Immer wieder hört man Horrorgeschichten von Hunden, die Menschen angreifen und im schlimmsten Fall verletzen. Wie verhält man sich richtig, wenn ein fremdes Tier auf einen zukommt? Der Hundetrainer Marcel Combé gibt Tipps für brenzlige Situationen.

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Wie sollte ich reagieren, wenn ein fremder Hund ohne Leine auf mich zugerannt kommt oder hinter mir herläuft?

Marcel Combé: Grundsätzlich sind alle Hunde domestizierte Raubtiere. Und für jedes Raubtier gilt: Laufen Sie niemals vor ihm weg! Wenn Sie keine Chance sehen, dorthin zu gelangen, wo der Hund Sie nicht verfolgen kann - sprich auf einen Baum, hinter einen Gartenzaun oder in ein Auto -, bleiben Sie stehen.

Wenden Sie sich dem Hund zu, vermeiden Sie Bewegungen, nehmen Sie Arme und Hände an den Körper. Ein Hund, der Sie beißen will, wird sich immer den Körperteil greifen, den Sie ihm zuerst anbieten. Das sind durch Abwehrbewegungen meistens die Arme oder Beine.

Wenn Sie sich ruhig verhalten, den Blick geradeaus richten und die Gliedmaßen an den Körper drücken, wird der Hund Ihnen vielleicht die Jacke oder das Hosenbein zerreißen, aber er wird Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht beißen.

Starren Sie den Hund auch nicht an. Schreien Sie den Hund nicht an. Bleiben Sie wie zur Salzsäule erstarrt stehen.

Woran erkenne ich, ob mir ein Hund freundlich gesinnt ist? Und bei welchen Anzeichen sollten meine Alarmglocken schrillen?

Das ist sehr schwierig einzuschätzen, weil es je nach Tier und Situation ganz unterschiedlich sein kann. Der Hund kann in einer Situation absolut freundlich und nett sein, kommt aber plötzlich ein Leckerli ins Spiel oder ein Ball, kann die Situation plötzlich kippen, wenn Futterneid und Beutetrieb dazu kommen.

Gefährlich wird es, wenn der Hund sich steif macht, wenn er die Zähne fletscht, wenn er fixiert. In Fachkreisen sagt man, der Hund bekommt den schwarzen Blick. Auch Schwanzwedeln ist nicht immer ein Zeichen von Freude und Freundlichkeit.

Viele Jogger führen mittlerweile Pfefferspray mit sich. Wann ist es gerechtfertigt, das gegenüber einem Hund einzusetzen?

Meine Erfahrung zeigt: Wenn man die Tipps aus der ersten Frage beherzigt, brauche ich kein Pfefferspray. Beim Pfefferspray ist es meistens so, dass sich dadurch Hundehalter und Jogger erst richtig in die Haare kriegen. Alles hustet, jeder zeigt jeden an.

Abgesehen davon: Bis Sie das Pfefferspray zur Hand haben, ist es sowieso schon zu spät. Was wir in Tierheimen immer nehmen, wenn sich Hunde untereinander verbissen haben, ist Wasser. Wasser in einer Sprühflasche ins Gesicht gespritzt, wirkt besser als Pfefferspray.

Wie sollte ich mich verhalten, wenn mich ein Hund anknurrt?

Knurren ist ein gutes Zeichen, denn so haben Sie noch die Chance, dass es nicht zu einem Beißvorfall kommt. Der Hund warnt Sie: "Fass mich nicht an!"

Menschen und Hunde sind vollkommen unterschiedlich in ihrer Kommunikation. Menschen gehen freundlich aufeinander zu, sehen sich dabei in die Augen, lächeln, zeigen dadurch Zähne. Das ist unter Hunden vollkommen unüblich und ein Zeichen von Aggression. Nähern Sie sich einem Hund am besten von der Seite, starren Sie ihn nicht an und fassen Sie nicht von oben auf den Hund.

Ignorieren ist das Beste. Schimpfen Sie nicht. Verhalten Sie sich defensiv, drehen Sie sich weg, aber rennen Sie nicht weg.

