Dieses Thema ist dünnes Eis – aber es beschäftigt Reiter, Pferdefreunde und Tierärzte gleichermaßen. Kein Wunder, dass es keine einfache Antwort auf die Frage gibt, wie schwer ein Reiter sein darf. pferde.de fasst zusammen, zu welchem Ergebnis Medizin und Wissenschaft gekommen sind.

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Es kursieren mittlerweile viele verschiedene Faustregeln zur Bestimmung des maximalen Reitergewichts – und diese stoßen dem ein oder anderen Reiter sauer auf: Demnach sind nämlich sehr viele Reiter für ihre Pferde zu schwer.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) hat deshalb inzwischen sogar ein Merkblatt veröffentlicht: Unter dem Titel "Reitergewicht: Beurteilung der Gewichtsbelastung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten" versucht die Vereinigung dieses Thema allumfassend anzugehen und Reitern Leitlinien und Ansätze zu vermitteln.

Sicher ist: Das Gewicht auf dem Pferderücken führt zu einer Veränderung in Bezug auf Anatomie und Bewegungsablauf beim Pferd. Umso wichtiger ist es also, dass nicht nur das bloße Gewicht des Reiters betrachtet, sondern auch der Trainingsstand des Pferdes mit in die Waagschale geworfen wird.

Um das Reitergewicht stemmen zu können, muss das Pferd in der Lage sein, seinen Rücken auch mit Reitergewicht aufzuwölben. Weitere wichtige Punkte sind ein gut sitzender, an das Pferd und den Reiter angepasster Sattel, immer wieder korrektes Vorwärts-Abwärts-Reiten und das Aufwölben des Rückens beim Longieren ohne Reitergewicht.

Der Röhrbeinbelastungsindex

Es gibt verschiedene Grenzen, welche mittlerweile benannt wird. Die TVT erkennt die 15-Prozent-Grenze als das Ideal an – sprich: Der Reiter darf maximal 15 Prozent des Pferdegewichts wiegen. Allerdings gibt es mehrere Untersuchungen, die zu der Erkenntnis kamen, dass es weniger um das Gesamtkörpergewicht geht, als um die Breite der Lende und den Umfang des Röhrbeins: Je breiter die Lende und je größer der Röhrenumfang im Verhältnis zum Gewicht des Pferdes ist, desto weniger langfristigen Schaden nahmen die Pferde durch das zusätzliche Gewicht des Reiters.

Zu viel Gewicht beim Reiten ist tierschutzwidrig.
Zu viel Gewicht beim Reiten ist tierschutzwidrig. © Foto: pixabay.com/ivabalk (Symbolfoto)

Anhand dieser Erkenntnisse entwickelte die TVT den Röhrbeinbelastungsindex: Röhrbeinumfang (cm) x 100 geteilt durch Körpergewicht (kg).

Anhand des Röhrbeinbelastungsindex (RI) hat die TVT eine Tabelle erstellt, mit dem durchschnittlichen RI verschiedener Pferderassen. Diese Tabelle verdeutlicht, dass Pferderassen, die oftmals klassisch als Gewichtsträger angesehen werden, dieses Prädikat nicht unbedingt erhalten sollten.

Gerade Rassen wie das Quarter Horse oder auch das Süddeutsche Kaltblut haben einen RI, der sie zu keinen idealen Gewichtsträgern macht – auch wenn das die weitläufige Meinung ist. Überraschend ist für viele sicherlich auch die Einstufung der gängigen Warmblutrassen, die meist im Turniersport laufen: Sie tauchen in der Tabelle nämlich erst auf Platz 19 auf.

Den höchsten RI erzielten die Mini-Shetland-Ponys, dicht gefolgt vom Shetland Pony. Auch das Islandpferd befindet sich an siebter Stelle der RI-Tabelle – und kann damit im Durchschnitt als recht robust angesehen werden.

Wichtig ist jedoch, dass diese Tabelle nur einen Anhaltspunkt liefert, nicht jedoch auf jeden Vertreter der jeweiligen Rasse zutreffen muss.

