• "Very Peri" heißt die Pantone-Farbe des Jahres 2022 - ein kräftiges Lila.
  • Der Farbforscher Prof. Dr. Axel Buether erklärt, wie sie wirkt und wie man sie tragen sollte.
  • Auch den Trend "Dopamin Dressing" nimmt er unter die Lupe und gibt Tipps, wer zu welchen Farben greifen sollte.
Ein Interview

Im Frühjahr sehen wir nicht nur in der Natur wieder mehr Farben, sondern auch bei der Kleidung. Ein Trend heißt "Dopamin Dressing". Dabei tragen wir besonders knallige Outfits. Ist der Name begründet? Können Farben wirklich glücklich machen?

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Axel Buether: Ja, der Name trifft tatsächlich zu. Die biologische Funktion der Farben ist die Verhaltenssteuerung. Das heißt: Farben wirken auf unser Erleben und unser Verhalten. Natürlich gibt es auch einen Zusammenhang mit der Hormonausschüttung. Das hat allerdings auch etwas mit dem Kontext zu tun. Wenn Sie beispielsweise frühlingshafte und intensive Farben tragen, spiegelt das Lebensfreude wider. Sehen wir jemanden, der "Dopamin Dressing" trägt, bewirkt das etwas in uns – ähnlich wie die aufblühende Natur und deren Farben im Frühling. Wir erleben dabei Glücksgefühle. Dementsprechend ist "Dopamin Dressing" auf jeden Fall der richtige Begriff für diese Begebenheit.

Was bewirken besonders strahlende, leuchtende Farben wie kräftiges Gelb, knalliges Grün oder strahlendes Blau bei uns selbst und bei anderen?

Farben sind wie eine eigene Sprache. Vor allem im Tierreich spielt die Farbensprache eine wichtige Rolle. Aber auch bei uns Menschen: Wir kommunizieren über Farben, um Wirkungen zu erzielen. Wenn wir uns morgens am Kleiderschrank bedienen, sagen die Farben, zu denen wir greifen, etwas über unsere Intuition aus: Was wollen wir an diesem Tag erleben? Wer eher im Hintergrund bleiben möchte, entscheidet sich wohl für Beige oder Grau. Wer sich auf etwas freut, wird eher auffälligere Farben wählen. Vor allem warme Farbtöne wie Orange, Gelb, leuchtendes Grün oder Kombinationen von Violett und Orange senden Signale von Lebensfreude. Und wenn wir diese Signale aussenden, erreichen wir damit auch unser Gegenüber und zaubern ihr oder ihm ein Lächeln ins Gesicht. Das lässt sich beobachten, probieren Sie es einfach aus! Das Beste daran: Die positiven Rückmeldungen – seien es Blicke oder eben ein Lächeln – kommen zu uns zurück. Wenn wir Menschen durch die Wahl unserer Kleidung glücklich machen, profitieren wir selbst am meisten davon.

Wenn wir also mit dem falschen Fuß aufstehen, aber dann bewusst eine knallige Farbe wählen, hat das Einfluss auf unsere Stimmung?

Genau! Damit setzen wir ein Zeichen. Durch Farben können wir unserer Laune bewusst entgegenwirken, angefangen mit der Kleidung. Die wiederum strahlt positive Energie aus und färbt auf andere ab. Wer sich farbenfroh kleidet, hat dadurch einen besseren Tag.

Sie sagen, knallige und helle Farben wirkten positiv auf unsere Umwelt. Können wir Menschen durch die Wahl der Farben auch richtig beeinflussen?

Da kann man ins Detail gehen. Farben wie Schwarz wirken autoritär, distanziert und durchsetzungsfähiger – was auch gewollt sein kann. Allerdings wirken dunkle Farben einer unbeschwerten Kommunikation entgegen. Ein Beispiel: Trage ich als Hochschullehrer einen schwarzen Anzug, trauen sich die Studierenden nur selten, nach der Vorlesung noch Fragen zu stellen. Anders sieht das aus, wenn ich einen blauen Anzug und ein rosafarbenes Hemd trage. Denn dadurch wirke ich freundlicher. Die Studierenden trauen sich mir gegenüber mehr und sind offener – und nehmen mich auch als offenen Menschen wahr. Deshalb lassen sich andere durch die Wahl der Kleidung bis zu einem gewissen Grad unterbewusst beeinflussen. Denn Farbe ist wie eine Geste.

