- Die Liebe zwischen zwei Menschen ist nicht immer positiv.
- Eine Beziehung kann auch toxisch sein.
- Wann das der Fall ist und was wir dagegen tun können, verrät Diplom-Psychologe Christian Hemschemeier.
Nicht immer ist eine Liebe überwiegend von positiven Gefühlen und Zuneigung geprägt. Kommt es stattdessen häufig zu einem Wechsel aus Höhenflügen und tiefen Abstürzen kann es sich um eine toxische Beziehung handeln. Diplom-Psychologe Christian Hemschemeier, Autor von "Die neue Dimension der Liebe" (arkana), erklärt im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news, wann von einer giftigen Partnerschaft gesprochen werden kann und welche Folgen sie für die Beteiligten hat.
Was ist überhaupt eine toxische Beziehung?
Christian Hemschemeier: Der Begriff ist heute schon etwas verwischt. Ich verstehe darunter Beziehungen, bei denen es einen egoistischen oder anderweitig mauernden Partner sowie einen abhängigen, zulassenden Partner gibt. Beim abhängigen Partner tritt dann die sogenannte Liebessucht auf, ein Zustand, bei dem man nur noch leidet und nicht mehr richtig schlafen, essen oder arbeiten kann. Nicht jede unglückliche oder ungleichgewichtige Beziehung ist aber automatisch toxisch.
Das sind die Phasen einer toxischen Beziehung
Woher stammt der Begriff "toxisch"?
Der Begriff stammt ursprünglich aus einem amerikanischen Fachjournal des Jahres 1972. Dort wird eine Beziehung zwischen zwei Partnern beschrieben, die nur zusammenbleiben, um der eigenen Einsamkeit zu entgehen. Die toxische Beziehung ist in dem Fall das kleinere Übel. Im amerikanischen Raum ist der Begriff "toxisch" seitdem im Gebrauch. Er beschreibt diese drogenartigen, ungesunden Beziehungen.
Ab wann kann man von einer toxischen Beziehung sprechen?
Bei Beziehungen, die diese Bezeichnung wirklich verdienen, kommt es zuerst zu einer "Lovebombing-Phase". In dieser schwebt man auf Wolke sieben und glaubt mit jeder Faser seines Körpers, den Richtigen oder die Richtige gefunden zu haben. Typischerweise kommt es nach etwa drei Monaten zu einem Einbruch (Fremdgehen, Grenzüberschreitung, Lügen werden aufgedeckt). Ab dann oszilliert die Beziehung zwischen immer kürzeren "Highs" und immer mehr "Lows". Fast alle Betroffenen berichten aber auch davon, dass es schon von Anfang an Ungereimtheiten gab. Als erstes Symptom zeigt sich häufig obsessives Nachdenken. Beziehungen sind also toxisch, wenn sie mit sehr vielen Ungleichgewichten und Manipulationen - bewusst oder unbewusst - einhergehen und man trotzdem in ihnen bleibt, obwohl es einem massiv schadet. Auch hier sieht man wieder die Parallelen zu Süchten.
Kommt es immer häufiger zu toxischen Beziehungen?
Nein, das glaube ich nicht. Der öffentliche Fokus liegt nur öfter auf solchen Beziehungen und die Gesellschaft ermöglicht heute viel mehr Freiräume. Dadurch stellen sich bestimmte Fragen überhaupt erst. Zudem daten wir heute auch viel mehr verschiedene Menschen als früher.
Eine Paartherapie bringt nichts
Was passiert mit der Psyche der beteiligten Personen in einer toxischen Beziehung?
An einer toxischen Beziehung teilzunehmen, ist letztlich für beide keine befriedigende Erfahrung. Leiden wird aber bei den meisten Beziehungen vor allem der abhängige Partner beziehungsweise die abhängige Partnerin. Hier kommt es zu immer mehr Selbstwert- und Kontrollverlust, der zu einer Vielzahl von Symptome führen kann: Ängste, Substanzkonsum, Verstimmungen, körperliche Symptome und vieles mehr.
Lesen Sie auch: Wie toxische Männlichkeit unser Datingverhalten beeinflusst
Lässt sich eine toxische Beziehung therapeutisch behandeln?
Wenn damit eine Paartherapie gemeint ist: in aller Regel nein. Einer der Partner hat meist gar kein Interesse daran oder versucht sogar, den Paartherapeuten zu manipulieren. Individuell kann man natürlich an Selbstliebe, Standards und seinem unsicheren Bindungsmuster arbeiten. Meist versucht man allerdings, den anderen zu "retten", was aber gar nichts bringt. Nachhaltig an sich arbeiten kann man nur, wen man eine toxische Beziehung verlässt und auch nicht wieder aufnimmt. © 1&1 Mail & Media/spot on news
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.