Chancen, Risiken, Entwicklungen
"Lernen ist wie Rudern gegen den Strom, sobald man aufhört, treibt man zurück!"
Diese alte chinesische Weisheit beschreibt die Anforderungen an die heutige Bildungspolitik, insbesondere an Institutionen wie Schule und Universität, recht treffend: Digitale Medien und Endgeräte − und damit auch digitale Bildung − sind aus unserer (Jugend)Kultur nicht mehr wegzudenken. Wer sich die guten alten Zeiten zurückwünscht, in denen es im Schulunterricht nur Tafelkreide und Schulbücher gab, rudert gedanklich zurück. Kultur und Bildung finden längst nicht mehr nur analog in Schulen, Jugendclubs vor Ort und Bibliotheken statt, sondern haben sich in die digitale Welt ausgeweitet und bestimmen das gesellschaftliche Gefüge maßgeblich mit. Kinder und Jugendliche kommen heute schon sehr früh mit digitalen Medien in Kontakt, sie sind sog. "Digital Natives": Sie wachsen mit digitalen Medien und mobilen Endgeräten auf. Das bedeutet nicht automatisch, dass auch die notwendige Medienkompetenz damit einhergeht. Doch Tatsache ist, dass die meisten Kinder und Jugendlichen oft sehr viel geschickter mit Smartphones, Tablets, Apps und den Nutzungskanälen der Social Media-Netzwerke umzugehen wissen als ihre Eltern oder Lehrkräfte. Erste Berührungspunkte mit digitalen Medien gibt es also nicht erst im Unterricht, sondern bereits lange davor − auf dem Pausenhof, im Freundeskreis, in der Familie. Um Kindern und jungen Menschen die nötige Medienkompetenz zu vermitteln, sollte so früh wie möglich damit begonnen werden, die guten und weniger guten Aspekte digitaler Medien zu diskutieren sowie deren Grenzen, Chancen und Risiken aufzuzeigen − und das richtige Maß bei der Nutzung zu finden. Denn so oder so: Die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen und spätestens seit der Covid-Pandemie liegt der Fokus wieder verstärkt auf der Digitalisierung von Schulen. Das Thema hat (endlich) an Fahrt aufgenommen!
Den digitalen Wandel an den Schulen voranzutreiben, umzusetzen und mit Augenmaß zu gestalten, ist eine große bildungspolitische Herausforderung: Schule und Bildung sind in Deutschland föderal organisiert, jedes Bundesland hat eine eigene Bildungspolitik. Es gibt auf Bundesebene keine festen Regeln für eine einheitliche Ausstattung mit digitalen Medien und deren Einsatzmöglichkeiten. Das bedeutete bisher, dass Schulen in Bundesländern mit weniger Budget für Bildung auf moderne Lernmittel und -technik verzichten mussten. Doch nun wird die Digitalisierung an Schulen vom Bund gefördert. Endlich ist Geld da, für alle! Doch was genau ist der DigitalPakt Schule?
Im Jahr 2016 hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) gezielt mit den Fragen und Herausforderungen des Digitalen Wandels beschäftigt. Heraus kam das Strategiepapier "Bildung in der digitalen Welt". Dieses Papier gilt auch als Basis für die Entstehung des Digitalpakts Schule: Die Bundesregierung hat das Ziel, die digitale Ausstattung der Schulen besser oder überhaupt erst möglich zu machen. Doch da Bildung in Deutschland Ländersache ist, musste zunächst das Grundgesetz entsprechend angepasst werden. Der Bund hat normalerweise kein Mitspracherecht in der Bildungspolitik der Länder und kann Schulen nicht direkt finanzieren. Doch das Bundesbildungsministerium und die Kultusministerien der Länder verhandelten und diskutierten intensiv, um den Herausforderungen des digitalen Wandels besser begegnen zu können. Am Ende einigte man sich, der entsprechende Grundgesetzartikel 104c wurde geändert, und im Mai 2019 konnte die "Verwaltungsvereinbarung Digitalpakt Schule 2019 bis 2024" endlich in Kraft treten.
Was soll durch den Digitalpakt gefördert werden?
Aufgrund der föderalen Struktur haben die einzelnen Bundesländer eigene Richtlinien bzw. Empfehlungen entwickelt, an denen sich die Schulen und Schulträger, also die Städte und Gemeinden, orientieren sollen. Die Bereitstellung von WLAN und das Legen von Kabeln in den Klassenzimmern stehen ganz oben auf der Liste. Es geht zunächst darum, die notwenige Infrastruktur aufzubauen. Die bisher veröffentlichten Orientierungsrichtlinien enthalten jedoch auch Empfehlungen zur Ausstattung der Klassenzimmer, z. B. mit Displays und Beamern oder auch geeignetem Mobiliar.
Wie viel Geld liegt insgesamt im Fördertopf?
Insgesamt 6,5 Milliarden Euro stellt der Bund an Fördergeldern bereit. Doch vier Jahre nach Start des Digitalpakts wurde bislang nur rund ein Drittel davon abgerufen: Laut Angaben des Bundesbildungsministeriums für Bildung und Forschung gab man bis Ende 2022 rund zwei Milliarden Euro für konkrete Projekte aus; (noch) nicht abgeflossen, aber bewilligt, wurden 4,1 Milliarden Euro.
