Das deutsche Start-up-Unternehmen "Dogscan" bildet Hunde aus, die Lungenkrebs erschnüffeln können sollen. Diese Tumorhunde sollen bei der Vorsorge für die oft tödlich endende Krankheit eine entscheidende Rolle spielen. Doch funktioniert das wirklich?

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Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Start-up "Dogscan" hat Hunde darauf trainiert, Lungenkrebs anhand von ausgeatmeten Aerosolen in getragenen Masken zu erschnüffeln, um eine einfache und frühzeitige Vorsorgemöglichkeit zu bieten.
  • Erste Tests des Unternehmens zeigen vielversprechende Trefferquoten von bis zu 99 Prozent, jedoch gibt es Kritik an der wissenschaftlichen Validität der zugrunde liegenden Studien und der Methodik.
  • "Dogscan" plant weitere Untersuchungen und hofft auf eine zukünftige Kostenübernahme durch Krankenkassen, während Experten das Konzept als vielversprechend, aber noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt bewerten.

Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten. Laut "Statista" forderte die heimtückische Krankheit im Jahr 2022 1,82 Millionen Todesopfer weltweit. Die oft tödlich endende Krankheit entsteht, wenn sich Zellen in der Lunge unkontrolliert vermehren und zu genetischen Veränderungen führen. Der Hauptauslöser für Lungenkrebs ist das Einatmen schädlicher Stoffe, die die empfindlichen Zellen der Lunge irreparabel schädigen.

Nachdem sein Vater an Lungenkrebs gestorben war, hat es sich Alexander Maßen zum Ziel gesetzt, eine Methode zu entwickeln, die eine frühzeitige und sichere Erkennung der heimtückischen Krankheit ermöglicht. Und diese Methode setzt auf die Supernase und den bekannten Spürsinn unserer wuffenden Freunde. Denn schon lange ist bekannt, dass Hunde Krankheiten erschnüffeln können – von Krebs bis Corona. Warum also nicht auch Lungenkrebs? Zusammen mit Florian Wienen, einem erfahrenen Hundetrainer, Diensthundeführer und Ausbilder für Sprengstoffspürhunde, kam die Idee für das Start-up-Unternehmen "Dogscan".

Kann die Hundenase auch Lungenkrebs erschnüffeln?
Kann die Hundenase auch Lungenkrebs erschnüffeln? © Foto: pixabay.com/Jade87 (Symbolfoto)

Fünf ausgebildete Hunde erschnüffeln Lungenkrebs

Das Konzept von "Dogscan" besteht darin, dass fünf ausgebildete Vierbeiner an getragenen Masken schnüffeln. Die Hunde sollen anhand der Aerosole, die der Mensch ausgeatmet hat, und des entsprechenden Atemmusters erkennen, ob ein Verdacht auf Lungenkrebs vorhanden ist. Denn Hunde haben etwa 300 Millionen Riechzellen und können somit auch die ganz feinen Duftmoleküle erschnüffeln, die an getragenen Masken angeheftet bleiben.

Dafür bildeten Alexander Maßen und Florian Wienen fünf Hunde ein Jahr lang aus und starteten ihre eigenen Versuchsreihen. Sie ließen die Fellnasen Biest, Aaron, Loki, Aki und Lu dafür an mehr als 12.500 Masken schnüffeln. Davon waren über 850 "Bestätigungsmasken", also Masken, bei denen bekannt war, dass der Träger an Lungenkrebs erkrankt war. Unzählige der Masken waren jedoch sogenannte "Verleitungsmasken", das heißt Personen ohne Lungenkrebs, aber mit anders riechenden Stoffen, wie zum Beispiel Zigaretten, Mettbrötchen oder Schminke.

Die Fellnasen wurden nicht nur darauf trainiert, "Verleitungen" zu ignorieren. Sondern auch darauf, ausschließlich den "Reinstoff-Krebs" anzuzeigen. Mit einem beeindruckenden Resultat: "Dogscan" gibt an, dass die Hunde in eigenen Tests etwa 99 Prozent aller getragenen Masken richtig erschnüffeln. Denn entscheidend sei das Suchverfahren: Es sei mathematisch sehr unwahrscheinlich, dass drei Hunde mit einer Trefferquote von 90 Prozent gleichzeitig falsch liegen. Onkologen und Lungenfachärzte beobachteten die Testreihen und standen für Fragen aller Art zur Verfügung.

