Worin unterscheidet sich die Partnersuche von jüngeren Menschen und Menschen Ü50 oder gar Senioren? Datingapps nutzen schon lange nicht mehr nur jüngere Leute, doch beim Dating in der älteren Generation gibt es andere Tücken, die eine Beziehung scheitern lassen. Eine Dating-Expertin warnt vor einem typischen Fehler.

Ein Interview

Geht die langjährige Partnerschaft in die Brüche oder stirbt der Lebensgefährte, ist dies für viele Senioren erst einmal ein tiefer Einschnitt in den Alltag. Wir haben mit Beziehungsexpertin Sandra Neumayr gesprochen, welche spezifischen Probleme auf Menschen zukommen könnten, die im Alter noch einmal in die Dating-Welt eintauchen – und wie diese am besten zu bewältigen sind.

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Was sind denn typische Datingfehler, die Senioren begehen?

Frau Neumayr: Zum Beispiel neigt diese Generation dazu, Rituale, die sie mit dem vorherigen Partner hatte, auch auf den neuen Partner zu übertragen. Die Menschen haben ja bereits einen langen Lebensabschnitt hinter sich, haben etwa schon Kinder bekommen, die jetzt aus dem Haus sind.

Wie darf man sich solche Rituale konkret vorstellen?

Mit dem Ex-Partner hat man beispielsweise um 18 Uhr zu Abend gegessen, um 20 Uhr Nachrichten geschaut und ist am Wochenende an den Tegernsee gefahren, das erwartet man dann auch vom neuen Partner. Die eigenen Rituale sind schon ein bisschen eingefahren.

Die beiden größten Datingfehler im Alter

Das heißt, ältere Singles, bei denen die letzte Beziehung schon eine Weile her ist, haben einen Vorteil?

Diejenigen, die ganz lange alleine gelebt haben, haben natürlich auch ihre Rituale. Oder aber die Angst, sich auf etwas einzulassen, weil sie sich so versperren, dass sie den anderen wegtreiben, ohne es zu wollen. Das sind mitunter die beiden größten Datingfehler im Alter: zu große emotionale Distanz oder ein festgefahrenes Lebenskonzept.

Was wären Strategien, diese Fehler zu umgehen?

Man sollte sich wirklich bewusst machen: Das ist ein neuer Mensch, eine neue Beziehung, die mit dem Alten nichts zu tun hat. Das heißt auch alte Streitmuster zu vermeiden. Es ist oft folgendermaßen: Sobald ein Problem des alten Partners auftaucht, spielt sich ein Automatismus ab. Und den muss man natürlich unterbrechen. Das zu reflektieren, auch eigene Muster zu reflektieren, ist natürlich etwas Schwieriges.

Haben damit speziell ältere Leute eher ein Problem?

Ja, weil diese ihr Leben natürlich schon mehr ritualisiert haben. Jüngere Menschen sind da vielleicht ein bisschen flexibler. Und es ist natürlich auch so, dass man im Alter, ich benutze das Wort jetzt mit einem Augenzwinkern, ein bisschen mehr zum "Eigenbrötler" wird.

Keinen Ersatz für den verstorbenen Partner suchen

Gibt es Besonderheiten, wenn der Ex-Partner verstorben ist? Im Alter ist dies sicher öfter der Fall.

Man möchte vieles gut machen, was man beim verstorbenen Partner verpasst hat. Das kann sich konstruktiv äußern, etwa dass man sich weniger streiten möchte. Es kann sich aber auch negativ äußern, wenn man einen Ersatz für den Verstorbenen sucht. Die vergangenen Lebenserfahrungen beeinflussen natürlich die Beziehung.

Wie könnte sich das äußern?

Wenn man betrogen wurde, dann sucht man beim neuen Partner vielleicht um Rat, Hilfe, Verständnis und Unterstützung. Oder man unterstellt ihm seinerseits sehr schnell Untreue, selbst wenn der neue Partner in seinem Leben noch nie fremdgegangen ist. Ist der Ex-Partner wiederum an seiner ungesunden Lebensführung verstorben, dann versucht man den anderen vielleicht zu einem gesunden Lebenswandel zu zwingen.

