Oostduinkerke hat rund 8.500 Einwohner – und ist doch weltberühmt. Denn es ist der einzige Ort der Welt, an dem heute noch eine jahrhundertealte Tradition lebt: die Krabbenfischer zu Pferd. Das Besondere: Sie gehören zum Unesco-Weltkulturerbe!

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Früher war es beinahe alltäglich. Damals gingen von Deutschland bis England Krabbenfischer an der Nordseeküste ihrem Job auf dem Pferd nach. Eine Tradition, die meist in der Familie blieb: Seit dem späten 15. Jahrhundert wurde der Brauch und das Wissen vom Vater an die Söhne weitergegeben.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute werden die Krabben vom Kutter aus gefangen. Doch in dem kleinen belgischen Küstenort Oostduinkerke haben die Krabbenfischer zu Pferd überlebt. Auch wenn sie heute vor allem eine Touristenattraktion sind…

Denn wenn die Krabbenfischer in ihren gelben Öljacken losziehen, stehen Hunderte Urlauber am Strand und genießen das Spektakel: Mächtige Brabanter Pferde, die mit kräftigen Schritten in die Nordsee waten. Auf ihrem Rücken sitzt der Fischer, hinter ihnen ziehen sie die Netze, in die sich die Krabben verfangen sollen.

Frauen als Krabbenfischer? Das war lange unvorstellbar

Eine von den Fischern ist Nele Bekaert. Sie ist seit neun Jahren dabei – und war damals eine Sensation. Denn bis dahin war es an der Nordseeküste üblich, dass Frauen Garnelen fingen, indem sie Mini-Trawler von Hand schoben. Doch Frauen als Krabbenfischer zu Pferd? Unvorstellbar. Denn das war schließlich "Männerarbeit".

Die Krabben werden abgefüllt.
Die Krabben werden abgefüllt. © Foto: pixabay.com/PeterKraayvanger (Symbolfoto)

Dass heute Frauen mit dabei sein können, verdanken sie der Unesco. Warum? Ganz einfach: 2013 wurden die Krabbenfischer zu Pferd zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Doch die Unesco ist der Meinung, dass jede Aktivität auf ihrer Liste des immateriellen Kulturerbes für alle Geschlechter gleichberechtigt sein muss.

Und so tat sich ein Gremium aus den d’Oostduinkerkse Paardenvissers (Vereinigung der Pferdefischer von Ostdünkirchen), dem Orde van de Paardenvisser (Königlicher Orden der Pferdefischer), dem Nationalen Fischereimuseum NAVIGO und dem Stadtrat von Koksijde zusammen.

In den 90er Jahren stand die Tradition vor dem Aus

Und das Gremium beschloss: Eine Fischerin darf dem Team beitreten. Damit wurde die 41-jährige Bekaert die erste offiziell anerkannte weibliche Paardenvisserin der Welt. Für sie selbst war es gar nichts Besonderes: "Wenn jemand sagt, ich kann etwas nicht, dann sage ich, ich kann es", erklärte sie damals. "Und mit der Anerkennung durch die Unesco konnte der ‚Männerclub‘ mir nichts mehr abschlagen."

Um aufgenommen zu werden, musste Bekaert ein zweijähriges Praktikum, eine theoretische Ausbildung und eine praktische Prüfung absolvieren. Erst danach durfte sie mit ihrem Brabanter Axel in die Nordsee waten. Mit dabei ist auch immer Stefan Hanke. Er liebt seine Arbeit – und ist stolz darauf.

Was ihn besonders freut: Heute gibt es wieder mehr Krabbenfischer zu Pferd. Denn in den 90er Jahren gab es gerade mal noch zwei, drei Fischer. Die Tradition stand fast vor dem Aus. Heute dagegen sind es wieder 17 Fischer.

Krabbenfischen – das ist vor allem Leidenschaft

Dabei können sie von den Fängen nicht mehr leben. Für die Fischer ist es Leidenschaft. In den Sommermonaten treffen sie sich mit ihren Zugpferden am Strand, befestigen die Netze und ziehen ihre traditionellen Kleider an: gelbe Öljacken, hohe Stiefel und einen Südwester auf dem Kopf. Dann geht es ins Wasser. Die beste Zeit: etwa zwei Stunden vor der Ebbe.

Krabbenfischen ist Tradition.
Krabbenfischen ist Tradition. © Foto: pixabay.com/katarinaxnilsson (Symbolfoto)

Dann gehen die Pferde bis zur Brust ins Wasser und laufen parallel zur Küste. Hinter ihnen hängt das trichterförmige Netz, das von zwei seitlichen Brettern offengehalten wird. Dazu schleift eine Kette über den Sand. Sie verursacht Schockwellen, wodurch die Krabben aufspringen und im Netz landen. Nach rund 30 Minuten geht es das erste Mal zurück an den Strand, um das Netz zu leeren und den Fang zu sieben. Der Beifang wie Fische und Quallen geht zurück ins Meer. Die Krabben kommen in die Körbe, die an beiden Seiten des Pferdes hängen. Am Ende, nach rund drei Stunden Fischerei, werden die Krabben in Süßwasser gekocht.

Die Verbindung zu den Pferden macht es einmalig

Dabei gibt es unter den Krabbenfischern durchaus ein bisschen Konkurrenz. "Wenn die jungen Leute neben den alten Hasen fischen, lassen sich die Älteren nicht die Butter vom Brot nehmen", so Eddy D’Hulster. "Wir passen auf, dass uns die besten Stellen nicht weggenommen werden. Die Idee dahinter? Sie lernen durch die Praxis, denn es gibt kein Handbuch für Pferdefischer. Man lernt durch Ausprobieren. Sie müssen mit ihren Augen stehlen."

Und Bekaert gibt zu: "Erfahrung hilft natürlich enorm. Man lernt die Stellen kennen, an denen sich die Krabben befinden." Doch auch Glück spielt eine Rolle. "Wir können mit drei Pferden nebeneinander reiten und der eine fängt deutlich mehr als der andere. Wenn man direkt in einen Krabbenschwarm hineinreitet, hat man Glück. Erfahrung hilft vor allem, wenn etwas passiert. Man liest sein Pferd beim Reiten, man spürt, wenn etwas nicht in Ordnung ist."

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Denn die Kaltblüter sind es, die ihren Job so einmalig machen. Und ihre Beziehung zu ihren Pferden. Dabei sind die Brabanter von Natur aus eher wasserscheu. Daher braucht es viel Vertrauen zum Menschen und auch viel Training, bis sie ins Wasser gehen. Dieses Vertrauen haben die Fischer auch zu ihren Pferden. Sie verbindet eine besondere Liebe – für eine einmalige Leidenschaft…  © Pferde.de

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