Lungenkrebs-Vorsorge ganz einfach zu Hause mit einer Testbox

"Unsere Vorsorge ist so simpel, dass sie jeder Mensch zu Hause in den eigenen vier Wänden durchführen kann", bestätigt Alexander Maßen. Dafür kann man bei "Dogscan" Testboxen bestellen, die eine "Spezial-Maske" enthalten. Ein Testpaket kostet 112 Euro und muss aktuell noch aus eigener Tasche bezahlt werden. Die Testperson trägt diese Maske, die einer Corona-Maske ähnelt, für circa fünf Minuten und schickt sie anschließend zurück an das Unternehmen.

Dort schnüffeln dann die ausgebildeten Hunde an den Masken und reagieren, wenn sie im Atemprofil Lungenkrebs-Gefahr erkennen. Innerhalb von zwei Wochen erhalten die Testpersonen dann ihr Ergebnis.

Gegenüber der "Neuen Ruhr Zeitung" äußerte Maßen die Hoffnung, dass zukünftig die Krankenkassen die Kosten für die Testbox übernehmen sollen, damit so viele Menschen wie möglich einen einfachen Zugang zur Lungenkrebs-Vorsorge bekommen können.

Hunde haben etwa 300 Millionen Riechzellen.
Hunde haben etwa 300 Millionen Riechzellen. © Foto: pixabay.com/Couleur (Symbolfoto)

Lungenkrebs rechtzeitig erkennen: Die Vorsorge ist das A und O

Regelmäßige Vorsorge-Untersuchungen sind für Krebsarten wie Brustkrebs oder Prostatakrebs ab einem bestimmten Alter obligatorisch. Laut der "Deutschen Krebsgesellschaft" (DKG) gibt es jedoch bis jetzt keine etablierte Lungenkrebs-Vorsorge. Doch dieser Krebs verursacht in vielen Fällen erst in einem sehr späten Stadium Schmerzen und Probleme. Dann ist es jedoch meistens für eine Heilung schon zu spät.

Die mangelnde Vorsorge für Lungenkrebs hat verschiedene Gründe. Die hauptsächlich genutzten Bluttests sind unzuverlässig, und der Nutzen eines Screenings mit Röntgenstrahlung ist nicht nachgewiesen. Die fünf ausgebildeten Hunde könnten daher die bestehende Lücke in der Lungenkrebs-Vorsorge schnell und auf einfache Art und Weise schließen.

Es gibt aber noch einen weiteren großen Vorteil, dass ausgebildete Hunde die Lungenkrebs-Vorsorge übernehmen. Ali Bouklloua, Facharzt für innere Medizin und Kardiologe, erklärt: "Das Schöne an dieser Untersuchung ist, dass die Hemmschwelle sehr niedrig gesetzt wird. Vor allen Dingen für Menschen, die eher zurückhaltend sind, sich ärztlich untersuchen zu lassen."

Das "Vier-Pfoten-Schnüffel-Team" steht auf jeden Fall bereit, ist aber auf regelmäßiges Training angewiesen. "Dogscan" sucht daher Probanden, die Lungenkrebs haben und Biest, Aaron, Loki, Aki und Lu bei ihrer wirklich lebensrettenden Arbeit unterstützen wollen, indem sie die Test-Masken tragen und zurückschicken. Unter diesem Link können sich interessierte Probanden registrieren.

Kritisch untersucht: Funktioniert "Dogscan" wirklich?

Klingt alles zu gut, um wahr zu sein? Der Tierarzt Dr. Karim Montasser hat das Unternehmen mal genauer unter die Lupe genommen. Dafür schaute er sich die vier Studien, welche "Dogscan" auf seiner Website verlinkt hat, im Detail an.