Der "DigitalPakt Schule 2019 bis 2024" wurde beständig erweitert und besteht inzwischen aus insgesamt vier Förderprogrammen:
Grenzen des Digitalpakts
Digitalisierung allein ist kein Allheilmittel. Digitaler Unterricht und neue Lehr- und Lernmethoden führen nicht zwangsläufig zu besseren schulischen Leistungen. Attraktive Technik allein reicht bei weitem nicht aus. Daher sind alle Fördermittel auch an die Erstellung von medienpädagogischen Konzepten gebunden, die wiederum durch kommunale Medienzentren geprüft werden sollen. Wie diese Prüfungen ablaufen, welche Kriterien es genau gibt, ob genügend Personal hierfür zur Verfügung steht, inwieweit pädagogische Beratung für den Einsatz digitaler Medien möglich ist oder wie die Hilfe zur Handhabung der Geräte aussehen soll, wird die praktische Umsetzung zeigen. Auf längere Sicht stellt sich zudem die Frage, wie die Instandhaltung und Aktualisierung der genutzten digitalen Medien gestaltet wird – besonders dann, wenn die Förderprogramme des Staates auslaufen.
Es werden derzeit rund 25 länderübergreifende Projekte im DigitalPakt Schule umgesetzt, um die digitalen Strukturen im Bereich Schule und Bildung über die Ländergrenzen hinweg auszubauen, zu organisieren und zu vernetzen. (Stand: Juli 2023)
Laut einer repräsentativen Umfrage (April 2021) der Bitkom e. V., dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, gibt es aus Sicht von Eltern schulpflichtiger Kinder noch viel zu tun auf dem Weg zur Digitalisierung von Unterricht und Schule. Doch grundsätzlich steht die große Mehrheit der Eltern einer Digitalisierung positiv gegenüber:
Unter dem Begriff "digitale Medien", oft auch "Neue Medien", versteht man im weitesten Sinne alle elektronischen, digital codierten Kommunikationsmedien und technischen Geräte. Dazu gehören beispielsweise Tablets, Notebooks, Smartphones oder E-Books. Doch auch das Internet, Social Media oder Computerspiele zählen dazu.
Medien, die für den digitalen Unterricht und digitale Lernprozesse geeignet sind, sind unter anderem:
Eine Mammutaufgabe
Die Digitalisierung der Schulen in Deutschland hat durch die Covid-Pandemie zwar einen deutlichen Schub nach vorne erhalten und ist jetzt definitiv nicht mehr aufzuhalten. Doch der Weg ist noch lang und die Umsetzung verläuft nach wie vor eher schleppend. Auch die Idee, digitale Zeugnisse einzuführen, scheiterte bislang. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Digitalisierung eher im hinteren Mittelfeld. Expertinnen und Experten sind der Meinung, die Richtung stimme zwar, aber es ginge viel zu langsam voran und die Schere zwischen Schulen, an denen die Digitalisierung gut vorangeht und solchen, bei denen noch große Defizite herrschen, gehe weit auseinander. (Quelle: ZDFheute vom 11.03.2023; Digitale Schulen: Schere geht auseinander)
Auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) sah im September 2022 in ihrem Gutachten "Digitalisierung im Bildungssystem: Handlungsempfehlungen von der Kita bis zur Hochschule" großen Handlungsbedarf bei der Entwicklung passender Lernmaterialien sowie bei der Ausbildung von Lehrkräften. Durch den Digitalpakt Schule können seit 2019 Fördergelder abgerufen werden, auch die Bildungspläne wurden von den einzelnen Bundesländern ausgearbeitet: Nun sind die kommunalen Schulträger und Lehrkräfte aufgefordert − und ggf. oft noch damit überfordert − die entsprechenden Konzepte zu erstellen.
Möchte Deutschland im internationalen Wettbewerb auch in Zukunft mithalten, müssen Politikerinnen und Politiker, Schulträger, Pädagoginnen und Pädagogen und auch Eltern die Einführung digitaler Medien an Schulen ernstnehmen und fördern. Natürlich bleibt die Schule ein Ort der Begegnung, an denen Menschen sich treffen, zusammen lernen und voneinander lernen. Ob man in einer Unterrichtsstunde eher die analoge Tafel und ein Arbeitsblatt wählt oder ob man die Themen auf einem digitalen Smartboard erklärt, bleibt nach wie vor der jeweiligen Lehrkraft überlassen. Entscheidend ist, das optimale Verhältnis zwischen analogen und digitalen Unterrichtseinheiten zu finden.
Digitalisierung im Unterricht eröffnet viele neue Möglichkeiten und kann sowohl den Unterricht als auch die individuellen Lernprozesse in allen Klassenstufen enorm bereichern. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle direkt Beteiligten − Lehrende, Lernende, Eltern − den Herausforderungen des digitalen Wandels offen gegenüberstehen. Gerade auch naturwissenschaftliche Fächer wie Physik oder Chemie können durch 3D Animationen und virtuelle Darstellungen noch anschaulicher und interessanter gestaltet werden. Abstrakte Inhalte werden durch Grafiken, Animationen und Bewegungen spannend inszeniert und noch zugänglicher, sodass auch Kinder mit eher schwacher räumlicher Vorstellungskraft die Lerninhalte besser verstehen können. Ebenso wird sich die Form der Zusammenarbeit zunehmend ändern bzw. sie hat sich auf vielen Schulen bereits verändert. Traf man sich früher noch bei Schulkameradinnen und -kameraden zu Hause, finden moderne Projekt-Lerngruppen häufig fast nur noch virtuell in der Schul-Cloud statt: Auf Cloud-basierten Plattformen kann man online am selben Dokument arbeiten und Informationsmaterial teilen. Wie digitale Lernangebote und Lernformen unsere Gesellschaft in Zukunft prägen, ist noch nicht absehbar. Sicher ist nur, dass sich die Digitalisierung der Schulen nicht aufhalten lässt.