Aus der Tierklinik in die Ungewissheit: Nach dem Schock über den Unfall von Stute Viona und die darauffolgende Behandlung ist das Pony unserer Autorin zwar mit einer Diagnose entlassen, aber ohne Prognose. Sie bangt: Kann mein Pferd nach der Reha überhaupt weiter leben?

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Nach drei Wochen in der Klinik, mit täglicher Medikation, Behandlungen und Versorgung, durfte ich Viona endlich nach Hause holen. Das Wort "endlich" hallte in meinem Kopf wider und wider. War ich darüber froh, oder beängstigte es mich?

In den drei Monaten nach der Klinik erlebte meine Gefühlswelt die reinste Achterbahnfahrt. Einerseits hatte ich mein Mädchen endlich wieder bei mir, doch andererseits lag die gesamte Verantwortung für dieses fragile, kranke Lebewesen nun auf meinen Schultern.

Ein kleiner Gedanke in mir hegte die Hoffnung, dass mit ihrer Heimkehr ein Hauch von Normalität in unser Leben zurückkehren würde. Doch die Realität sah ganz anders aus. Einerseits fühlte ich Freude darüber, dass wir zumindest einen Schritt weiter waren, doch andererseits konnte mir noch immer niemand sagen, ob mein Pony jemals wieder laufen und ein normales Leben führen würde.

Mission Impossible – wie werde ich allem gerecht?

"Bitte führen Sie ihr Pferd zwei- bis fünfmal am Tag für jeweils zwei Minuten im Schritt." Diese Empfehlung des Chefarztes der Klinik schien wie eine faszinierende Utopie. Ich bin sicher, dass viele diese Situation und ähnliche Formulierungen nur allzu gut kennen. Als berufstätige Person waren solche Vorgaben für mich schlichtweg nicht realisierbar. Ich habe es dennoch versucht, denn Viona brauchte meine volle Unterstützung.

Sie hatte strikte Boxenruhe und durfte nur unter meiner Aufsicht kurz auf den kleinen Einzel-Paddock vor ihrer Box. Auf ärztlichen Rat hin konnten wir keine unkontrollierten Bewegungen riskieren. So begannen meine Tage mit einem schrillen Weckerklingeln um 4.30 Uhr. Dann begann der wahre Marathon: Ich machte mich fertig, kochte Mash mit Medikamenten, fuhr zum Stall und versorgte Vio das erste Mal. Dies beinhaltete nicht nur die kurzen "Spaziergänge", sondern auch das Einreiben des verletzten Bereichs mit einer speziellen Salbe, Füttern, das Aufwärmen der beschädigten Muskulatur mit einem Kirschkernkissen und die Anwendung eines Reizstromgeräts, um den Bereich des Trizeps‘ gezielt zu stimulieren.

Danach fuhr ich direkt ins Büro nach Berlin, wo ich etwa acht Stunden verbrachte, bevor es zurück in den Stall ging, für die zweite Runde. Hier standen dann zusätzlich Behandlungen mit Magnetfelddecke und Akupressur auf dem Plan. Abends, nach knapp 160 Kilometern Autofahrt täglich und dem Versuch, allen Anforderungen gerecht zu werden, fiel ich erschöpft – sowohl körperlich als auch emotional – ins Bett.

Vivi musste täglich 160 Kilometer fahren.
Vivi musste täglich 160 Kilometer fahren. © Foto: Vivien-Sophie Diebold

Eine Zerreißprobe: Wenn die Verbindung zwischen Mensch und Pferd schwindet

Es fiel mir sehr schwer zuzugeben, dass die Verbindung zwischen meinem Pferd und mir gänzlich verloren gegangen war. Zu dieser Zeit ging es mir selbst nicht gut – ich war erschöpft, überreizt und gestresst. Mein Körper reagierte mit schmerzhaftem Ausschlag auf die emotionale und körperliche Belastung. Die Aussicht auf etwas Positives schien nahezu unmöglich, da ich verzweifelt versuchte, alles zu bewältigen – aber es schien nie genug zu sein.

Uns beiden war es nicht mehr möglich, die gemeinsame Zeit zu genießen. Ich fühlte permanenten Druck und die Sorge um sie war allgegenwärtig. Viona wurde für mich zu einer Verpflichtung und einem schmerzhaften Punkt auf meiner schier endlosen Liste von Dingen, denen ich gerecht werden musste.