Ein Hund bellt am Gartenzaun vorbeigehende Passanten an. Viele erschrecken natürlich erst mal. Wie sollte man hier reagieren?

Das Bellen am Gartenzaun ist ein gewolltes Verhalten. Der Hund sagt hier jedem, der an seinem Revier vorbeigeht: "Das ist meins! Bleib draußen!" Natürlich ist das manchmal erschreckend für den Spaziergänger. Auch hier gilt: Gehen Sie einfach ruhig weiter, zeigen Sie sich unbeeindruckt.

Aufgrund der immer weiter steigenden Zahl von Wohnungseinbrüchen sollte man über so eine kurze akustische Belästigung wohlwollend hinwegsehen. Der Hund macht hier nur seinen Job.

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Ich begegne einem total süßen Hund mit seinem Herrchen. Eigentlich eine harmlose Situation. Darf ich das Tier einfach so streicheln oder ihm Leckerchen zustecken?

Grundsätzlich sollte man keinen fremden Hund streicheln. Dieser Hund könnte zum Beispiel krank sein oder gerade frisch medizinisch versorgt worden sein. Beispiel: ein Auslandshund mit Räude. Oder gerade mit Zeckenmittel behandelt. Dann habe ich das alles an den Fingern.

Fakt ist: Egal, wie süß ein Hund aussieht, ein Hund ist kein Handtuch, das jeder anfassen kann! Sie möchten auch nicht jeden Fremden auf der Straße umarmen.

Leckerlis sind tabu! In der heutigen Zeit haben leider Gottes aufgrund von falscher Ernährung viele Hunde Allergien. Ich möchte nicht daran schuld sein, dass es diesem Tier nach meinem zugesteckten Leckerli schlecht geht, und außerdem bringe ich dem Hund damit automatisch bei, dass jeder Mensch ein laufender Futtersack ist.

Ein Jahr später bin ich dann verärgert, wenn dieser Hund mich als Jogger anspringt, weil er ein Leckerli erwartet. So bringe ich ihm diesen Mist bei! Es ist immer ein Kreislauf.

Wie kann man seine Kinder im Umgang mit Hunden schützen?

Auch Kinder sollten die eben genannten Regeln beherzigen, das muss man ihnen erklären. Wenn ein fremder Hund auftaucht, sollte das Kind nicht hingehen, ihn nicht streicheln oder umarmen. Das Kind sollte nicht schreien, zappeln oder panisch weglaufen.

Hierzu ein Beispiel: Die Beißvorfälle der letzten zehn, fünfzehn Jahre bei Kindern sind nicht mehr geworden, sondern intensiver. Heutzutage werden Kinder ja nicht mehr "nur" ein- oder zweimal gebissen, sondern teilweise wirklich furchtbar zusammengebissen.

Und es sind nicht die sogenannten "Kampfhunde"! Das kann ich Ihnen nach zwanzig Jahren und 15.000 Hundekontakten sagen. Heutzutage bekommt der Hund sein Spielzeug, meistens Quietschspielzeuge. Die Leute schmeißen diesen Mist vor den Hund hin und freuen sich, wenn er damit "spielt".

Spielen ist aber immer Training für den Kampf. Der Hund lernt mit diesen Spielsachen: "Es rennt vor mir weg, ich verfolge es, ich beiße so lange darauf herum, bis es nicht mehr quietscht!"

Das Material dieser Spielzeuge ist fast immer Weich-PVC oder Schaumstoff, was sich ähnlich anfühlt wie die menschliche Haut. Die meisten dieser Quietschspielzeuge haben auch noch ein menschliches oder tierisches Gesicht: Augen, Ohren, Nase.

Und was macht das kleine Kind, das vor dem Hund flieht: Es rennt, es schreit, es quietscht, wenn es gebissen wird. Und was macht der Hund? Er beißt so lange hinein, bis es nicht mehr quietscht.

Und dabei haben Frauchen und Herrchen sich doch immer ganz doll gefreut, wie schön der junge Schäferhund mit dem neugekauften Quietschie spielt, wenn er es wie wild hin und her schüttelt und zerlegt.

Also: Ruhe bewahren und nichts tun ist meistens das Beste.


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