Lohnt es sich, in bestimmten Situationen auf bestimmte Farben zu setzen? Bei einem Vorstellungsgespräch beispielsweise tragen viele Blau, Schwarz und Weiß.

Das kommt immer darauf an, es gibt keine allgemeine Regel. Am besten ist es, authentisch zu wirken. Allerdings können Farben auch gegenteilige Signale schicken. Wer im Gespräch um eine Führungsposition auf Rosa setzt, wirkt möglicherweise nicht so durchsetzungsfähig und kompetent wie seine Konkurrenz, die schlichte Farben wählt. Wer weiß, dass er grundsätzlich einen strengen Eindruck macht und offener erscheinen möchte, sollte lieber auf einen Hauch Farbe setzen, zum Beispiel ein violettes Hemd zum Anzug. Übrigens: Damit zeigen Männer auch, dass sie nicht klassisch, sondern modern sind und zeitgemäße Ansichten vertreten. Alles, was wir sagen, wird von unseren äußerlichen Merkmalen umrandet. Mimik, Gestik und die Kleidung spielen in die Meinung anderer mit ein. Vor allem vor einem Bewerbungsgespräch sollte man sich deshalb genau überlegen, wie man wirken möchte – und dementsprechend eine Kleiderwahl treffen.

Also wirken helle und knallige Farben grundsätzlich offener?

Genau, durch das "Dopamin Dressing" wirken wir besonders fröhlich und sympathisch, aber wir stellen damit auch Rollenbilder infrage. Trägt ein Mann knallige Farben, wird er das ein oder andere Mal komisch angesehen werden. Vor einigen Jahren galten bestimmte Farben beim Mann noch als homosexuell, heute ist das zum Glück nicht mehr so. Wer sich für solche Farben entscheidet, markiert den modernen, aufgeklärten Mann.

Würden Sie grundsätzlich empfehlen, mehr Farbe zu tragen?

Unbedingt! Unser Bewegungsapparat ist dazu gemacht, sich zu bewegen. Unser Geruch ist zum Riechen da. Darum ist für mich die klare Schlussfolgerung: Wir haben Augen, um Farben zu dekodieren. Wenn wir uns in einer tristen Welt bewegen, fühlen wir uns nicht wohl. Menschen blühen im Frühling auf oder wenn sie Menschen in kräftigen Farben sehen. Farben wirken jung und vital. Zahlreiche Experimente haben gezeigt, dass eine farbenfrohe Welt wichtig ist für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Darum lautet mein Tipp: mehr Farben – aber die richtigen Farben für den richtigen Zweck.

Die Trendfarbe 2022 heißt "Very Peri" – ein kräftiges Violett. Was bewirkt diese Farbe bei uns?

Trendfarben werden gesetzt, um bestimmte Mode salonfähig zu machen. Menschen, die Mode entwerfen, beobachten gesellschaftliche Entwicklungen. Das Pantone Color Institute bringt jährlich neue Trendfarben auf den Markt – was allerdings nicht heißt, dass sie sich durchsetzen. "Very Peri" löst diese Saison einen großen Medienhype aus. Ich persönlich trage auch gerne kräftiges Lila: Sowohl Frauen als auch Männer können es tragen. Es lässt sich gut kombinieren, wirkt interessant und smart. Außerdem hat "Very Peri" auch etwas Geheimnisvolles an sich: Die Farbe erinnert an Dämmerung, die abends ins Violett geht. Sie kann auch esoterisch wirken. Aber: Sie gilt auch als Farbe der Macht. Antike Machthaber trugen oft kräftiges Violett.

Wie tragen wir "Very Peri" am besten?

Vor allem sollte man aufpassen, dass die Farbe nicht das gesamte Outfit bestimmt. Ansonsten wirkt "Very Peri" schnell esoterisch. Ich empfehle Männern zum Beispiel, ein Hemd in dieser Trendfarbe mit einem grauen, taupe oder sandfarbenen Anzug zu kombinieren.

Sind Menschen, die sich gerne auffällig anziehen, grundsätzlich extrovertierter?

Bei Menschen, die sich extravagant kleiden, können Sie zu 100 Prozent sicher sein, dass sie extrovertiert sind. Sie sind in der Regel sehr kommunikativ. Wer hingegen viele Teile in Grau und Beige besitzt, ist vermutlich eher konservativ, still, bescheiden und ein Stück weit auch introvertiert. Das lässt sich immer wieder bei Tests herausfinden. Es gibt zwar Ausnahmen, aber bei einer großen Mehrheit lässt sich anhand der Kleidung einen Schluss auf den Charakter ziehen.

