainer antritt. Hansi Flick kennt zwar die Egoismen des Bundesliga-Geschäfts, er war zuletzt selbst Teil davon. Aber die Nationalmannschaft ist genau das: eine nationale Sache - von der Jugendarbeit bis zur A-Nationalmannschaft. Das Olympia-Aus hat die Bundesliga zu verantworten.

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