Videos in den sozialen Netzwerken zeigen Samtpfoten, die anscheinend "Buongiorno" und "Well, hi" sagen. Doch was hat es damit auf sich und können Katzen wirklich die menschliche Sprache imitieren?
Zugegeben, es bedarf schon ziemlich viel Fantasie zu hören, dass die Samtpfoten in Videos wirklich "Buongiorno" oder "Well, hi" sagen. Auch wenn diese Katzeneltern davon überzeugt sind, dass ihre Katzen die menschliche Sprache nachahmen und logisch sprechen können.
Gleichwohl hat der japanische Wissenschaftler Atsuko Saito von der "Sophia-Universität" in Tokio und sein Team anhand der schnurrenden Probandin Minka nachgewiesen, dass die Stubentiger mit ihren Besitzern kommunizieren und ihren Namen aus anderen Wörtern heraushören können. Denn wenn Minka gerufen wurde, kam Minka auch. Zumindest dann, wenn es ein Leckerli abzustauben gab oder sie gerade Lust dazu hatte.
Laut dieser Studie aus dem Jahr 2019 war dies der erste experimentelle Nachweis dafür, dass Katzen verbale Lautäußerungen von Menschen verstehen können. Außerdem fand die Studie heraus, dass die Samtpfoten zu etwa 21 verschiedenen Lautäußerungen fähig sind. Von Zwitschern und Knurren bis hin zu Gurgeln, Zischen, Stöhnen, Heulen und natürlich Miauen. Hört sich Deine Mieze plötzlich anders an oder verstummt sogar ganz, solltest Du lieber mal mit ihr beim Tierarzt vorstellig werden.
Auch wenn der genaue Hintergrund der Äußerungen von Stubentiger zu Stubentiger unterschiedlich ist, so zeigen sie doch einfache Gemütszustände an: Schmerz, Vergnügen, Bedürfnis, Überraschung und Aggression. Aber sind Katzen deshalb wirklich in der Lage dazu, die menschliche Sprache imitieren zu können?
Neuronen und körperliche Struktur fehlen
"Wenn Katzen Laute von sich geben, dann um mit uns Menschen zu kommunizieren", klärt die Katzenexpertinnen Annika Holzkamp in unserem Podcast "Pet-Talks: Katze" auf. Katzen sprechen also schon, doch im Gegensatz zu uns kombinieren Katzen für ihre Sprache keine Worte.
Und selbst wenn sie es täten, wären sie nicht zu der gleichen Anzahl und Vielfalt von Worten und Lautäußerungen fähig wie wir. Auch wenn es von menschlicher Sprache zu Sprache unterschiedlich ist, sind wir theoretisch dazu in der Lage, 600 Konsonantenlaute und 200 Vokale zu verwenden, berichtet "Kinship".
Eine enorme körperliche Leistung, die Katzen nicht nachahmen können. John Wiesenfeld, Experte für das Verhalten von Haustieren, bestätigt: "Körperlich sind ihre Stimmbänder nicht für die Bandbreite der Geräusche geeignet, die wir als Sprache klassifizieren. Obwohl sie eine Vielzahl von Lautäußerungen hervorbringen können, fehlt ihnen die psychische Struktur, die für artikuliertes Sprechen erforderlich ist".
Ein weiterer Grund dafür, dass Katzen unsere Sprache nicht nachahmen können, dürfte in der Anzahl ihrer Neuronen (Nervenzellen) in der Großhirnrinde liegen. Denn obwohl Katzengehirne in Bezug auf Faltung und Struktur zu 90 Prozent dem menschlichen Gehirn ähnlich sind, fehlt es ihnen an Neuronen. Verrichten beim Menschen zwischen 19 und 23 Milliarden ihre Arbeit in der Großhirnrinde, sind es bei den Samtpfoten nur etwa 300 Millionen.
Aber auch wenn die kleinen Samtpfoten nicht so schlau sind, verstehen sie dennoch viele Aspekte der menschlichen Sprache. Erst kürzlich bestätigten japanische Forschende: Katzen verstehen unsere Sprache besser als menschliche Kleinkinder. Sie verlassen sich mehr auf den Ton und Kontext als auf eine "intellektuelle Verarbeitung" des Gehörten. Unsere Stubentiger sind sehr gut darauf eingestellt, wie jemand etwas sagt und können die emotionalen Signale und die Absichten hinter unseren Worten aufnehmen und deuten. Jedenfalls, wenn sie gerade auch Lust dazu haben.
Katzen sprechen in einer nonverbalen Sprache zu uns
Die hohen Klickzahlen und die zahlreichen Kommentare unter den Videos lassen vermuten, dass eine Kommunikation mit Katzen auf eine Weise gewünscht ist, die uns vertraut ist, wie zum Beispiel durch Sprache. Der Gedanke, mit unseren schnurrenden Mitbewohnern in unserer Sprache sprechen zu können, um ihre Wünsche, Bedürfnisse oder Gefühle besser zu verstehen, ist faszinierend.
Kein Wunder daher, dass Apps wie "MeowTalk", "Katzen Übersetzer", "My Talking Pet" oder "Mensch-Katze-Übersetzer" boomen. Auch Hundegebell soll bald via Künstlicher Intelligenz für uns Menschen verständlich gemacht werden. Denn all diese kleinen Anwendungen versprechen etwas eigentlich Unmögliches: Katzenmauzen in menschliche Sprache umzuwandeln.
Durch maschinelles Lernen sollen die Apps nach einiger Zeit dazu in der Lage sein, akkurat den Wunsch der Samtpfoten ablesen zu können. Hierfür nehmen die User die Laute ihrer Katze auf und versehen sie in der App mit einem Label. Das Problem dabei ist, dass die Katzenmama oder der Katzenpapa die Interpretation der Äußerung zuschreibt. So kann ein besonders niedliches Mauzen schnell unter dem Label "I love you" abgelegt werden, während der kleine Stubentiger damit ganz profan nach Futter ruft.
Fazit: Können Katzen wirklich die menschliche Sprache imitieren?
Fakt ist, dass Katzen die menschliche Sprache nicht nachahmen können. Dafür fehlt es ihnen sowohl an körperlichen als auch an intellektuellen Voraussetzungen. Für die Videos in den sozialen Netzwerken gibt es daher nur zwei naheliegende Erklärungen.
Erstens könnten die Aufnahmen bearbeitet worden sein, um die Töne menschlicher wirken zu lassen. Und zweitens spielt die Erwartungshaltung beim Ansehen eines solchen Videos eine große Rolle. Wird im Vorfeld ein bestimmtes Wort gesagt, erwartet man auch, dieses im Miauen der Katze zu erkennen (Priming). Und wenn nicht gleich beim ersten Mal, schaut man sich die Videos so lange an, bis man die vermeintlichen Worte auch heraushört (Confirmation Bias, also Bestätigungsfehler).

Doch eigentlich brauchen wir weder derartige Filmchen noch Spielereien wie die Apps oder Soundboards (so wie sie Katze Billi nutzte). Denn unsere schnurrenden Familienmitglieder sprechen in ihrer Sprache andauernd zu uns. Allerdings besteht ihre Ausdrucksform nicht aus Worten, sondern ist nonverbal. Körperliche Signale – wie zum Beispiel Schwanzposition, Ohrenausrichtung, Blickkontakt, Duftmarkierung, das Streichen um Gegenstände oder das Reiben an Menschen sind ihre eindeutige Sprache. Und es liegt an uns, diese zu lernen, zu verstehen und richtig zu interpretieren. © Deine Tierwelt