Gibt es Farben, von denen Sie eher abraten, weil sie negativ konnotiert sind?

Eher dunkle Farben wie Schwarz wirken in der Regel ernster, distanziert und unnahbar. Manche Menschen – vor allem Kinder – verbinden Angst mit der Farbe Schwarz. Wir lernen schon in der frühen Kindheit, dass "die Bösen" Schwarz oder andere dunkle Farben tragen, während "die Guten" eher durch hellere Kleidung verkörpert werden. Bei uns gibt es eine ganz klare Farbsymbolik, die sich bereits in Kinderbüchern, aber auch später noch durch Filme zieht.

Spielt unsere Kultur dementsprechend eine Rolle bei der Farbsymbolik?

Es gibt Farben, die weltweit ähnlich wirken und Farben, die sehr kulturspezifisch sind. Als Beispiel: Rot, egal ob als Lippenstift, auf den Wangen oder als Pullover, macht Frauen sexuell attraktive, egal in welcher Kultur. Der Hintergrund ist biologischer Natur, denn wenn wir sexuell erregt sind, werden die Körperbereiche mit dünner Haut wie Lippen oder Wangen stärker durchblutet. Das ist ein Zeichen, das auf der ganzen Welt gleich verstanden wird. Bei Männern hingegen wirkt Rot aggressiv und dominant, aber auch kraftvoll, entschlossen und dynamisch. Die spezifische Wirkung von Farben hängt daher nicht nur von Faktoren wie Kultur, Sozialisierung und Alter ab, sondern auch vom Geschlecht.

Sie sagen, Farben wirken bei Männern und Frauen anders. Ist das auch der Grund, weshalb Männer und Frauen auch heute noch unterschiedliche Farben bei ihrer Kleidung präferieren?

Bei uns Menschen tragen Männer eher schlichtere Farben als Frauen. In der Tierwelt gibt es den sogenannten Sexualdimorphismus. Das bedeutet, dass ein Geschlecht sehr viele Farben besitzt, das andere nicht. Etwa beim Pfau: Das Männchen besitzt farbenprächtige Schwanzfedern, während das Weibchen Braun ist. Das ist im Tierreich sehr weit verbreitet. Der Grund: Weibchen, die sich ihren Partner aussuchen, müssen nicht auffallen. Während Männchen um die Weibchen werben, indem sie durch imposante Farben auffallen und ihre guten Gene zur Schau stellen. Ganz nach dem Motto "The winner takes it all". Der Konkurrenzkampf in der Tierwelt ist sehr groß.

Das würde ja bedeuten, dass es bei sich bei den Menschen umgekehrt verhält...

Von der Tierwelt können wir nicht direkt auf uns Menschen schließen. Frauen kleiden sich überall auf der Welt vielfach auffälliger und attraktiver als Männer, da das dem klassischen Rollenbild entspricht. In der Vergangenheit war die Heirat häufig der einzige Weg für den sozialen Aufstieg einer Frau und ihrer Familie. Das sieht man schon in Bekleidungsgeschäften: Die Auswahl für Frauen ist viel farbenfroher und sinnlicher als für Männer, vor allem was klassisch weibliche Farben wie Rot, Violett oder Ocker-Töne betrifft. Die stehen im Übrigen auch Männern sehr gut, vor allem in Kombination mit Blau oder Grau. Aber das Männerbild ändert sich, der moderne Mann definiert sich neu. Das sieht man auch an den Farben. Bei Frauenkleidung gab es auch schon einen Wandel: Seit den 20er-Jahren tragen sie vermehrt Schwarz oder Grau und Hosenanzüge, um sich in einer Männer-dominierten Arbeitswelt zu behaupten. Mittlerweile brechen diese gender-spezifischen Farbklischees immer mehr auf. Angela Merkel etwa hat als Bundeskanzlerin, als Frau in einer Spitzenposition, Blazer in einer femininen Farbpalette getragen. Klassische Männer- und Frauenfarben gibt es kaum noch. Gesellschaftliche und politische Veränderungen lassen sich auch anhand der Farben und der Mode erkennen.

Zum Experten: Axel Buether ist Farbforscher und Professor für Didaktik der visuellen Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal. Seit 2007 ist er Vorstandsvorsitzender des Deutschen Farbenzentrums – Zentralinstitut für Farbe in Wissenschaft und Gestaltung.

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