- Arbeit bedeutet für uns alle auch, dass wir uns an bestimmte Regeln halten müssen.
- Durch diese Anpassung verändert sich die Persönlichkeit, vor allem bei Berufseinsteigern.
- Schwierig wird es, wenn die eigene Persönlichkeit wenig zum Job passt.
Die Geburt eines Kindes oder die eigene Heirat - sind das die Ereignisse, die unsere Persönlichkeit am stärksten verändern? Offenbar nicht.
Einen weitaus größeren Einfluss habe der Einstieg ins Berufsleben, sagt Eva Asselmann, Wissenschaftlerin am Institut für Psychologie der Berliner Humboldt Universität. Sie und ihre Kollegen haben erforscht, wie sich die Persönlichkeit im Laufe eines Lebens verändert.
Den starken Einfluss durch den Einstieg ins Berufsleben erklärt Asselmann mit den sozialen Erwartungen, denen Berufseinsteiger ausgesetzt sind. "Wir passen unsere Persönlichkeit an die neue Rolle an, um sie bewältigen zu können", erklärt die Psychologin im Gespräch mit unserer Redaktion.
"Im beruflichen Umfeld gibt es klare Anforderungen und ein konkretes Feedback. Abweichungen werden sofort korrigiert." Das sei im privaten Umfeld weniger der Fall.
Mit dem Einstieg ins Berufsleben reift die Persönlichkeit
Die Veränderung der Persönlichkeit zeige sich in mehreren Faktoren, an einem jedoch besonders: "Wir haben herausgefunden, dass junge Erwachsene vor dem Berufsleben zunächst noch weniger gewissenhaft sind. Beginnen sie ihren ersten Job, steigt die Gewissenhaftigkeit relativ schnell an", sagt Asselmann. Außerdem werde durch den Berufseinstieg die Extrovertiertheit und die soziale Verträglichkeit gestärkt. Somit könne man den Einstieg ins Berufsleben auch als Reifung der Persönlichkeit sehen.
In diesen jungen Jahren spielten aber auch noch andere Einflüsse auf die Persönlichkeit eine Rolle. "Es ist die Zeit der Veränderungen, der neuen einschneidenden Ereignisse", erklärt die Wissenschaftlerin. Neben dem Berufseinstieg fallen oft noch der Auszug aus dem Elternhaus und die erste große Partnerschaft in diese Phase.
Welchen Faktor der Aufstieg in eine Führungsposition schwächt
In der Persönlichkeitspsychologie ist oft die Rede von den sogenannten Big Five, also von fünf wichtigen Eigenschaften, durch deren jeweilige Ausprägung sich Menschen gut klassifizieren lassen.
Betrachtet man nun diese fünf Eigenschaften innerhalb der Karrierephase eines Angestellten, zeigt sich: Auch beim Aufstieg in eine Führungsposition entwickeln sich mehrere Persönlichkeitseigenschaften weiter - wie die Extrovertiertheit, die emotionale Stabilität, die Offenheit und die Gewissenhaftigkeit. Nur der Faktor der sozialen Verträglichkeit nimmt bei diesem Schritt etwas ab. "Die Hypothese ist hier, dass es in einer Führungsposition günstig ist, nicht auf Harmonie bedacht zu sein, sondern auch eigene Interessen durchzusetzen", sagt Asselmann.
Im Laufe eines Lebens gibt es einen weiteren Zeitpunkt, bei dem es erneut zu einer größeren Persönlichkeitsveränderung kommt. "Im hohen Erwachsenenalter, wenn die Person in Rente geht, sinkt vor allem die Gewissenhaftigkeit wieder", sagt die Berliner Psychologin und begründet das mit dem Wegfall beruflicher Anforderungen. Im Rentenalter steige dann der Faktor der sozialen Verträglichkeit und der emotionalen Stabilität an.
Art der Tätigkeit sollte zum Persönlichkeitstyp passen
Aber zurück in die Arbeitsphase. Obwohl es durch den Einstieg ins Berufsleben zu einer Persönlichkeitsentwicklung kommt, sollte der Job auch zu einem passen. Denn wenn die Differenz zu groß wird, steigt der Stress.
