Wohnwagen sind nicht vor dem Aufschwimmen gefeit. Wie es dazu kommen kann und was dagegen hilft, hat CARAVANING für Sie in aufwendigen Tests analysiert.

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Es ist eine Situation, die beinahe alle am Steuer schon einmal erlebt haben: Bei starkem Regen oder in einer tiefen Wasserpfütze schwimmen die Reifen plötzlich auf, der Wagen gerät kurzzeitig außer Kontrolle. In den meisten Fällen bleibt es bei einem kurzen Schockmoment, die meisten kommen glimpflich davon.

Wie entsteht Aquaplaning? Wie kann man es vermeiden? Wie soll man darauf reagieren? Und, was uns mit einem Caravan am Haken besonders interessiert: Können auch Wohnwagen von Aquaplaning betroffen sein?

Richtig reagieren bei Aquaplaning

Vorweg: Erst bremsen, dann lenken. Wer vor der Lenkkorrektur die Geschwindigkeit senkt, geht sicher dass die Bodenhaftung wieder hergestellt ist. Warum?

  • Lenkung: Schwimmen die Räder erst einmal, ist Lenken nicht nur unmöglich, sondern geradezu schädlich. Das Auto reagiert eventuell zunächst nicht, wechselt dann aber unter Umständen schlagartig die Richtung, wenn die Reifen wieder greifen.
  • Bremse: Im Gegensatz zur Lenkung darf die Bremse jederzeit eingreifen – jedenfalls wenn das Auto mit ABS ausgerüstet ist, das ein Ausbrechen schon weitgehend verhindert.

Tipp: Bei nassem Wetter hin und wieder leicht auf die Bremse treten! Das trocknet Beläge und Scheiben, die im Notfall dann schneller greifen. Moderne Systeme in Premium-Fahrzeugen tun dies übrigens von allein und ohne, dass es die FahrerInnen merken.

Wir empfehlen: Bei gerader Lenkung zunächst beherzt bremsen, und sobald die Bremswirkung kräftiger wird, also die Vorderräder wieder Grip bekommen, deutlich von einem möglichen Hindernis weglenken. Warum? Das kräftige Bremsen stoppt zwar die Drehbewegung der zunächst weiter rutschenden Vorderräder, wirkt aber auch auf die mutmaßlich noch nicht aufschwimmenden Hinterräder. So kann das Tempo reduziert werden, bis die Vorderachse wieder auf Grund läuft, Grip bekommt und so kräftig mitbremsen und auch mitlenken kann. Nur so lässt sich die Situation in den Griff bekommen.

Wichtig ist dabei: Erst geradeaus bremsen – dann lenken. Wer zuerst lenkt, riskiert, dass die Hinterräder die freigeräumte Spur der Vorderräder verlassen, ebenfalls ins tiefe Wasser geraten und ebenso aufschwimmen. Ein unhaltbares und ein auch von allen Regelsystemen dieser Welt unkontrollierbares Schleudern ist die Folge.

Was ist Aquaplaning?

Aquaplaning entsteht, sobald sich auf der Fahrbahn eine geschlossene Wasserschicht bildet, deren Wassermasse von den Reifen nicht mehr vollständig verdrängt werden kann. Die Reifen versuchen das Wasser durch ihre Profilrillen unter dem Reifen hindurch nach hinten, aber auch zur Seite wegzuleiten. Gelingt dies nicht mehr, weil etwa die Geschwindigkeit des Wagens zu hoch, die Anzahl und der Querschnitt der Profilrillen zu niedrig oder, wie etwa bei Breitreifen, der Weg des Wassers durch die Profilrillen zu lang wird, beginnt der Wasserdruck den Reifen von der Fahrbahn abzuheben, das Auto schwimmt, meist zuerst mit den Vorderrädern, auf.

Entscheidender Faktor: Antriebsart

Was dann passiert, ist von der Antriebsart des Zugfahrzeugs – Front-, Heck- oder Allradantrieb –, der gefahrenen Geschwindigkeit und der Länge des überfluteten Bereichs abhängig.

  1. Frontgetriebene Fahrzeuge: Bei diesem Antrieb lässt sich einsetzendes Aquaplaning am plötzlichen Hochdrehen des Motors erknennen. Das kommt daher, dass die aufschwimmenden Reifen durchzudrehen beginnen. Wenn der Wasserfilm die Räder erstmal abgehoben hat, ist der Wagen nicht mehr lenkbar. Die intuitiv richtige Reaktion, Gas wegnehmen und Geschwindigkeit verringern, bringt den Grip meist schnell zurück. Frontangetriebene Fahrzeuge verhalten sich bei Aquaplaning durch ihr unproblematisches und intuitives Handling am sichersten.
  2. Heck- und allradgetriebene Fahrzeuge: Hier ist ist das anders. Da die Hinterräder meist in der von Wasser freigeräumten Spur der Vorderräder fahren, sind sie zunächst nicht von Aquaplaning betroffen und schieben auch dann noch kraftvoll an, wenn die Vorderräder längst am Schwimmen sind. Das heißt: Der Fahrer kann lediglich an der nicht mehr reagierenden Lenkung spüren, dass das Fahrzeug an der Vorderachse den Fahrbahnkontakt verloren hat. Auch die elektronischen Fahrstabilitäts-Regelsysteme tun sich schwer, diesen Zustand zu erkennen, da sich die Vorderräder nach dem Schaufelradeffekt weiterhin mitdrehen. Wer jetzt nicht oder zu zaghaft reagiert, verlässt die Fahrbahn tangential. Erst recht, wenn noch ein Caravan am Haken hängt.

