Schon als Kind liebte Lea Herbold Pferde. Doch sie ahnte nicht, dass ein Pferd einmal ihr Lebensretter werden würde. pferde.de sprach mit ihr über das besondere Gespür von Pferden und warum ihr Schutzengel auf vier Hufen für sie die beste Medizin ist.
Geritten? "Bin ich schon immer", sagt Herbold lachend. "Meine große Schwester ist geritten, daher saß ich mit einem Jahr schon auf dem Pferd. Und mit fünf Jahren hatte ich dann auch Unterricht." So blieb es – elf Jahre lang. "Dann bekam ich mein eigenes Pferd: Leon, ein Hannoveraner, damals acht Jahre alt."
Mit ihm wollte sie gerne springen. "Aber bei der Ankaufsuntersuchung hieß es: Er geht zwar Jagden, aber springen mag er nicht." Herbold ließ sich davon nicht bremsen. "Ich habe es trotzdem mit ihm versucht – und er hat es geliebt", sagt sie. Schnell gingen die beiden auf Turniere. "Vor allem im Zeitspringen habe ich alles mit ihm gewonnen." So schafften sie es sogar in den Landeskader von Niedersachsen. "Wir waren ein tolles Team", so die Reiterin.
"Nur ein Pferd kann mich aus dem schwarzen Loch holen"
Doch das Glück hielt nur zwei Jahre. "Wir waren auf dem Weg zu einem Turnier, als ein völlig übermüdeter Fahrer mit seinem Wagen auf der Autobahn in unseren Hänger krachte", erinnert sich Herbold. Leon war sofort tot und für Lea brach ihre Welt zusammen: "Ich wollte nie wieder reiten."
Aber ihre Stallfreundinnen ließen nicht locker. "Sie waren total lieb, hatten seine Box mit Blumen dekoriert. Und nach ein paar Monaten bin ich dann ab und an mal auf einem anderen Pferd geritten. Doch mir war klar: Turniere wird es für mich nicht mehr geben", sagt sie. Dafür sei ihr klar geworden: "Nur ein Pferd kann mich aus dem schwarzen Loch holen, in dem ich stecke."
Neues Pferd, neues Glück
Da fiel ihr ein Fohlen ein, bei dessen Geburt sie zwei Jahre zuvor dabei gewesen war. "Das war im Urlaub mit meinen Eltern. Als sich das Fohlen nachts ankündigte, wollte ich das natürlich erleben", sagt Herbodl. Als der kleine Hengst auf die Welt kam, verliebte sie sich sofort. "Ich fand ihn von Anfang so herrlich frech", sagt sie.
Nach dem Urlaub hatte sie nicht mehr an das Fohlen gedacht – bis jetzt. "Ich dachte: Wenn er noch da ist, dann will ich ihn mir ansehen." Tatsächlich: Cavallo, ein Hannoveraner Fuchs, war noch auf dem Hof. "Er war mit den anderen zweijährigen auf der Weide und hat nur Quatsch gemacht. Mir war klar: Den nehme ich!"
"Cavallo wurde mein Seelenpferd"
Es sei die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen. "Cavallo wurde mein Seelenpferd. Er kann zwar sehr frech sein, aber er ist dabei auch immer lieb", schwärmt Herbold. und führt fort: "Er liebt es, mit den anderen Pferden auf der Weide rumzutoben. Aber sobald er mich sieht, will er etwas mit mir machen." Sie ritt ihn sanft ein, machte mit ihm Dressur, sprang auch und genoss vor allem die Ausritte. "Er will eigentlich gefallen, aber er ist auch schreckhaft und kann durchaus mal einen Sprung zur Seite machen. Aber runtergefallen bin ich nicht einmal von ihm", freut sie sich.
Bis zu diesen Tag im Januar 2022. Die Erzieherin fühlte sich an dem Tag nicht gut. "Ich kam von der Arbeit, hatte Kopfschmerzen und dachte, dass ich vielleicht erkältet sei", erinnert sich Herbold. Deshalb wollte sie nur einen entspannten Ausritt machen. "Ich dachte, die frische Luft würde mir gut tun" Während sie Cavallo fertigmachte, benahm er sich auffällig. "Er stupste immer wieder mit seinem Kopf in meinen Bauch. Ich wusste nicht, was er wollte, denn das hatte er noch nie gemacht", sagt seine Besitzerin.
Ein schwerer Sturz beim Ausritt
Das Verhalten irritierte sie zwar, aber weil es Cavallo gut ging, schob sie es zur Seite und ritt los. "Ich bin aber nicht sehr weit gekommen. Mir wurde immer schwindeliger – und dann wurde alles schwarz um mich", erinnere sich Herbold. Später erfuhr sie, was dann geschah: "Ich bin runtergefallen und dabei ganz unglücklich mit dem Kopf aufgekommen. Dadurch hatte ich einen Schädel- und Halswirbelbruch."
