Kuscheln auf Kosten der Tiere: Die kühlere Jahreszeit ist da. Für viel Menschen bedeutet das: Es müssen neue, warme Kleidungsstücke her. – Ob Bommelmützen und gestickte Schals vom Weihnachtsmarkt oder der samtweiche Kaschmir- und Mohairpullover und die Daunenjacke aus dem Laden. Doch hinter Wolle, Kaschmir, Leder, Seide und Daunen steckt vor allem eines: Tierleid.

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Achtung: In diesem Text geht es um Themen wie Tierquälerei, Tötung von Tieren und Tierleid im Detail. Auch die Fotos können verstörend sein. Wir zeigen keine Fotos von toten Tieren. Sollten Dir diese Themen zu nahe gehen, empfehlen wir Dir die Podcastfolge gar nicht oder nicht alleine anzuhören.

Nicht nur für Lebensmittel und Kosmetik, auch für Kleidung leiden Tiere. Welche Qualen hinter Pelz stecken, dessen sind sich die meisten Menschen inzwischen bewusst. Mit einer großen Petition erreichten Tierschützer über 1,5 Millionen Unterschriften, sodass sich nun auch die Politik dem Thema annehmen muss. Das Ziel der Tierschützer: die Haltung und Tötung von Tieren ausschließlich zur Pelzgewinnung EU-weit zu verbieten. In Litauen wird Pelz ab 2027 verboten.

Versteckter Pelz an günstigen Mützen und Jackenkrägen

Doch noch immer gibt es Pelzfarmen. In kleine Käfige gepferchte Füchse, Nerze, Chinchillas, die am Ende ihres leiderfüllten Lebens mit Knüppeln, Elektroschocks getötet oder vergast werden. Wenn sie noch mehr Pech haben, werden sie lebendig gehäutet.

Was viele Menschen nicht wissen: Selbst vermeintlicher Kunstpelz an Billig-Klamotten kann echt sein. Was vielen ebenfalls meist nicht bewusst ist: Auch für Lammfell, Wolle und Leder werden Tiere oftmals lebendig und bei vollem Bewusstsein gehäutet und letztlich getötet. Ein Leben voller Qualen, damit wir Menschen es angenehm warm und kuschelig haben.

Lämmer sterben für Lammfell

Die makabere Ironie daran: "Man tötet also ein Tierkind, in diesem Fall ein Lamm, um dann ein menschliches Baby darauf zu betten", sagt Julia Zhorzel. Sie ist Fachreferentin für Bekleidung und Textil bei der Tierrechtsorganisation "PETA". Warum die Industrie die Schafsbabys nicht einfach am Leben lässt, erklärt die Expertin in unserer aktuellen Folge des Podcasts "Tierschutz-Update".

Lammfell ist besonders weich, deswegen werden sie schon recht jung getötet, nicht nur, weil die Nachfrage nach Lammfleisch (ähnlich wie bei Gänsen und Rindern) hoch ist. Der Einsatz von Lammfell bei Babyartikeln in Krippen ist sehr beliebt. Die Jungtiere werden also aus wirtschaftlichen Gründen getötet, denn Wolle und Lammfelle sind wirtschaftlich sehr lukrative Nebenprodukte.

Alpakas wurden für die Industrie überzüchtet.
Alpakas wurden für die Industrie überzüchtet. © Foto: PETA USA

Aber Moment mal, müssen Schafe nicht ohnehin geschoren werden? – Jein. Merinoschafe wurden zu Höchstleistungen hochgezüchtet. "PETA" spricht von Qualzuchten. Den Tieren wurde ihr natürlicher Fellwechsel abgezüchtet, sodass sie nun wie auch Alpakas auf die Schur durch den Menschen angewiesen sind.

Denn ihr Fell, also ihre Wolle, können sie nun gar nicht mehr auf natürliche Weise verlieren. Das bedeutet: erhöhter Parasitenbefall, sie leiden unter Hitze im Sommer und falls sie zu früh geschoren werden, frieren sie bei kalten Temperaturen.

Die Schur kann doch aber nicht so schlimm sein, oder? Doch, sagt Zhorzel. Bei Undercover-Einsätzen zum Beispiel in Asien decken ihre Kollegen immer wieder schreckliche Haltungsbedingungen und Praktiken auf.

Schnittverletzungen und Stress

Denn die Scherer stünden oft unter enormem Zeitdruck und gingen sehr grob vor. Die Schur müsse schnell gehen. Und so komme es häufig zu Schnittverletzungen bei den Tieren. Diese Wunden würden selten vernünftig medizinisch versorgt. Außerdem stünden die Fluchttiere unter extremem Stress, wenn sie wie auf einer Streckbank fixiert werden.

