Seit 2003 gibt es das "Versuchstier des Jahres" – ein Tier, das die Debatte zur Abschaffung von Tierversuchen voran bringen soll. Dieses Jahr ist es die Maus in der Autismusforschung.

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Auch dieses Jahr wurde das Versuchstier des Jahres gewählt: die Maus in der Autismusmusforschung. Aber weshalb gerade sie? Worauf möchte der Bundesverband "Menschen für Tierrechte" dieses Jahr hinweisen?

Warum überhaupt Mäuse in der Autismusforschung?

Mäuse sind eine sehr beliebte Tierart für die Forschung und das hat einige Gründe. Zunächst einmal, weil diese Tiere sehr klein und einfach zu halten sind. Außerdem pflanzen sich Mäuschen schnell und in großer Menge fort, was für Forscher und Forscherinnen ein Vorteil ist, da es so ständig "Nachschub" an Versuchstieren gibt.

Aber auch die Tatsache, dass die Nager gerade mal eine Lebenszeit von zwei bis drei Jahren haben, macht die Untersuchung eines Lebenszyklus weit schneller und effektiver als die der Menschen zum Beispiel, argumentiert die "Max-Planck-Gesellschaft".

Freiheit vs. Labor

In der Natur leben die Nagetiere in festen Sozialverbänden und ständiger Interaktion mit ihren Artgenossen. Im Labor hingegen müssen die Mäuse auf sehr engen Raum leben: Gerade mal 60 bis 100 Quadratzentimeter stehen einem Mäuschen zur Verfügung. Anders als außerhalb der Labore bekommen sie keine ausreichende Bewegung, können nicht klettern und auch nicht nagen. Mittlerweile haben die Tiere auch Streu und ein wenig Beschäftigungsmaterial in den Käfigen – es ist jedoch noch weit von artgerechter Haltung entfernt.

Was ist eigentlich die Autimus-Spektrum-Störung?

So etwas wie DIE Autismus-Störung gibt es nicht. Die Auswirkungen sind von Mensch zu Mensch komplett unterschiedlich und gerade deshalb auch eher unter dem Namen Autismus-Spektrum-Störung verbreitet.

Von Wissenschaftlern wird die Autimus-Spektrum-Störung wegen ihrer früh einsetzenden Unterschiede und Anomalien in der Gehirnentwicklung als eine neurologische Entwicklungsstörung angesehen. Die Ausprägung und Intensität kann von Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen über Überempfindsamkeit für Sinnesreize bis hin zu Beeinträchtigungen des Sprachvermögens variieren. Eingeschränkte, sich wiederholende und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten charakterisieren das besondere Verhalten, so der "Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus". Eine feste Struktur und Routinen helfen Menschen mit Autismus.

Die Maus und die Autismusforschung

Es können keine genauen Zahlen für die Mäuse, die für die Autismusforschung genutzt werden, genannt werden. Das liegt daran, dass die Zahlen in den Kategorien "Erforschung des menschlichen Nervensystems" und "mentale Erkrankungen" versteckt sind. Die Abschätzungen basieren auf nicht-technischen Projektzusammenfassungen (NTPs).

2021 und 2022 stiegen diese Zahlen auf über 77.000 Tiere an. Für die neurologische Störung wurden mehrere genetische Ursachen gefunden. Um an den Mäusen zu forschen, manipulieren die Forscher die Tiere gentechnisch. Diese Mäuse zeigen dann ähnliche Verhaltensweisen auf, wie Menschen im Spektrum.

Um Gene stillzulegen, werden lebende Mäuseembryonen aus dem Uterus des trächtigen Mäuseweibchens entnommen, genetisch manipuliert und dann wieder in die Körperhöhle zurückgeschoben. In bestimmten Entwicklungsabständen wird eine Reihe von Muttertieren durch Genickbruch getötet und die Föten entnommen, um ihr Gehirn zu untersuchen. Ein Teil der Nachkommen darf ganz ausgetragen werden und kommt in den Versuch. Die Tiere werden nach Geschlecht getrennt und Verhaltenstests unterzogen.

Bringt das überhaupt was?

Die Wirkstoffe haben eine nur begrenzte Übertragungsrate von Tierzellen auf Menschen. Ebenso wenig wird in der Forschung die Überschneidung verschiedener Krankheitsbilder, wie Autismus mit Depressionen, Autismus mit Psychosen und ähnliches beachtet – das führt zu falschen Annahmen. "Die oft zusammen mit dem Autismus auftretenden Depressionen, Kommunikationsschwierigkeiten oder bipolaren Störungen können mit einem Tiermodell nicht zuverlässig darstellt werden", kritisiert Christiane Hohensee, Leiterin der Informationsplattform "InVitro+Jobs" in einer Mitteilung des Bundesverbandes "Menschen für Tierrechte".

Außerdem gibt es mittlerweile tierfreie Alternativen, mit denen man über die Autismus-Spektrum-Störung forschen kann. Um Autismus weiterzuerforschen, eignen sich laut "Menschen für Tierrechte" induzierte pluripotenten Stammzellen oder In-vitro-Krankheitsmodellen gut. Anhand der Ergebnisse seien eine Krankheitsdiagnostik und die Entwicklung von Medikamenten möglich. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben dafür Hirnorganoide aus Patientenzellen entwickelt. Damit konnten sie zeigen, wie Autismus-assoziierte Mutationen wichtige Entwicklungsprozesse stören. Andere Forschende konnten Autismus mittels Künstlicher Intelligenz wie Deep Learning sehr zuverlässig vorhersagen.

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Beides, sowohl die Forschung an Krankheitsmodellen aus menschlichen Zellen als auch mittels Deep Learning, liefern schon jetzt beeindruckende Ergebnisse, Hohensee weiter. "Statt leidvoll und wissenschaftlich fragwürdig an genmanipulierten Mäusen herumzuexperimentieren, sollten diese zukunftsfähigen humanbasierten Methoden gezielt gefördert, entwickelt und ausgebaut werden. Dies wäre im Sinne von Menschen und Tieren", sagt die Leiterin von "InVitro+Jobs".  © Deine Tierwelt

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