Wenn noch erschwerend der Faktor einer bereits existierenden Familie mit Kindern hinzukommt, was macht das aus?

Kommt drauf an, wie man es den Kindern vermittelt. Es gibt beim Nachwuchs oft Angst um das Erbe, wenn neue Lebensgefährten der Eltern ins Spiel kommen. Oder die Kinder akzeptieren den Neuzuwachs nicht wegen des Andenkens an den verstorbenen Elternteil. In manchen Fällen geht es sogar so weit, dass die Person geradezu vor der Entscheidung steht: Kinder oder Partner?

Problem Familie?

Haben andersherum auch die neuen Lebensgefährten Probleme mit der Familie des/der Auserwählten?

Manchmal passiert es, dass sie ihrem Partner in die Erziehung der erwachsenen Kinder reinreden wollen. Oftmals geht es dabei auch um Finanzen. So funktioniert das natürlich nicht. Man muss das bestehende Familienkonstrukt respektieren können.

Grenzen sind also wichtig?

Ja, und Selbstdisziplin. Es kann in dem ein oder anderen Fall schon zu gewissen Grenzüberschreitungen kommen, sowohl von den Eltern als auch von den Kindern. Das ist natürlich eine enorme Belastung, die man beim Dating unter Jüngeren eher weniger hat.

Welche Besonderheiten treffen auf die Altersgruppe Ü50 zu?

Die Generation 50 Plus steht ja noch mitten im Leben, mitten in der Karriere. Die brauchen dann natürlich einen Partner, der mit der Karriere kompatibel ist. Da sind die Kinder auch noch nicht so alt, die sind vielleicht gerade in der Spätpubertät oder werden gerade selbst Eltern. Das heißt, da muss der Partner in ein aktives Leben passen. Dann ist aber auch die Erwartungshaltung, dass der Partner sein eigenes Leben hat.

Unterschiedliche Herausforderungen für unterschiedliche Lebensabschnitte

Und bei Menschen Ü60?

Mit 60 Plus, wenn es auf die Rente zugeht, überlegt man, wie es werden wird, 24 Stunden am Tag zusammen zu sein. Da muss man abgleichen: Sind die Ideale vom Ruhestand oder Vorruhestand kompatibel? Möchte einer von beiden nebenher gerne weiterarbeiten und der andere möchte sich aber lieber um den Garten kümmern, dann könnte es Probleme geben. Außer man findet einen Mittelweg.

Und mit Ü70?

Bei 70 Plus ist es so, da kommen dann die körperlichen Einschränkungen immer mehr dazu. Hier müssen beide Partien abstimmen, ob sie von der körperlichen Fitness her zusammenpassen. Man ist ja auch aufeinander angewiesen ab einem gewissen Punkt.

Gibt es noch weitere erschwerende Faktoren?

Ja, bei Frauen kommen ab einem gewissen Alter dann die Wechseljahre dazu. Da kommt es vermehrt zu Trennungen.

Bevorzugen die meisten älteren Menschen eher ein unabhängiges Beziehungsmodell oder ziehen sie lieber schnell zusammen?

Die Klienten, die ich kenne, suchen eher nach einem unabhängigen Modell, bei dem man am Wochenende zusammenlebt, aber jeder seine eigene Wohnung behält.

Wie ist es, wenn ein Partner älter ist?

Was ändert sich nun an den Problemen, wenn nur einer der beiden Partner älter ist?

Sicherlich einmal die Körperlichkeit, das ist relativ logisch. Dann natürlich auch die Zukunftsvisionen: Wenn der jüngere Part etwa noch ein Kind möchte, kann das zu Problemen führen. Meist verfügen ältere Menschen auch über ganz andere finanzielle Mittel, was ebenfalls zu einem Ungleichgewicht beitragen kann.