Ihr Glück: Cavallo lief nicht weg, graste nicht – er blieb stocksteif neben ihr stehen. "Da er 1,80 Meter groß ist, war er gut zu sehen. Und der Reitstall liegt direkt an der Feldmark, dadurch war er sogar von dort gut zu erkennen. Stallkolleginnen sahen ihn und kamen sofort zu uns."
Sie alarmierten dann auch die Feuerwehr, ein Rettungshubschrauber kam. "Auch der konnte Cavallo, der sonst durchaus ängstlich ist, nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Als ich in den Rettungshubschrauber gebracht wurde, wollte er mit. Sie mussten sogar meinen Vater holen, damit er Cavallo von der Stelle weg bekam. Denn sonst hätte der Rettungshubschrauber nicht starten können", sagt Herbold.
Wieder aufs Pferd?
Im Krankenhaus kam sie sofort auf die Intensivstation. "Nach vier Tagen bin ich dort wach geworden. Und bekam zu hören, dass ich mich nicht bewegen dürfe. Ich hatte eine Blutung im Kopf und durch eine falsche Bewegung hätte ich querschnittgelähmt werden können." Nach dem Krankenhaus kam sie in die Reha. "Da musste ich dann erst einmal wieder laufen lernen." Und Reiten? "Die Ärzte haben gesagt, dass ich das nie wieder machen kann", sagt Herbold.
Im April durfte sie wieder nach Hause und wollte sofort zu Cavallo. "Ich war kurz erschrocken, als ich ihn sah. Er hatte nicht gut gefressen, hatte abgenommen, obwohl alle im Stall sich um ihn gekümmert haben und ihm auch immer Leckerlis gegeben haben" , sagt sie.
"Selbst mit seinen Pferdefreunden hatte er nicht mehr so getobt wie sonst", erzählt Herbold. "Als ich kam, war er gerade in der Box. Er hatte meine Stimme gehört und stand schon am Fenster, um mich zu begrüßen." Von da an war sie täglich bei ihm. "Er hat sich schnell erholt und war wieder ganz der Alte."
"Ich brauchte das Reiten – für meine Seele und meinen Körper"
Nach zwei Wochen stieg sie dann auch wieder in den Sattel. "Die Ärzte haben nur den Kopf geschüttelt, als sie das hörten. Aber mir hat das gut getan. Ich brauchte das Reiten – für meine Seele und meinen Körper", erklärt sie. Heute geht es Herbold wieder gut. Sie kann halbtags arbeiten. Nur die Kopfschmerzen kommen immer mal wieder, ebenso wie die plötzliche Unterzuckerung. "Niemand weiß, woher sie kommt", sagt sie. Aber Cavallo spüre sie sofort. "Vier Mal ist es schon bei ihm passiert. Und er hat jedes Mal ganz deutlich reagiert. Er fixiert mich dann ganz doll, als wollte er mir sagen ‚Hey, merkst du es nicht, da stimmt was nicht.‘"
Herbold weiter: "Einmal hat er sogar mit seinem Huf vorsichtig gegen meinen Oberschenkel getippt, damit ich reagiere." Mittlerweile kenne sie die Anzeichen auch selbst ganz gut. "Ich habe dann Kopfschmerzen, Heißhunger – und werde zickig", sagt sie lachend. Für solche Momente habe sie immer Traubenzucker und Apfelsaft dabei. "Das hilft dann."
Plötzlich ist Cavallo schwer krank
Doch das Schicksal hatte noch eine neue Volte für Herbold und Cavallo parat. Am 6. September bekam sie plötzlich morgens um halb sechs Uhr einen Anruf, "dass Cavallo nicht aus der Box kommt und fix und fertig ist", erinnert sie sich. Herbold weiter: "Ich bin ich natürlich sofort losgefahren. Er konnte kaum hochgucken, aber hat mich noch flehend angewiehert. Ich sofort zwei Tierärzte angerufen und mich zu ihm in die Box gelegt und ihn gestreichelt." Fast 42 Grad Fieber hatte der Wallach. Diagnose: Druse. "Keine Ahnung, wo er sich das eingefangen hat. Aber mittags hat mein großer Kämpfer mir schon beim Misten geholfen", sagt sie.
Die folgenden Wochen verbrachte sie täglich dreimal bei Cavaloo. "Er wollte auch nur zu mir. Zwischendurch durfte mein Vater ihn mal putzen, aber aus der Box ist er nur mit mir gekommen", sagt Herbold. Anfang Januar hatte Cavallo alles überstanden – "zum Glück auch ohne Folgeschäden". Und sie sei dankbar, dass sie jetzt für ihn da sein konnte. "So konnte ich mich bei meiner Knutschkugel mal etwas revanchieren." Seitdem freut sich Herbold auf den ersten Ausritt. Angst habe sie keine. "Cavallo ist mein Lebensretter auf vier Hufen. Bei ihm bin ich sicher!" © Pferde.de
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