Cola oder Pepsi? Hund oder Katze? Frazier oder Ali? Die Geschichte ist voll von großen Duellen. Jan Böhmermann widmet sich am Freitagabend in seinem "ZDF Magazin Royale" einem Duell-Klassiker, nämlich der Frage: Stadt oder Land? Bei der Antwort macht er dann gleich ein ganz neues Duell auf: Satire oder Comedy?

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Satire, so sagt es ein sehr bekanntes Online-Lexikon, ist "eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden". Was diese Kriterien anbelangt, lässt sich Jan Böhmermann in seinem "ZDF Magazin Royale" traditionell nicht lumpen.

Fynn Kliemann, die Gaming-Szene, Staub, Smart Borders, Maximilian Krah, Einweg-Vapes, Astrologie, Dieter Nuhr, die Jagd – immer wieder kritisiert, verspottet oder prangert Böhmermann Personen, Ereignisse oder Zustände an und so macht er es auch in der jüngsten Ausgabe seines Satire-Magazins. Zumindest erst einmal.

"Donald Trump stellt jeden Tag neue Mitglieder seiner zukünftigen Regierung vor und man denkt: Es wird so geil. Es wird so toll. Europa freut sich schon. Eine tolle Personalie jagt die nächste, als wär er völlig verrückt", beginnt Böhmermann und erklärt seine Ironie: "Ein Impfgegner wird Gesundheitsminister, eine Wrestling-Managerin wird Bildungsministerin, ein verurteilter Straftäter wird Präsident. Ist das nicht toll?"

Wie "toll" das ist, arbeitet Böhmermann mit einem Vergleich heraus, denn ähnliche Personalien könne man auch im nächsten Bundeskabinett wagen: MontanaBlack als Verkehrsminister, Anna-Maria Ferchichi als Bundesfinanzministerin, die Peniskanone von Till Lindemann und Pietro Lombardi fürs Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Doppelspitze oder Attila Hildmann als Bildungsminister. Und als Bundeskanzler? "Auch 'ne komplett verrückte Personalie. Ganz weit weg von der Politik. Vielleicht: Christian Lindner", zieht Böhmermann den entlassenen Finanzminister durch den Kakao.

Was macht Christian Lindner jetzt?

War's das schon an Satire? Nicht ganz. Denn Böhmermann hat diesmal wieder seine Umfrage, den "ZDF Magazin Doitschlandtrend" eingeplant. Für den hat die Produktion wieder vorab das Saalpublikum befragt, zum Beispiel hierzu: "Welchen Karriereschritt geht Christian Lindner als nächstes?" Die Antwortmöglichkeiten sind:

  • A: Er wird Sidekick bei Hotel Matze
  • B: Er startet seine Punk-Era auf Sylt
  • C: Christian Lindner stellt sich für Dubai-Schokolade an
  • D: Er wird arm mit Krypto

Die Zuschauer entscheiden sich mit relativer Mehrheit für Antwort D, danach will Böhmermann wissen: "Wenn am Mittwoch Bundestagswahl wäre, was würden Sie wählen?" Die Antwortmöglichkeiten sind diesmal:

  • A: Armin Laschet
  • B: Oscar Pistorius
  • C: den Tod
  • D: einen Doppel-Whopper mit Käse

Das Publikum entscheidet sich wieder für D, diesmal aber mit absoluter Mehrheit.

Bis hierhin ist Böhmermann seinen Pflichten als ZDF-Chef-Satiriker also nachgekommen, indem er die US-Wahl, Donald Trump, das Ende der Regierungskoalition und das Verhalten Christian Linders kritisiert, verspottet und anprangert. Aber gelingt ihm das auch beim eigentlichen Thema seiner Show? Kleiner Spoiler: nein.

Dorfleben: unkastrierte Schäferhunde statt Ordnungsamt

"Die größte unbeantwortete Frage der Menschheit lautet ja wohl: Stadt oder Land? Was ist besser?", leitet Böhmermann dieses Thema recht schmucklos ein und stellt die beiden Konkurrenten und den Wettstreit vor: "Beide Seiten kämpfen erbarmungslos gegeneinander. Die einen mit der Mistgabel und einem Atem, der nach Cousinen-Küssen riecht, die andere Seite mit Butterfly-Messern und Rave-Aerobic." Dann schlüpft Böhmermann einmal in die Dorfmensch-Variante und danach in die Städter-Variante seines Selbst und zieht über die jeweils andere Seite her.