Und auf anderer Ebene?

Vor allem im Freundeskreis kann es Reibungen geben. Der ältere Partner kann bei vielen Aktivitäten vielleicht nicht mehr mit dem Freundeskreis der jüngeren Person mithalten. Und natürlich auch im Hinblick auf die Karriere: Der eine bewegt sich langsam Richtung Ruhephase, der andere gibt gerade erst so richtig Gas. Sie befinden sich eventuell einfach in unterschiedlichen Lebensabschnitten.

Daten ältere Menschen nach anderen Kriterien als jüngere?

Ja sicher, der Kinderwunsch und die Familienplanung fällt ja meist schon mal weg. Und oft geht es ihnen auch ein bisschen mehr um Beständigkeit und Pragmatismus. Bei jüngeren Menschen geht es hingegen oft um Illusionen.

Das heißt, da ist dann schon mehr Realismus vorhanden?

Realismus und Pragmatismus. Da kommen einerseits körperliche Kriterien hinzu, es kommt aber etwa auch das Bildungsniveau hinzu oder persönliche Interessen. Das wird am Anfang oft unterschätzt. Aber die Freizeitgestaltung gestaltet sich so oft schwierig. Außer beide sind bereit dazu und flexibel genug den Wunsch des anderen zu respektieren und in die Welt des anderen eintauchen zu wollen.

Dating bei älteren Menschen

Kommen wir auf das Dating an sich zu sprechen: Welche Methoden würden sie hier älteren Menschen empfehlen?

Sind sie Internet- oder Handy-affin, dann ist natürlich die Online-Partnersuche eine gute Möglichkeit. Was es aber in dieser Generation noch häufig gibt, sind die klassischen Kontaktanzeigen in der Zeitung oder Partnervermittlungsinstitute. Aber auch ein Museumsbesuch, die Oper, das Theater, eben ein Ort, wo man Gleichgesinnte findet.

Welche Seiten sind online bei dieser Altersklasse beliebt?

Wir hören von unseren Klienten immer wieder Parship, Elitepartner oder Zweisam.

Ziehen viele ältere Singles eine Webseite einer App vor?

Möglich, ich könnte es mir vorstellen. Wenn man einen schönen Text über sich schreiben und professionelle Fotos hochladen kann, dann suggeriert es zumindest ein Gefühl, den anderen kennenzulernen. Wobei man immer bei der Wahrheit bleiben sollte – auch beim Alter.

Hochzeitsschwindler oder finanzieller Betrug

Stichwort "Wahrheit": Es gibt immer mehr Betrüger im Netz. Oft fallen ältere Singles dann auf Hochzeitsschwindler oder finanziellen Betrug herein.

Ich höre es tatsächlich selten. Ältere Menschen haben ja in der Regel doch sehr viel Lebenserfahrung. Und sollte es doch dazu kommen, sollte man sich fragen: Warum muss man ab einem gewissen Alter heiraten und sich sofort binden? So etwas hat Zeit.

Betrüger sind also keine Gefahr?

Ich denke, das liegt am Typ Menschen. Aber auch an der Bedürftigkeit. Das meine ich auch nicht abwertend, aber wenn ich unbedingt einen Partner brauche, weil ich nicht alleine leben kann, dann wird es sowieso schwierig für eine Beziehung. Dann rutscht man in eine Abhängigkeit.

Auf der anderen Seite kann es auch immer sein, dass mit einem Menschen alles passt und nach einem Jahr gibt es mal einen finanziellen Engpass. Aber dann kennt man sich, man hat schon viel Zeit miteinander verbracht und wenn dann jemand mal in Nöten ist, ist das etwas anderes.

Über die Expertin: Sandra Neumayr betreut seit 25 Jahren Menschen in Beziehungskrisen. Sie ist leitende Dozentin an der Akademie für beratende Psychologie. Seit 22 Jahren ist sie auf Paare und Paarberatung spezialisiert. In ihrer Praxis in München bietet sie unter anderem Single-Coachings an.
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