• Tausende Meter unter der Meeresoberfläche soll Bergbau bei der Energiewende helfen.
  • Experten warnen vor den Folgen, Deutschland drückt auf die Bremse.

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Gerade erst ist bei der UN ein Abkommen zum Schutz der Weltmeere zustande gekommen - jetzt könnte die Weltgemeinschaft in die umgekehrte Richtung gehen. Bei einer Ratssitzung der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA von Donnerstag (16.3.) bis zum 31. März auf Jamaika wird es vor allem um den kommerziellen Tiefseebergbau gehen.

Eine Frist, Regularien dazu zu verabschieden, läuft nach zwei Jahren am 9. Juli ab. Danach können Anträge zum Abbau von Rohstoffen auf dem Meeresboden gestellt werden - auch wenn es noch kein Regelwerk gibt und trotz großer Umweltbedenken.

Es zeichnet sich ab, dass die Frist verpasst wird. Aber was dann? Es sei gut, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kürzlich im Online-Format "Europe Calling", "dass wir uns jetzt fragen: Steuern wir nun in den Abgrund, weil die Menschheit ihren Hunger nach Rohstoffen in den entlegensten Ecken des Planeten stillen will?".

Manganknollen: Rohstoffe in 6.000 Metern Tiefe

Der kleine Pazifikstaat Nauru hatte nach einer Klausel des 1994 in Kraft getretenen UN-Seerechtsübereinkommens die Zweijahresfrist durch die Ankündigung eines Abbauantrags ausgelöst. Nauru tritt als Sponsor eines Tochterunternehmens des kanadischen Konzerns The Metals Company (TMC) auf. Dieser will in den internationalen Gewässern des Pazifiks auf dem Meeresboden Manganknollen aufsammeln. Damit will TMC nach eigenen Angaben so umwelt- und sozialverträglich wie möglich Metalle für die Energiewende liefern.

Manganknollen
Symbolbild: Manganknollen werden beim Tiefseebergbau gewonnen. © dpa / picture alliance

Manganknollen sind grob kartoffelförmig und finden sich auf dem Meeresboden in etwa 4.000 bis 6.000 Metern Tiefe. Sie entstehen extrem langsam aus Ablagerungen - in einer Million Jahre werden sie nur um wenige Millimeter dicker - und enthalten Erze von Rohstoffen wie Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel. Auf ihnen wachsen Schwämme und Korallen, die Tieren Lebensraum bieten.

Nach ersten Untersuchungen hat der Tiefseebergbau verheerende Folgen für diesen Lebensraum. Bei der Abbaumethode, die TMC und das belgische Unternehmen GSR bereits in der sogenannten Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) zwischen Mexiko und Hawaii getestet haben, würden außer den Manganknollen auch alle Organismen, die im und auf dem Sediment sowie auf den Knollen leben, mit aufgesaugt.

Tiefseebergbau: Verheerende Folgen für Tiere und Umwelt

Das berichtete Matthias Haeckel, Biogeochemiker am Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Koordinator des europäischen Forschungsprojekts MiningImpact, das die Tests der Kollektoren genannten Maschinen untersuchte. Ihm zufolge werden Firmen wie TMC und GSR wohl erst gegen Ende dieses Jahrzehnts technisch den kommerziellen Tiefseebergbau in industriellem Maßstab schaffen.

Aus ökonomischen Gründen peilten die Unternehmen an, zwei bis drei Millionen Tonnen Manganknollen pro Operation pro Jahr zu ernten, sagte Haeckel jüngst in einem Presse-Briefing. In der CCZ, wo die Knollendichte und deren Metallgehalt besonders hoch seien, entspreche das etwa 200 bis 300 Quadratkilometern. Hinzu komme eine Sedimentwolke, die auf einer größeren Fläche Schäden anrichte als nur im Abbaugebiet.

Kürzlich erschienene Studien der Umweltorganisationen Greenpeace und WWF kamen außerdem zum Ergebnis, dass für die Energie- und Verkehrswende gar keine Rohstoffe aus Manganknollen gebraucht würden. Eine weitere Studie mit Beteiligung von Greenpeace warnte vor Gefahren für Wale durch Unterwasserlärm beim Tiefseebergbau.

Weil insgesamt noch wenig über die Ökosysteme der Tiefsee und die Auswirkungen des Bergbaus darauf bekannt ist, plädieren mehrere Staaten für ein Moratorium, eine Pause oder gar ein Verbot. Die Bundesregierung setzt sich für eine vorsorgliche Pause ein. "Da es ganz erhebliche Wissenslücken gibt, sehen wir keine tragfähige Grundlage für den Abbau von Rohstoffen", sagte Lemke.

Nach WWF-Aufruf: Unternehmen gegen Tiefseebergbau

Einige Konzerne wie BMW, Volkswagen, Google, Philips und Samsung SDI haben sich einem WWF-Aufruf für ein Moratorium angeschlossen und sich verpflichtet, keine Rohstoffe vom Tiefseeboden zu verwenden und Tiefseebergbau auch nicht zu finanzieren.

Trotzdem könnten sich Nauru und TMC mit ihrem Vorhaben durchsetzen. Es reife allmählich die Erkenntnis, dass die Frist nicht mehr einhaltbar sei, sagte Pradeep Singh vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit des Helmholtz-Zentrums Potsdam der Deutschen Presse-Agentur. Es gelte nun zu klären, was passiert, wenn nach Ablauf der Frist ein Antrag auf Tiefseebergbau gestellt wird. Nauru vertritt die Haltung, das Seerechtsübereinkommen sehe vor, dass solche Anträge genehmigt werden müssen. Nach Meinung von Singh, der bei den Treffen der internationalen Behörde als Beobachter dabei ist, könnten sie auch abgelehnt werden.

Die Rechts- und Technikkommission (LTC) der ISA könnte eine wichtige Rolle spielen. Wenn das Fachgremium eine Empfehlung ausspreche, so Singh, sei es sehr schwer für den Rat, diese abzulehnen - unter anderem sei dafür eine Zweidrittelmehrheit nötig.

Lemke zufolge wäre es das beste, wenn der ISA-Rat bald einen Beschluss zum Umgang mit Anträgen fassen würde, um eine positive Empfehlung durch die LTC in Ermangelung von Abbauregelungen zu verhindern. Deutschland sei in der Frage sehr engagiert. (Nick Kaiser/dpa/tar)

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