Gut zwei Tage lang will die Gewerkschaft EVG bei der Deutschen Bahn streiken, um ihre Tarifforderungen durchzusetzen. Das hält das Unternehmen für unverhältnismäßig und setzt deshalb auf eine Gerichtsentscheidung.

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Die Deutsche Bahn will den geplanten 50-Stunden-Warnstreik auf der Schiene noch auf juristischem Wege verhindern. Der bundeseigene Konzern teilte am Samstagmorgen mit, dass er einen entsprechenden Eilantrag beim Arbeitsgericht in Frankfurt am Main eingereicht habe. Der bundesweite Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sei unverhältnismäßig und schädige Kunden sowie unbeteiligte Dritte, hieß es zur Begründung.

Obwohl die Bahn mehr als 10 Prozent Lohnerhöhung angeboten und sich mehrmals auf die Gewerkschaft zubewegt habe, halte diese an dem Ausstand von Sonntagabend an fest. Der Eilantrag bei Gericht sei "im Interesse der Kundinnen und Kunden jetzt geboten", teilte die DB mit. Der Antrag sei eingegangen, bestätigte das Gericht der Deutschen Presse-Agentur. Die Verhandlung sollte am Samstagmittag beginnen.

Bahn-Streik: Ab Sonntagnacht fährt in Deutschland kaum noch was

Die EVG hat ab Sonntag, 22:00 Uhr, zum dritten Warnstreik bei der Bahn in diesem Jahr aufgerufen und wird damit erneut den Verkehr auf der Schiene lahmlegen. Die Deutsche Bahn entschied kurz nach der Ankündigung, dass sie für den Zeitraum des Ausstands den Fernverkehr komplett einstellen wird. Auch im Regional- und Güterverkehr wird zwischen Sonntagabend, 22:00 Uhr, und Dienstagabend, 24:00 Uhr, voraussichtlich kaum ein Zug fahren.

In England schränkte am Samstag ein Streik bei 14 Bahnbetreibern das Angebot erheblich ein. Betroffen waren etwa die Express-Verbindungen zwischen London und den Flughäfen Heathrow, Gatwick und Stansted. Besucher des Finales des Eurovision Song Contests in Liverpool mussten mit Problemen bei der Anreise rechnen.

Da die EVG auch Beschäftigte in Stellwerken zur Arbeitsniederlegung aufgerufen hat, werden absehbar auch Bahn-Unternehmen getroffen, die derzeit gar nicht mit der EVG verhandeln. Die EVG und 50 Bahn-Unternehmen streiten seit Ende Februar über neue Tarifverträge, die Verhandlungen stocken. Die Tarifrunde betrifft 230.000 Beschäftigte, 180.000 davon arbeiten bei der Deutschen Bahn.

Der 50-stündige Ausstand ist nach Worten des Streikforschers Alexander Gallas der längste Warnstreik bei der Bahn seit ihrer Reform 1994. In anderen Branchen seien Warnstreiks von ein bis zwei Tagen aber durchaus üblich, sagt Gallas, Wissenschaftler an der Universität Kassel. "50 Stunden sind ein kurzer und klar umrissener Zeitraum. Aber die Auswirkungen sind für die Bevölkerung sehr spürbar. Darum wirkt das lang." Gallas hält den Warnstreik im Vergleich mit anderen Branchen für verhältnismäßig.

Jeder vierte Deutsche hat kein Verständnis für Bahn-Streik

Allerdings hat jeder vierte Bürger in Deutschland einer Umfrage zufolge "überhaupt kein Verständnis" für die Arbeitsniederlegung. Volles Verständnis für den Arbeitskampf zeigten in der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur dagegen 19 Prozent der Befragten. Zudem sagten 26 Prozent, dass sie "eher Verständnis" für die Aktion im laufenden Tarifkonflikt hätten, ebenfalls 26 Prozent haben "eher kein Verständnis". 5 Prozent der Befragten machten keine Angabe.

Die EVG verhandelt mit den 50 Bahn-Unternehmen über neue Tarifverträge für 230.000 Beschäftigte, 180.000 davon arbeiten bei der Deutschen Bahn. Die EVG fordert von der Branche 650 Euro mehr pro Monat oder 12 Prozent für die oberen Einkommen bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Die Bahn hat unter anderem steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen sowie stufenweise Erhöhungen von 10 Prozent bei den unteren und mittleren sowie 8 Prozent bei den oberen Einkommensgruppen in Aussicht gestellt. Uneinig ist man sich über einen Mindestlohn, der bei der Bahn bei rund 2000 Beschäftigten bislang nur über Zulagen gezahlt wird. (dpa/the/spl)

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