• Frauen haben eine höhere durchschnittliche Lebenserwartung als Männer.
  • Dennoch haben Männer die Chance, länger zu leben als Frauen.
  • Eine Studie zeigt, welche zwei Voraussetzungen dafür gegeben sein sollten.

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Frauen leben länger als Männer: Diese seit Langem bestehende Behauptung relativiert nun eine dänische Studie. Demnach ist die durchschnittliche Lebenserwartung ein viel zu grobes Maß, das den Blick auf Abweichungen vom Mittelwert verstellt. Unter den richtigen Bedingungen haben Männer die Chance, älter als Frauen zu werden.

Lebenserwartung von Frauen fünf Jahre höher als von Männern

In Deutschland lag die durchschnittliche Lebenserwartung 2021 nach Angaben des Statistischen Bundesamts für neugeborene Mädchen bei 83,2 Jahre und für neugeborene Jungen bei 78,2 Jahre. In Österreich und der Schweiz sehen die Zahlen ähnlich aus: Österreicherinnen werden im Schnitt 83,8 Jahre alt, Österreicher 78,8 Jahre. In der Schweiz lagen die Zahlen bei 85,1 Jahren für Frauen und 81 Jahren für Männer.

Ein derartiger Unterschied zwischen den Geschlechtern gilt nicht nur in Mitteleuropa. Einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sterben Männer global betrachtet durchschnittlich vier Jahre früher als Frauen.

Als Grund für diese Diskrepanz gibt es verschiedene Erklärungen: Mal werden genetische Vorteile von Frauen als entscheidend gesehen, dann wieder umwelt- oder verhaltensbedingte Faktoren – etwa dass Männer tendenziell ungesünder leben oder seltener zum Arzt gehen.

Ausgangspunkt solcher Analysen ist gewöhnlich ein Vergleich der Lebenserwartung, also der durchschnittlichen Lebensdauer. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Süddänischen Universität in Odense schreiben jedoch im Fachjournal "BMJ Open", dass dies ein stark vereinfachtes Maß sei. Denn es berücksichtige Schwankungen der Lebensspannen zwischen den Geschlechtern nicht.

Männer haben "beträchtliche Chance, länger zu leben als Frauen"

Um ein umfassenderes Bild zu gewinnen, stützt sich das Team auf einen anderen Ansatz – die sogenannte Überlebensstatistik. Damit untersuchten sie Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Sterblichkeit in 199 Ländern über einen Zeitraum von etwa 200 Jahren.

Das Resultat: "Obwohl die Lebenserwartung von Männern im Allgemeinen niedriger ist als die von Frauen und die Sterberate von Männern in allen Altersgruppen höher ist, haben Männer eine beträchtliche Chance, länger zu leben als Frauen", schreibt die Gruppe um Marie-Pier Bergeron-Boucher. Sie nennt sogar einige wenige Beispiele für Länder, in denen Männer zeitweilig mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent älter wurden als Frauen: Island gegen Ende des 20. Jahrhunderts, Jordanien und Iran in den 1950er Jahren oder Bhutan von 1995 bis 2010.

Generell schwankte die Wahrscheinlichkeit, dass Männer länger leben als Frauen, in fast allen untersuchten Jahren und Populationen zwischen 25 und 50 Prozent. Anders gesagt: In den vergangenen 200 Jahren lebten von vier Männern ein bis zwei (25 bis 50 Prozent) länger als Frauen.

Überlebensstatistik zeichnet ein komplexeres Bild

Damit werde zwar noch immer die Mehrheit der Frauen älter als Männer, schreiben die Autoren: "Aber die Minderheit, die das nicht tut, ist nicht klein." Bei Weitem nicht alle Männer lebten kürzer als Frauen, was bei reinen Vergleichen der Lebenserwartung übersehen werde. Der Unterschied der Lebenserwartung beruhe auch darauf, dass ein kleiner Teil der männlichen Bevölkerung vielerorts nur sehr kurz lebe. "Zum Beispiel sterben in den meisten Ländern mehr kleine Jungen als kleine Mädchen", heißt es in der Studie.

Tatsächlich zeichnet die Überlebensstatistik ein komplexeres Bild als ein reiner Vergleich der durchschnittlichen Lebenserwartungen. Dass Variationen durch äußere Faktoren bedingt sein können, zeigen Daten aus den USA: Dort lag die Wahrscheinlichkeit, dass Männer länger leben als Frauen, zwischen 2015 und 2019 bei 40 Prozent.

Unter diesen Umständen können Männer länger leben als Frauen

Tatsächlich würden etwa Männer, die verheiratet sind und einen Hochschulabschluss haben, wahrscheinlich sogar länger leben als Frauen, heißt es in der Studie. Die Analyse zeigt, dass Männer mit einem niedrigeren Bildungsniveau und unverheiratete Männer eine besonders geringe Aussicht hatten, eine Frau zu überleben. Verheiratete Männer und solche mit einem Universitätsabschluss tendierten hingegen dazu, länger zu leben als Frauen, die unverheiratet waren oder keinen Highschool-Abschluss hatten.

Die Länge der Lebensspanne sei Ergebnis einer individuellen komplexen Kombination aus biologischen, Umwelt- und Verhaltensfaktoren, betont das Team. "Die Tatsache, ob man männlich oder weiblich ist, wirkt sich zwar auf die Lebenserwartung aus, ist aber nicht die einzige Determinante, die zu Ungleichheiten beiträgt."

Umso wichtiger sei ein differenzierter Blick: "Diese Ergebnisse widerlegen den allgemeinen Eindruck, dass 'Männer nicht so lange leben wie Frauen', und offenbaren eine nuanciertere Ungleichheit in der Lebenserwartung von Frauen und Männern." Die pauschale Behauptung, dass die Hälfte der Bevölkerung durch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Lebenserwartung benachteiligt sei, führe in die Irre: "Die Ungleichheiten sind vielschichtiger." Bemühungen zur Verringerung von Unterschieden in der Lebensspanne müssten daher auf verschiedene Faktoren, Ursachen und Altersgruppen abzielen. (dpa/fwt/sbi)

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