Original Play – dieses Konzept birgt Zündstoff. Eltern, Kitas, Medien, der Kinderschutzbund, Pädagogen und nicht zuletzt die Politik: sie alle waren beunruhigt und diskutierten Ende des Jahres intensiv darüber. Wer und was dahintersteckt und warum es alles andere als ein harmloses Spiel sein kann, gibt folgender Überblick.

Mehr Ratgeberthemen finden Sie hier

Fremde Erwachsene, die in einem Workshop zu Spielleitern ausgebildet werden, gehen auf Tuchfühlung mit Kindern in Kitas oder Kindergärten. Während einer Spieleinheit wird gespielt, gebalgt und nebenbei Grenzen ausgelotet. Im Angebot: Kuscheln und raufen auf Kindeshöhe, frei von Regeln und Hierarchien, kein Gegeneinander, sondern ein zwangloses Miteinander.

Der US-Amerikaner Fred Donaldson hat das Konzept des Original Play (OP) entwickelt, das nunmehr seit 15 Jahren bundesweit in Kitas und Kindergärten angeboten, wenn auch nicht oft genutzt wurde.

Auf der Website der Organisation definiert Donaldson, der als Gründer an der Spitze des Vereins "International Foundation for Original Play" steht, das Konzept eher vage bis esoterisch: "Original Play versucht, die Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen zu verbessern, indem Aggression und Gewalt zwischen Menschen durch Freundlichkeit und Liebe ersetzt werden und jedes Kind sich sicher und geliebt fühlt." Und für dieses Spielen müssen die Spielleiter, letztlich Unbekannte, kein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen.

Fahrlässiges Spielen ohne Grenzen

Seit der Ausstrahlung der ARD-Sendung "Kontraste" Ende Oktober 2019 steht der Verein "Original Play" und sein Konzept besonders in Kritik. Im Beitrag erhoben Eltern schwere Vorwürfe und berichteten über sexualisierte Übergriffe während der Spieleinheiten. Die Trauma-Expertin Michaela Huber bezog in der Sendung ebenfalls klar Position: "Für mich ist das eine Einladung zur Übergriffigkeit an Kindern."

Auch wenn die Vorwürfe nicht belegt werden konnten, entfesselte sich darüber eine generelle Diskussion: So forderte der Kinderschutzbund ein Verbot von Original Play ein, weil die Grenzen zwischen Kindern und Erwachsenen verwischt würden.

"Körperliche Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen im Spiel, bei der Pflege, wenn ein Kind Trost und Zuwendung braucht, müssen in ein pädagogisches Gesamtkonzept eingebettet sein", verlautete es in einer öffentlichen Stellungnahme dazu.

Original Play: Einladung für Pädophile?

Weitere Experten waren alarmiert: Fabienne Becker-Stoll, Leiterin des bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik, sagte in einem Interview über OP, ihr sei es bei der Recherche eiskalt den Rücken heruntergelaufen. "Ja, Kinder haben Sehnsucht nach Körperkontakt. Aber nur zu vertrauten Personen, bei denen sie sich geborgen fühlen. Es ist vollkommen widersinnig, als fremde Person das aus dem Nichts anzubieten", kritisierte sie weiter.

Die bayerische Sozialministerin Kerstin Schreyer spitzte die latente und offene Angst von Eltern und Pädagogen zu: "Original Play öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. In Kitas hat das nichts verloren."

Konzept ohne pädagogische Expertise

Nicht nur Kritik an dem Spielkonzept wurde laut, sondern auch an Fred Donaldson, dem Gründer der Original-Play-Bewegung. Auf der Website der Stiftung heißt es über ihn: "Seine Spielgefährt*innen sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, Bandenmitglieder, Flüchtlinge und Straßenkinder, Gefängnisinsass*innen, Krebspatient*innen, Delfine, Wale, Löwen, Grizzlybären, Wölfe, Paviane und Schmetterlinge."

Dass diese Auflistung Fragen und Zweifel über seine akademische Qualifizierung mit sich bringt, verwundert nicht. Donaldsons akademischer Abschluss in Psychologie wird zwar an mehreren Stellen impliziert, öffentlichen Berichten zufolge mittlerweile aber stark angezweifelt. Donaldson soll in den USA vielmehr Geografie studiert haben.

Das Spiel ist aus

Original Play ist in einigen Bundesländern wie Hamburg, Berlin und Brandenburg verboten. Der Kinderschutzbund fordert dennoch zur selbstkritischen Inventur auf: "Eine Ursache, dass OP trotz der mehr als fragwürdigen Selbstdarstellung eingesetzt wird, könnte in der massiven Verunsicherung von Fachkräften liegen, wie sie mit Körperlichkeit und Berührungen im Umgang mit Kindern umgehen sollen."

So hat die Diskussion bei Eltern, Pädagogen, Medien, Kitas und Politik zu einer Sensibilisierung geführt: Wie können wir Kindern Wärme, Autonomie und Geborgenheit auf körperlicher Ebene behutsam vermitteln? Kindersichere Antworten sollten dabei innerhalb und nicht außerhalb von Kitas und Kindergärten gefunden werden.

Verwendete Quellen:

  • Kinderschutzbund: "Original Play – Kritische Einordung des Ansatzes aus Sicht des Kinderschutzbundes"
  • Sueddeutsche.de: "Wie eine Einladung für Pädophile"
  • Bayern.de: Familienministerin Kerstin Schreyer: "Original Play hat in Kindertageseinrichtungen nichts zu suchen – wir behalten uns Konsequenzen vor"
  • Kontraste: "Kindesmissbrauch in deutschen Kitas"
  • Plagiatsgutachten.com: "Weder Universitätsprofessor noch Psychologe: Die konstruierte akademische Vita des O. Fred Donaldson"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.