"Bei uns auf dem Land brauchen wir kein Ordnungsamt – wir haben unkastrierte Schäferhunde", beginnt der Land-Böhmermann und zieht dann weiter über Stadtmenschen her: "Ihr habt alle Möglichkeiten. Jeden Montag gemütlich zum Arzt – zu Fuß! Dienstag und Donnerstag ins Theater – und zwar in verschiedene! Nachts mit der Straßenbahn zum 24-Stunden-Fitnessstudio und danach noch in nen Flagship-Store, Franzbrötchen-Basilikum-Eis besorgen. Und dann bezahlt ihr mit euren Uhren! Unsere Uhr ist die Sonne", lästert Böhmermann.

Damit noch nicht genug der Stadt-Schelte: "Über freie Kita-Plätze könnt ihr Stadtmenschen nur lachen – wenn mit lachen das hier gemeint ist: weinen." "Kita-Plätze brauchen wir auf dem Land nicht. Wisst ihr, wer bei uns auf die Kinder aufpasst?", fragt Böhmermann und zeigt dann eine Kuh. "Wenn es in der Land-Kita eine Igel-Gruppe gibt, dann weil der Igel die Gruppe leitet", scherzt der Satiriker und fragt dann: "Wo sind eigentlich die Kinder aus der Bären-Gruppe hin? Egal, wir machen einfach neue!"

Satire oder Comedy? Am Ende ist die Entscheidung klar

Nein, bis hierhin hat Jan Böhmermann das Reich der Satire verlassen und ist zu ihrer kleinen, weniger intellektuellen Schwester gereist, der Comedy. Satire gibt es diesmal nur in ganz kleinen Dosen: "Und trotzdem wollt ihr Stadtschnösel nicht zu uns aufs Dorf ziehen. Weil's hier keinen Starbucks gibt, in dem ihr eure iPads aufklappen und für eure Bullshit-Jobs brainstormen könnt. Was sind das für Jobs, die ihr habt, in der Stadt? Agile-Manager. Brand Ambassador. Psychotherapeutin. Sucht euch mal richtige Arbeit, wo man am Ende des Tages sieht, was man gemacht hat. Was mit den Händen, wie wir vom Land: Kürschner, Rademacher, Henker, Hausarzt", macht sich Böhmermann mit Klischees über die Realität lustig und mit der Realität über Klischees.

Aber auch die Landbevölkerung bekommt ihre Abreibung: "Das letzte große kulturelle Highlight bei euch auf dem Dorf ist immer 26 Jahre her. Als Horst-Helmut im Gülle-Silo beide Nieren verloren hat, beim Versuch, sein vom Mähdrescher abgetrenntes Bein wiederzufinden. Und, hat's ihm geschadet? Ja, aber dafür hat Horst-Helmuts dreizehn Jahre ältere Mutter bis heute bei jedem Feuerwehrfest was Spannendes zu erzählen", stichelt der Stadt-Böhmermann.

Am Ende dieses Stadt-Land-Wettstreits steht es unentschieden, bei der Wahl der Stilmittel liegt aber die Comedy weit vor der Satire. Weil es nur um eine Pointe geht und nicht um das Anprangern von Zuständen.

Und so verwundert es nicht, dass Böhmermann den Abend nicht mit einer großen Anklage beendet, sondern mit einer Versöhnung von Stadt und Land. "Alle reden immer nur von Stadt oder Land. Dabei gibt es doch in Deutschland Orte, die beides sind, Stadt und Land. Zu klein für 'ne Stadt, zu groß für's Dorf. Orte, die irgendwas dazwischen sind, aber vor allem außerhalb. Und aus einem dieser Orte komme auch ich. Da bin ich aufgewachsen. Meine Heimat. Die beste Heimat. Vegesack", erklärt Böhmermann und besingt diese Heimat zum Abschluss mit einem Lied. Ganz ohne Satire und auch ohne Comedy. Einfach so.

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