Weiterhin berichten die Tierschützer von einer Praktik namens Mulesing. Hierbei wird die hintere Hautfalte am After weggeschnitten – meist ohne Betäubung. Dies wird durchgeführt, da diese Stelle oft von Parasiten befallen werde.

Ziegen und Kaninchen leiden für Kaschmir und Angorawolle

Kaschmirziege steht die Panik ins Gesicht geschrieben. Neben Ziegen leiden auch Kaninchen für Angorawolle. Für die sensiblen Fluchttiere bedeutet die Schur ebenfalls sehr hoher Stress und Schmerz. "Das ist so, als würde ich Ihnen ohne Bestäubung die Haare ausreißen", veranschaulicht Zhorzel.

Leiden für Leder: Rinder, aber auch Hunde- und Katzen

Auch in der Masse noch sehr akzeptiert und wie verbreitet: Leder. Ob klassische Lederjacke, als Schuh, Tasche, Portemonnaie oder an Möbeln. Das ist die Haut von getöteten Tieren (meist Rindern und Schweinen), die anschließend gegerbt wurde. Den Tieren werden bei Fehlbetäubungen in Schlachthäusern teilweise bei vollem Bewusstsein die Kehle aufgeschlitzt.

Es gebe auch bei uns in Deutschland keine Regulären, dass die Hersteller die Tierart bei Leder auszeichnen müssen, betont Zhorzel. So könne es also passieren, dass Du hier in Deutschland versehentlich Katzen- oder Hundeleder kaufst – ohne es zu wissen. Denn: Es gebe zwar ein Importverbot von Hunde- und Katzenfell, aber nicht von Hunde- und Katzenleder, so die "PETA"-Fachreferentin für Bekleidung und Textil.

Daunen: Leicht, locker, lebendig gerupft

Teils werden den Enten und Gänsen bei lebendem Leib die Federn ausgerissen, berichtet Zhorzel. Die Vögel werden in engen Hallen mit tausenden Artgenossen zusammenhalten, ohne konstanten Zugang zu Wasser. Die Tiere brechen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Sie werden im Kindesalter mit nur wenigen Wochen getötet. Über 90 Prozent unserer Daunen stammt aus China, wo es kein Tierschutzgesetz gebe, so Zhorzel.

Die Gänse und Enten werden kopfüber an ein Transportband gehängt, sodass ihre Organe in ihren Thorax rutschen. Beim Aufhängen wird den Tieren oft etwas gebrochen. Dann werden sie durch ein elektrisches Wasserbad gezogen. Doch die Betäubung funktioniert nicht immer, kleinere Tiere werden nur paralysiert.

Geköpft und verstümmelt: mit Tierwohl-Zertifikat

Zum Schluss wird ihnen von einem Arbeiter oder einer Maschine ein Messer in die Kehle gerammt bis sie verbluten. Der Todeskampf dauert mehrere Minuten. Das zeigen Aufnahmen aus einem Betrieb in Polen, der Best Practices anwendet, sagt Zhorzel. Bei einer zertifizierter Schlachtoperation in Vietnam dokumentierte "PETA", wie Gänsen bei lebendigem Leib die Füße abgehackt wurden (Aufnahmen liegen DeineTierwelt vor). "Keine Einzelfälle, sondern ein Systemversagen", sagt sie.

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Was bringen Label?

Auch bei Betrieben mit Tierwohlsiegeln an Jacken oder Bettwäsche habe "PETA" gravierende Verstoße festgestellt. So seien in Russland einer Gans mit einer stumpfen Axt siebenmal auf den Hals geschlagen worden bis ihr Kopf abfiel. Der Betrieb trug das "Responsible-Down-Standard"-Siegel (RDS). Nur ein Marketinginstrument, um Daunen besser zu verkaufen, so die Bekleidungsexpertin. Der Responsible Down Standard wurde im Anschluss an Enthüllungen eingeführt.

Welche Alternativen gibt es?

Alternativen zu Wolle und Co. sind unter anderem Baumwolle, Leinen, Lyocell, Soja-Seide, Viskose, Hanf, (Recycelte) Kunststoffe. Statt Daunen gibt es Kapok, recycelte Baumwolle, Bambus, Hanf, Maisfasern, Monark Fibre, Tencel (Lyocell) und synthetische Daunenalternativen wie Climashield, DuPont Sorona, Thermal R und viele mehr. Alle Daunenalternativen findest Du bei "PETA". Zudem gibt es viele Lederalternativen wie Ananas-, Trauben-, Kaktus-, Pilz-, Papier- und Apfelleder sowie aus Bananeblättern, Kobucha, Kork, Teakblätter und das plastikfreie Produkt Mirum (letzteres ist etwas höherpreisiger).  © Deine Tierwelt

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