20 Prozent sind bereits zu viel

Um die verschiedenen Prozent-Faustregeln unabhängig vom Röhrbeinbelastungsindex zu analysieren, führte die TVT eine Studie mit verschiedenen Pferden und Reitern durch. "Dabei waren mit 15 Prozent Gewichtsbelastung ihres eigenen Körpergewichtes noch keine messbaren Effekte feststellbar, bei 20 Prozent gab es erste schmerzhafte Muskelreaktionen in Abhängigkeit von der Lendenbreite. Diese wurden mit einer Überschreitung 25 bzw. 30 Prozent Gewichtsbelastung zunehmend deutlicher und länger anhaltend."

Der Reiter darf nicht zu schwer für das Pferd sein
Der Reiter darf nicht zu schwer für das Pferd sein © Foto: Adobe Stock/Pelana (Symbolfoto)

Doch nicht nur das bloße Reitergewicht stellt eine (zu große) Belastung für die Pferde dar: "Ein unsicherer, nicht ausbalancierter Reiter kann diese Effekte zusätzlich verstärken. In einer aktuellen Studie mit sechs Pferden zwischen 500 kg und 600 kg und einer Gewichtsbelastung durch vier verschiedene Reiter mit gleichen Fähigkeiten, aber unterschiedlichen Gewichten zwischen 60,8 kg und 142,1 kg, mussten alle Versuche mit den schweren und sehr schweren Reitern (20 Prozent Gewichtsbelastung und mehr) abgebrochen werden, da alle Pferde Zeichen von Unwohlsein, Schmerzen und Lahmheit aufwiesen und ein Pferd sogar in einem von zwei Durchgängen mit einem nur moderat schweren Reiter Lahmheit zeigte. Bei diesem Pferd/Reiter-Paar betrug die Gewichtskorrelation 16,3 Prozent."

Zu viel Gewicht ist nach aktuellem Wissenstand tierschutzwidrig

Die TVT stellte fest, dass die 10-Prozent-Regel für Pferde die unbedenklichste ist: "In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde gezeigt, dass Pferde eine Gewichtsbelastung von 10 Prozent ihres eigenen Körpergewichtes unabhängig von ihrer Konstitution und ihrem Trainingszustand problemlos verkraften. Eine Gewichtsbelastung von ca. 15 Prozent ihres eigenen Körpergewichtes verkraften Pferde normalerweise ebenfalls noch, ohne Schäden davonzutragen. Dabei kommen kräftige Pferde mit einer breiten Lendenregion und einem hohen Röhrbeinumfang mit dieser Gewichtsbelastung besser zurecht, als eher schmale, zierliche Pferde."

Anders sieht es jedoch aus, wenn man das Gewicht weiter steigert: "Bei einer Gewichtsbelastung von 20 Prozent ihres eigenen Körpergewichtes kommt es bereits zu merklichen Veränderungen vor allem in der Muskulatur der betroffenen Pferde in Form von Verspannungen und Verhärtungen", erklärt die TVT. "Eine so hohe Gewichtsbelastung kann daher nur unter optimalen Bedingungen toleriert werden, wenn die Pferde, wie beispielsweise Islandpferde, einen entsprechend belastbaren Körperbau aufweisen, in einem sehr guten Trainingszustand sind und die geforderte Leistung eher moderat ist."

"Gewichtsbelastungen von 25 Prozent oder gar 30 Prozent der Körpermasse eines Pferdes gehen zunehmend mit Schäden an der Muskulatur einher und können auf lange Sicht dauerhafte Schäden am Rücken und dem gesamten Bewegungsapparat verursachen. Sie sind somit nach derzeitigem Wissensstand als tierschutzwidrig anzusehen."

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Und wie viel darf ein Reiter nun wiegen?

Wie viel ein Pferd schlussendlich tragen kann, hängt also von mehreren Faktoren ab – das Körpergewicht von Pferd und Reiter sind nur ein Teil der Punkte, die beachtet werden müssen. Alter, Trainingsstand, Reitvermögen des Reiters, aber auch Bodenbeschaffenheit und Wetter beeinflussen die Belastbarkeit eines Pferdes. Deswegen sollte jeder Reiter stets mit guten Schmieden, Tierärzten, Reitlehrern und weiteren Spezialisten Hand in Hand arbeiten, um immer die richtigen Entscheidungen für das jeweilige Pferd zu treffen.  © Pferde.de