"Extrovertierte Typen brauchen für ihr Wohlbefinden Kontakte zu Menschen. Zu ihnen passen Berufe mit Kontakten zu Kunden oder auf der Bühne", sagt Eva Asselmann. Ein eher introvertierter Mensch werde sich dagegen in diesen Berufen nicht wohlfühlen. Für ihn könne es besser sein, wenn er sich in Ruhe auf eine Aufgabe konzentrieren kann wie beispielsweise ein Wissenschaftler.
Ein Forscherteam um den niederländischen Wissenschaftler Jaap J. A. Denissen von der Universität Tilburg hat in diesem Zusammenhang in einer Studie herausgefunden, dass Menschen, deren Job zu ihrem Persönlichkeitsprofil passt, einen höheren Verdienst haben. Wer also in einem Job arbeitet, dessen Anforderungen seiner Persönlichkeit entsprechen, ist offenbar leistungsfähiger, was sich im Erfolg auszahlt.
Einseitige Belastungen nicht nur am Fließband
Sind Frau oder Mann einmal im Arbeitsalltag angekommen, stehen sie mitunter einseitigen Belastungen im Job gegenüber. Die Alternative sind Mischarbeitsplätze mit unterschiedlichen Anforderungen.
"Das macht man in der Produktion am Fließband, wo viele Firmen die Mitarbeiter zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen rotieren lassen, damit extreme Einseitigkeiten der Belastung vermieden werden", erklärt Heinrich Wottawa, der über viele Jahre über Personalentwicklung an der Ruhr-Uni in Bochum geforscht hat, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Leider übersieht man diese negativen Effekte leicht, wenn es nicht um Muskeln, sondern um das Gehirn geht."
Ein Extrembeispiel seien Recruiter, die den ganzen Tag immer nur Personen auswählen und Interviewgespräche führen. Die Folge: "Sie fühlen sich extrem mächtig und sind der Meinung, sie durchschauen andere Menschen binnen kürzester Zeit und machen nie Fehler", sagt Wottawa.
Auch Personaltrainer, die immer ähnliche Kurse halten, sind betroffen. "Ein solcher Trainer steht zudem dauernd im Zentrum und hat subjektiv dauernd recht. Der ist nach einiger Zeit keine ausgeglichene Persönlichkeit mehr."
Ausgleich in der Freizeit finden
Ein anderes Beispiel sind Informatiker, die im Alltag Dinge aus der Realität abstrahieren. "Das Problem ist, dass manche Informatiker Schwierigkeiten haben, final zu denken. Sie haben diese herrlichen Regelsysteme, diese Programme", erzählt Wottawa. Aber es falle ihnen in manchen Gesprächen schwer, sich vorzustellen, dass der Gesprächspartner bestimmte Interessen verfolgt, also vom Ziel oder Ergebnis her denkt, und natürlich auch seinen subjektiven Nutzen optimieren will.
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Also Lösung für das Problem gebe es für Informatiker Kurse wie "How to speak with a Non-Screen". Also in etwa: "Wie spreche ich mit einem Nicht-Bildschirm". Der emeritierte Professor würde Informatikern ebenfalls empfehlen, einen Freizeitausgleich zu finden, in dem man viel mit anderen Menschen zu tun hat, wo man deren Bedürfnisse oder deren Wünsche erlebt und mit ihnen darüber spricht.
Auf der anderen Seite könnten sich Vertriebler ein Hobby suchen, bei dem es auch mal ein bisschen Ruhe gibt, bei dem man ein wenig nachdenken kann. Wottawa: "Aber diese Art von Psychohygiene muss eine bewusste Entscheidung sein. Man muss sich sagen: 'Ich möchte mich nicht in dieser einen Schiene zu 150 Prozent verrennen.'"
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Dr. Eva Asselmann
- Gespräch mit Prof. Dr. Heinrich Wottawa
- US National Library of Medicine: Uncovering the Power of Personality to Shape Income
- DIW Berlin: Sozioökonomisches Panel als Datenbasis für die Studien von Eva Asselmann
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