Ergebnis: Die Aussagekraft der Studien variiert, sie sind nicht gleichwertig, kritisiert der Tierarzt. Die Studien seien in ihrer Umsetzung nicht eins zu eins auf "Dogscan" übertragbar, eine Studie sei bereits zehn Jahre alt, andere liefern ungenaue Ergebnisse. Einer Pilotstudie liefere zwar sehr gute Ergebnisse, aber müsse noch in Kontrollstudien überprüft werden. In einer Studie, an der nur ein einzelner Hund teilnahm, spielten nicht nur Atem-, sondern auch Urinproben eine Rolle. Die Trefferquote von 99 Prozent bezog sich auf das richtige Erschnüffeln von Lungentumoren und nicht auf Atemproben. Bei der Untersuchung von Atemluft schnitten die Hunde nicht so gut ab, sodass die Autoren der Studie darauf hinwiesen, dass die Ergebnisse für die klinische Anwendung noch nicht geeignet seien.

"Dogscan" habe sich bei der Auswertung der Studien, die sie auf ihrer Website verlinken, "großzügig mit den Zahlen vertan". Denn in allen vier Studien sei nicht das Ziel, Hunde als Krebserschnüffler zu etablieren. Vielmehr dienen die Hunde dazu, zu beweisen, dass es Substanzen namens Volatile Organic Compounds gibt, die Krebs in der Atemluft anzeigen. Inzwischen hat die Firma das angepasst und die Trefferquoten hinter den jeweiligen Studien entfernt.

Hunde, die Lungenkrebs erkennen – geht das?
Hunde, die Lungenkrebs erkennen – geht das? © Foto: pixabay.com/LaBruixa (Symbolfoto)

"Dogscan" macht eigene Tests

"Dogscan" wirbt außerdem mit eigenen Zahlen. Die fünf Hunde müssen regelmäßig einen Leistungsnachweis erbringen und kumuliert 2.500 Proben erschnüffeln. Darin befinden sich 100 Masken von Personen mit nachweislichem Lungenkrebs in verschiedenen Stadien, Klassifizierungen und Subtypen. Eine zufallsgenerierende Software bestimmt, in welches Suchboard die Masken gelegt werden. Weder der Hund noch sein Halter dürfen sehen, wo sich die Treffermasken befinden.

90 der 100 Treffermasken müssen die Hunde erkennen. Von den restlichen 2.400 Verleitungsmasken dürfen sie maximal 21 falsch anzeigen. Der Leistungsnachweis werde laut "Dogscan" medizinisch und von unabhängiger Stelle beaufsichtigt. Das Ergebnis sei eine Sensitivität (gibt an, wie zuverlässig ein medizinisches Diagnoseverfahren erkennt, ob Probanden erkrankt sind) von 90 Prozent und eine Spezifität (gibt die Zuverlässigkeit an, ob Testpersonen nicht erkrankt sind) von 99,13 Prozent.

Hier hat Dr. Montasser noch einige Fragen, zum Beispiel: Wie genau lagert die Firma die Masken? Wie genau sieht das Training der Hunde aus? Und: Müssen die Probengebenden vor dem Beatmen der Masken Essenfasten und eine bestimmte Zeit auf das Rauchen verzichten?

Fazit: Luft nach oben, aber auf einem guten Weg

Eine Finanzierung für großangelegte Studien fehle noch. Aber Dogscan strebt dies aber an, damit die Krankenkassen die Kosten künftig hoffentlich übernehmen. Dennoch betont das Unternehmen: "Wir möchten transparent über unsere Zahlen informieren und führen daher anhand der Realverkäufe eine fortlaufende Leistungsstudie durch." Tierarzt Dr. Montasser fasst zusammen: Es ist noch Luft nach oben, generell sei das Ganze aber eine lobenswerte Sache und auf einem guten Weg.

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"Auf mich wirkt es wie Personen, die wirklich versuchen, einen gute Job zu machen", so Dr. Montasser in seinem YouTube-Video. Solange es aber noch kein peer-reviewed Paper (also eine von unabhängigen Wissenschaftlern überprüfte Studie) mit einer doppelt verblindeten Studie (raddominierte, kontrollierte Studie) zu "Dogscan" gibt, müsse man erst einmal auf die eigenen Tests des Unternehmens vertrauen – oder diese eben infrage stellen.  © Deine Tierwelt