Aber auch Vio litt unter ihren Beschwerden und der Situation. Jedes Mal, wenn ich zu ihr kam, brachte ich Medizin mit, um ihre schmerzhafte Stelle zu behandeln. Nicht mal das Futter war lecker, da ich auch da Medikamente reinschummeln musste. Ihre Bewegungen des rechten Vorderbeines verursachten ihr Schmerzen. Die ärztlich angeordneten zwei Minuten tägliches Laufen zu steigern, schien unmöglich. Die Lage war aussichtslos und je länger die Boxenruhe dauerte, desto riskanter wurden unsere kurzen Ausflüge. Sie reagierte unkontrolliert und schien förmlich zu explodieren, was jede Möglichkeit auf Genesung zunichte machte.

Die Verbindung zwischen ihr und Vio wurde schwach.
Die Verbindung zwischen ihr und Vio wurde schwach. © Foto: Vivien-Sophie Diebold

Ein Schritt vorwärts, fünf Schritte zurück

In dieser Zeit gab es so gut wie keine Fortschritte, nur immer wieder neue Rückschläge. Das quälende Bewusstsein, dass Viona sich nicht mehr über meine Anwesenheit freute, begleitet von der ständigen Unsicherheit, ob ich sie vielleicht nicht retten konnte und sie am Ende loslassen müsste, zermürbte mich zutiefst. Wir beide waren in einer großen Unzufriedenheit gefangen. Aber ich hatte weder die Kraft noch die emotionalen Reserven, um mein negatives Verhalten und meine Ausstrahlung auf sie zu kontrollieren. Das Einzige, woran ich denken konnte, war: "Ich muss das irgendwie schaffen und für sie da sein. Doch ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalten kann."

An diesem Punkt führten mein Partner und ich ein ehrliches Gespräch. Die Schlussfolgerung war klar: Entweder würde ich an dieser Situation zugrunde gehen, oder ich würde mir Hilfe suchen müssen. Allerdings konnte ich mir diese Hilfe nicht vollständig leisten, zumindest nicht in dem Ausmaß, wie sie benötigt wurde und ohne die Garantie, dass es erfolgreich sein würde.

Reha fürs Pferd – unsere Rettung

Knappe drei Monate nach dem Unfall entschloss ich mich also, mein Pferd in die Reha zu bringen. Oft hörte ich daraufhin die Frage: "Was, sowas gibt es?!" Ja, es gibt sie – und die Reha erwies sich als unsere Rettung auf vielen Ebenen. Meine Wahl fiel auf die Pferde-Reha in Neuruppin, aus mehreren Gründen. Zum einen handelt es sich um eine familiär geführte Einrichtung, die sich äußerst individuell und persönlich um jeden Patienten kümmert. Außerdem war die Entfernung für mich machbar, um Viona regelmäßig zu besuchen. Außerdem ist die Reha mit allen notwendigen, neuen Trainingsgeräten bestens ausgestattet.

Mein Pony in gute Hände geben

Für mich stand schnell fest, dass ich mein Pferd in diese Reha-Einrichtung geben wollte. Hier fand ich Fachkompetenz, tierärztliche Expertise, Realismus und Herzlichkeit vor – die perfekte Mischung. Am 3. Oktober 2022, einem Feiertag, nahm ich per WhatsApp Kontakt zur Reha auf. Ich erhielt sofort einen Rückruf und die Frage, ob wir heute noch vorbeikommen wollen, um alles zu besichtigen und uns auszutauschen. Aufgeregt machte ich mich mit meinem Partner auf den Weg. Wir wurden herzlich empfangen, erhielten eine ausführliche Führung und konnten alle Details besprechen.

Die Reha war die letzte Chance für das Pferd.
Die Reha war die letzte Chance für das Pferd. © Foto: Janine Techow Fotografie

Fünf Monate Reha für mein Pferd

Ab dem 24. Oktober 2022 begann Vionas fünfmonatiger Reha-Aufenthalt. Eine außergewöhnlich lange Zeit, in der uns niemand zu irgendeinem Zeitpunkt Hoffnung darauf machte, dass sie jemals wieder laufen würde. Viona war immer noch völlig lahm, aber in der Reha erhielt sie einen Trainingsplan, der perfekt auf ihre Verletzung zugeschnitten war.

Zu Beginn absolvierte sie fünf Einheiten pro Woche im Aquatrainer. Dieses Laufband unter Wasser ermöglichte es ihr, schneller Muskelmasse aufzubauen, da sie gegen den Widerstand des Wassers laufen musste. Im weiteren Verlauf passten wir Vios Trainingsplan immer wieder auf Empfehlung der Reha an. Nach den ersten Monaten kam das Training auf dem Laufband hinzu. So hatte sie schließlich drei Einheiten pro Woche im Aquatrainer und zwei auf dem Laufband. Später stellten sie beim Laufband sogar eine Steigung ein: So war es für Viona, als würde sie bergauf laufen. Diese Anpassungen aktivierten gezielt die Muskulatur ihrer Hinterhand.

