Leben die Pferde im Stall komplett abgeschirmt nebeneinander her – oder ermöglichen die Boxen einen ausgeprägten Sozialkontakt untereinander? Bei sogenannten Sozialboxen ist Letzteres der Fall. Auch Jessica von Bredow-Werndl setzt seit einigen Wochen auf dieses Haltungskonzept. Und ist begeistert…

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Wenn Kiss seinem Namen alle Ehre macht und Dalera ein Küsschen gibt – in den neuen Boxen auf Aubenhausen ist das kein Problem mehr. Denn seit Ende Januar gibt es in dem Stall der Familie von Bredow-Werndl neue Trennwände. Diese bieten die Möglichkeit, zwischen den Boxen große Fenster zu öffnen, damit die Pferde den direkten Sozialkontakt untereinander suchen können. Bei Bedarf können sie aber auch geschlossen bleiben, dann bleibt es beim Sichtkontakt durch Trennstäbe.

Das Fazit nach knapp einem Monat: Fast alle Boxen haben mittlerweile offene Fenster zu beiden Nachbarboxen. Nur die Verbindung zwischen Got it und Discover ist zu – weil Discover dem Got it immer die Decke ausgezogen habe, verrät Jessica von Bredow-Werndl lachend in einer Instagram-Story vom 17. Februar. Ihr Fazit: "Also: Das funktioniert mega. Ich bin so, so, so happy.”

Mit ihrem Konzept erhält sie sich volle Flexibilität: Die Trennwände im vorderen Bereich der Boxen sind voll holzvertäfelt, dann flacht diese ab und der obere Teil der Wände besteht aus Gitterstäben. Ein Teil der Gitterteile kann bei Bedarf entfernt werden, sodass ein offenes Fenster zur Nachbarbox entsteht. Sichtkontakt zu den Pferden besteht also immer, Körperkontakt kann bei Bedarf ermöglicht werden – je nachdem, wie die Pferde sich verstehen oder ob sie lieber ihre Ruhe brauchen.

In Aubenhausen scheinen sich fast alle gut zu verstehen. Deshalb soll das neue Boxenkonzept künftig auch im restlichen Stall umgesetzt werden. "Die restlichen sind bestellt", verkündete Jessica von Bredow-Werndl Anfang Februar. Umgesetzt hat das Projekt die Firma "Röwer & Rüb", die unter anderem auch den Stall von Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann gebaut hat.

Die Sympathie in der Sozialbox muss stimmen.
Die Sympathie in der Sozialbox muss stimmen. © Foto: pixabay.com/ulleo (Symbolfoto)

Idee für Sozialboxen stammt aus der Schweiz

Neu ist die Idee von Sozialboxen übrigens nicht: Das "Nationale Pferdezentrum" (NPZ) Bern in der Schweiz setzt seit 2016 auf Sozialboxen. Sie sind aufgebaut nach dem Prinzip des Schweizers Andreas Kurtz: Der Mittelteil der Boxenwand wird durch senkrechte Stäbe im Abstand von rund 30 Zentimetern ersetzt. So können die Pferde Kopf und Hals in die Box ihres Nachbarn strecken.

Die Vorteile von Sozialboxen? "Physische Kontakte zu Artgenossen gehören zu den Grundbedürfnissen der Pferde." In den offener gestalteten Sozialboxen können Pferde sich gegenseitig beschnuppern und sogar Fellpflege betreiben. Wichtig sei dem "NPZ" zufolge aber auch, dass die Pferde weiterhin genug Rückzugsmöglichkeiten haben, um auf Abstand zu gehen.

Nach zwei Jahren Sozialboxen zog das "NPZ" auf Facebook ein Fazit: "Ein paar Bisspuren, ein paar Näggi ab, ein paar zerrissene Decken, ein paar wenige Boxenwechsel vs. zufriedene, spielende, gemeinsam fressende und ruhende, kraulende, schmusende Pferde." "Näggi" bedeutet laut dem "Schweizer Radio und Fernsehen" (SFR) und "Berndeutsch.ch" auf Hochdeutsch in etwa so viel wie Macke (zum Beispiel im Holz), kleiner Schaden oder kleine Narbe.

Sozialboxen – nur Vorteile?

Auch in der Hengsthaltung können Sozialboxen eine Option sein. Schließlich sind die Zeiten von Einzelhaft für Hengste längst vorbei. So hat etwa das "Schweizer Nationalgestüt" (SNG) in Avenches im Rahmen einer Studie gute Erfahrungen mit Sozialboxen gemacht, berichtet "Cavallo". 2013 wurde das Sozialverhalten von 16 Hengsten untersucht. Und das war in den Sozialboxen fast zehnmal ausgeprägter als in normalen Boxen. Insgesamt zeigten die Hengste in Sozialboxen rund 37 Minuten positive Interaktionen am Tag, im Vergleich zu vier Minuten in einer normalen Box.

Ein wichtiger Punkt bei Sozialboxen: Die Nachbarn müssen miteinander auskommen. "Stark dominante Hengste sollte man nicht nebeneinander aufstallen", warnt die Expertin Sandra Schaefler, die beim "Schweizer Tierschutz" (STS) die Fachstelle Heimtiere und Pferde betreut, gegenüber dem Magazin "TierWelt". Auch bei Hengsten, die sich gut verstehen, könne es vor allem vor der Fütterung zu Reibereien kommen.

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Und: Je nach Gestaltung können Sozialboxen ein gewisses Verletzungsrisiko für Pferde bergen. Bei dem Versuch im "Schweizer Nationalgestüt" (SNG) in Avenches verletzten sich die Hengst etwa manchmal am Kopf. Der Grund: Sie stießen sich an der vertikalen Stange, die die senkrechten Stangen verbindet. Verletzungsgefahren wie diese können aber behoben werden, indem die Stangen abgepolstert sind. Oder indem es keine vertikalen Stangen gibt – wie bei den neuen Trennwänden in Aubenhausen.  © Pferde.de