Berlin (dpa/tmn) - Das Problem ist längst bekannt - und will doch nicht verschwinden. Viele Frauen verdienen weniger Geld als Männer, oft sogar für die gleiche Arbeit.
Dazu gibt es neue Gesetze und mit dem Equal Pay Day am 18. März auch einen eigenen Aktionstag. Und doch bleibt Frauen, die Ungerechtigkeiten aufdecken wollen, oft nur der gezielte Tabubruch. "Ans Ziel kommen wir nur, wenn wir über Geld sprechen, auch wenn das noch immer verpönt ist", sagt Henrike von Platen, Gründerin der Unternehmensberatung Fair Pay Innovation Lab (FPI).
Klar: Über Geld spricht man eigentlich nicht, zumindest in Deutschland. Aber dieses Tabu sorgt dafür, dass sich die Lohnlücke nicht schließt, sagt von Platen. Denn wenn eine Arbeitnehmerin nicht weiß, ob sie ungerecht behandelt wird, kann sie auch nicht dagegen vorgehen. "Das kann auch heißen, dass Frauen ihre männlichen Kollegen in der Mittagspause ganz konkret fragen, was sie verdienen."
Für manche Berufstätige gibt es zwar auch eine Alternative: das neue Entgelttransparenzgesetz. Seit Anfang des Jahres können Arbeitnehmerinnen - und Arbeitnehmer - offiziell nachfragen, was die Kollegen des anderen Geschlechts verdienen. Das Gesetz hat allerdings seine Tücken: Es gilt nur für Unternehmen mit mindestens 200 Mitarbeitern und nur dann, wenn es mindestens sechs Kollegen des jeweils anderen Geschlechts mit dem gleichen Job gibt. Und auch dann erfahren Arbeitnehmer deren Gehälter nur im Mittelwert. Nicht jede Ungerechtigkeit wird damit sichtbar.
Trotzdem plädiert von Platen dafür, den Auskunftsanspruch zu nutzen - als Frau und als Mann. Denn auch wenn das dem oder der Einzelnen nicht besonders weiterhilft, werden so wenigstens die Verantwortlichen in den Unternehmen gezwungen, sich die Zahlen anzuschauen. "Viele Unternehmen gehen ja davon aus, dass bei ihnen alles in bester Ordnung ist – haben ihre Entgeltstrukturen aber noch nie überprüft", sagt die Finanzexpertin. "Die Gehälter schwarz auf weiß zu sehen, kann einen augenöffnenden Effekt haben.
Einzelne Kollegen gezielt nach ihrem Gehalt zu fragen, ist aber trotzdem oft die bessere Variante. Denn so erfährt man nicht nur Mittelwerte, sondern konkrete Zahlen - und hat damit eine bessere Grundlage für die nächsten Gehaltsverhandlungen. "Es heißt ja oft, dass Frauen schlecht verhandeln", sagt von Platen. "Dabei sind die Verhandlungsspielräume oft nicht klar. Wo Transparenz bezüglich der Gehälter herrscht, erzielen Frauen auch bessere Verhandlungsergebnisse."
Allerdings glaubt die Unternehmensberaterin das Klischee von der schlecht verhandelnden Frau ohnehin nicht. "Frauen verhandeln nicht schlechter als Männer. Frauen verhandeln anders." Und vor allem werden Frauen anders wahrgenommen, erklärt die Expertin: Was beim einen kämpferisch wirkt, wird bei der anderen schnell als zickig abgestempelt. "Wenn Frauen anfangen wie Männer zu verhandeln, funktioniert das nicht."
Und was, wenn eine Frau tatsächlich schlechter bezahlt wird als der Kollege? Dann gibt es theoretisch die Möglichkeit, vor Gericht zu ziehen. "Ich plädiere beim Verdacht auf Lohnungerechtigkeit immer dafür, erst das Gespräch zu suchen – und nicht gleich die juristische Keule zu schwingen", sagt von Platen. "Am besten gelingt das Gespräch, wenn es nicht gleich in die Konfrontation geht."
Denn viele Unternehmen stehen noch ganz am Anfang, wenn es um den transparenten Umgang mit Gehältern geht, sagt von Platen. Schneller gehe es nur, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Druck machen, wenn also auch bei Bewerbungen ein Faktor wird, wie transparent es bei einem Arbeitgeber zugeht. "Das Geld spielt leider oft nur eine untergeordnete Rolle." © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.