Im Laufe der Zeit kümmerte sich die Reha auch um Vios Fütterung, um die regelmäßige Vorstellung beim Hufschmied, beim Zahnarzt und sie übernahmen sogar das Ein- und Ausdecken während der Wintermonate. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, wieder zu mir selbst zu finden und mich auf meine eigene Genesung zu konzentrieren, ohne täglich mit den Sorgen um das Pony und seiner Versorgung konfrontiert zu sein. Diese Entlastung brachte uns näher zueinander.

Deadline – im wahrsten Sinne des Wortes!

Da Vionas Heilungsprozess kaum bis gar nicht fortschritt und mir niemand auch nur einen Funken Hoffnung geben konnte, musste ein Plan her. Mein Freund redete mir ins Gewissen und sagte, dass ich mir innerlich eine Deadline setzen müsse. Schließlich konnte ich mein Pferd nicht für immer in der Reha lassen – und jeder weitere Monat belastete mich finanziell enorm.

Als Deadline legten wir den 24. Januar 2023, meinen 30. Geburtstag, fest. Wenn sie zu diesem Zeitpunkt nicht wieder normal lebensfähig wäre und mindestens in einer Herde ihr Leben genießen könnte, stand das Thema der Erlösung zur Diskussion. Viele rieten mir, mich mit diesem Gedanken zu befassen, aber ich konnte es nicht. Ich konnte sie doch nicht einfach aufgeben. Schließlich war sie zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jahre alt und hatte ihr ganzes Leben noch vor sich.

Ende gut – alles gut.
Ende gut – alles gut. © Foto: Janine Techow Fotografie

Konsequent inkonsequent – die Reha-Deadline überzogen

Wie erwartet konnte ich meine eigene Deadline bei diesem hochemotionalen Thema nicht einhalten. An diesem Tag konnte ich einfach nicht entscheiden, wie es weitergehen sollte und wollte meine Hoffnungen nicht aufgeben. Ich hatte gesehen, wie sie kämpft. Schließlich holten wir sie weitere zwei Monate später, Anfang April, noch immer leicht lahm nach Hause.

Nun hatte ich ein riesiges Paket Arbeit vor mir: Denn die aufgebaute Muskulatur musste irgendwie erhalten werden – was mit einem lahmen Pferd, vom Boden aus und ohne Aquatrainer gar nicht so leicht ist.

Zwei weitere Monate Reha-Aufenthalt: Die letzte Hoffnung

Nach einem Monat zu Hause ging es Vio wirklich gut, aber die leichte Lahmheit hielt an. Das Gute war, dass sie schmerzfrei war, und das war für mich das Wichtigste. Inzwischen hatte ich mich damit abgefunden, dass ich sie vielleicht nie wieder reiten würde und ich wollte einfach nur, dass sie ein schmerzfreies Leben führen kann. Ein Bauchgefühl trieb mich zu einem letzten Versuch. Und so entschieden wir uns, sie für weitere zwei Monate zur Stabilisierung zurück in die Pferde-Reha in Neuruppin zu bringen. Es war unsere letzte Hoffnung.

Unser Happy End

Genau ein Jahr nach dem Unfall durfte ich Viona endgültig nach Hause holen. Endlich hatte ich mein Mädchen wieder bei mir und die Stabilisierung hatte ihr unendlich gut getan. Als ich mein Pferd in der Reha abholte, erwartete mich eine unglaubliche Überraschung: "Sie ist lahmfrei, hat nur noch selten minimale Taktfehler und ist schmerzfrei. Du kannst sie wieder reiten!" Dieser Satz des Reha-Inhabers hallte immer und immer wieder in meinem Kopf nach. Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte, was das bedeutete.

Bei unserem ersten kurzen Ausritt hatten wir beide unglaublich viel Spaß und genossen jede Sekunde. Meine Freudentränen ließen sich nicht mehr aufhalten. Ich bin zutiefst dankbar für diese kleine Kämpferin und alle Menschen, die in dieser schlimmen Zeit an unserer Seite waren. Ein ganz besonderes Dankeschön geht an die Pferdereha in Neuruppin. Sie haben uns niemals aufgegeben und alles dafür gegeben, dass wir endlich wieder unbeschwert sein können.

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Endlich freuen wir uns wieder aufeinander. Viona begrüßt mich mit einem freudigen Brubbeln, trabt, oder galoppiert zu mir, wenn sie mich sieht, und wir verbringen wieder unendlich gerne Zeit miteinander.

Deshalb mein Rat zum Abschluss: Es ist keine Schande und kein persönliches Versagen, sich Hilfe zu holen. Die Reha war unsere Rettung, nicht nur für Vionas Leben, sondern auch für unsere Beziehung!  © Pferde.de

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