Wenn Kinder in der Nacht aufwachen, zu schreien beginnen und wie wild um sich schlagen, muss nicht immer ein Albtraum dahinter stecken. Oftmals verbirgt sich eine Schlafstörung dahinter: der sogenannte Nachtschreck. Um was es sich dabei handelt und was man dagegen tun kann, erfahren Sie hier.
Schreien, toben und wildes Um-sich-Schlagen: Kinder, die unter einem Nachtschreck leiden, wachen nachts auf und geraten in Panik. Was Eltern dagegen tun können.
"Sie war wie vom Teufel besessen"
Silvesternacht 2018: Bei Familie Putzer wird es kurz nach Mitternacht laut im Zimmer der Tochter. Die zweijährige Isabella schreit, als ginge es um ihr Leben. Mit weit aufgerissenen Augen schlägt sie um sich, brüllt "Mama weg" und lässt sich nicht beruhigen. "Sie war wie vom Teufel besessen", beschreibt Mutter Sonja Putzer die Situation.
Nach ungefähr 15 Minuten ist der Spuk plötzlich vorbei. Isabella liegt wieder in ihrem Bett und schläft tief und fest. Auch am nächsten Morgen ist das kleine Mädchen wieder fröhlich und kann sich an nichts erinnern. Der Kinderarzt der Familie hat sofort eine Vermutung: Isabellas Verhalten deutet auf einen Nachtschreck hin. "Dabei handelt es sich um eine Art Schlafstörung, von der vor allem Kinder betroffen sind, die in etwa zwischen drei und sieben Jahre alt sind", erklärt der Schlafmediziner Bernhard Hoch aus Bonstetten in Bayern.
Der Unterschied zwischen Nachtschreck und Albtraum
Der Nachtschreck ist dabei kein Albtraum. "Bei einem Nachtschreck geraten die Kinder aus der Tiefschlafphase heraus in einen ängstlichen Zustand, ohne wirklich aufzuwachen", erklärt Hoch. "Ihre Herzfrequenz ist erhöht und sie sind in der Regel trotz geöffneter Augen nicht ansprechbar. Am nächsten Tag können sie sich an nichts erinnern."
Ganz anders beim Albtraum: In der Regel wachen die Kinder dabei auf und können von dem Traum detailliert berichten. Der Nachtschreck schlägt außerdem eher in der ersten Nachthälfte zu, Albträume erst gegen Ende der Nacht.
Kein Zeichen für eine Traumatisierung
Bei Isabella kommt die Panik in der Nacht immer mal wieder. Anfangs fragten sich die Eltern, ob ihre Tochter etwas Traumatisches aufarbeiten muss. Diese Frage beschäftigt viele Eltern von Nachtschreck-Kindern, weiß Anna Lena Tietze, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin aus Havixbeck (Nordrhein-Westfalen). "Ein Nachtschreck ist kein Zeichen für eine Traumatisierung des Kindes", beruhigt sie. "Eltern müssen sich keine Vorwürfe machen, etwas im Umgang mit ihrem Kind falsch gemacht zu haben. Es wird vermutet, dass der Nachtschreck auch eine genetische Komponente hat."
Dennoch können Eltern etwas tun: "Es ist sinnvoll, vor dem Schlafengehen eine ruhige Atmosphäre zu schaffen. Kinder brauchen Strukturen", so Hoch. "Es hilft ihnen sehr, wenn sie in einem behüteten Elternhaus aufwachsen, das ihnen viel Sicherheit gibt." Anna Lena Tietze rät hingegen: "Man sollte versuchen, Stress aus dem Leben der Kinder zu nehmen. Wenn sie anfällig für einen Nachtschreck sind, können übermäßig viele oder auch unvorhergesehene, aufregende Erlebnisse ihn auslösen."
Das können Eltern in der Situation tun
Die meisten Eltern möchten ihr Kind wecken und es beruhigen. "Doch das ist nicht der richtige Weg", weiß Tietze. Das könne das Kind eher verängstigen. Sinnvoller sei es stattdessen, leise und beruhigend auf es einzureden, es in den Arm zu nehmen, wenn es das zulässt, und dafür zu sorgen, dass es sich nicht verletzen kann. Am folgenden Morgen sollte man den Nachtschreck auch nicht gegenüber dem Kind thematisieren.
Doch was tun, wenn der Nachtschreck überhand nimmt? "Wenn das Kind jede Nacht mit dem Schreck zu kämpfen hat, dieser länger als 15 Minuten anhält und das Kind tagsüber unausgeglichen und müde ist, sollte man mit dem Kinderarzt Rücksprache halten", empfiehlt Bernhard Hoch. Denn in seltenen Fällen könne auch eine Krankheit dahinter stecken - beispielsweise eine Epilepsie. (dpa/tmn/amw)
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