Aquaplaning bei Anhängern

Wie gefährlich ist jetzt aber Aquaplaning bei gezogenen Fahrzeugen wie etwa Caravans? Dazu muss man die besondere Art der Achse, die tatsächlichen Achslasten und die Strömungsverhältnisse bei Aquaplaning näher betrachten. Meist ist die Spurweite von Wohnwagen deutlich breiter als die des ziehenden Pkw. Das bedeutet, dass die Reifen des gezogenen Fahrzeugs nicht von Räumeffekten des ziehenden Fahrzeugs profitieren. Im schlimmsten Fall könnte der Anhänger sogar direkt in der vom Zugfahrzeug zur Seite geschobenen Wasserwelle laufen und so möglicherweise früher aufschwimmen.

Vorteilhaft für den Caravan ist hingegen seine gegenüber dem Zugfahrzeug deutlich höhere Achslast. Während etwa ein beladener Pkw mit rund 2,2 Tonnen Gesamtgewicht auf eine Radlast von rund 650 Kilogramm kommt, presst ein 1.600-kg-Wohnwagen seine Räder (ohne Stützlast gerechnet) schon mit 800 Kilogramm auf den nassen Asphalt. Kalkuliert man dazu noch ein, dass die Reifen des Anhängers in der Regel schmaler und aufgrund ihrer Bauart tiefer profiliert sind als die des Zugwagens, ist das Risiko des Aufschwimmens – zumindest theoretisch – gering.

Doch: Ist das auch in der Praxis so? Das herauszufinden ist nicht so einfach.

Testversuch: Aquaplaning bei Wohnwagen

Um messen zu können, ob und wann Aquaplaning bei einem Anhänger auftritt, muss dessen Achse in einem definiert bewässerten Aquaplaningbecken (Wassertiefe 8 mm) mit einer sehr geringen Kraft leicht angebremst werden. Die Standard-Bremse eines Wohnwagens ist allerdings dafür nicht geeignet. Was aber dann?

Die Lösung für unseren Versuch findet sich in der Entwicklungsabteilung des Reifenherstellers Goodyear. Hier wird ein Mess-Anhänger vorgehalten, bei dem einerseits die Spurweite verändert und andererseits die einzelnen Räder per Retarder gebremst und zudem in weiten Bereichen das Gewicht variiert werden kann. Und natürlich können während des Betriebs die Raddrehzahlen gemessen werden. Das ist wichtig für unseren Versuch, denn nur so können wir feststellen, ob das Rad ab einer bestimmten Geschwindigkeit zu rutschen beginnt, also langsamer dreht als die Räder des Zugwagens.

Dieser Messanhänger, den wir aus Geheimhaltungsgründen nicht im Bild zeigen dürfen, wird nun wiederholt und mit stufenweise steigenden Geschwindigkeiten durch das rund 25 Meter lange Aquaplaningbecken gezogen. Zunächst mit einer Spurweiteneinstellung, die exakt der des Zugfahrzeugs entspricht, dazu mit fabrikneuen, bestens profilierten Reifen. Bis zu einer Messgeschwindigkeit von 105 km/h bleiben die Räder, das zeigt die gleichbleibende Umdrehungsfrequenz, am Boden. Aquaplaning? Fehlanzeige. Doch ist das auch so, wenn die Reifen nahe ihrer Verschleißgrenze sind?

Auch hier messen wir bei dem mit dem Zugfahrzeug spurgleichen Anhänger bis Tempo 105 keine signifikanten Abweichungen der Raddrehzahlen: Kein Aquaplaning, alles gut.

Höheres Risiko bei Caravans?

Reagieren Wohnwagen mit ihrer typisch breiten Spur hier empfindlicher? Dazu wird jetzt der Versuchsanhänger auf eine Wohnwagen-typische Spurbreite von 2,0 Metern umgebaut. Der erste Versuch findet wieder mit Neureifen statt. Und siehe da: Während bei Tempo 85 die breite Anhängerachse fast unabhängig vom Reifenzustand noch ordentlich Halt auf der Fahrbahn findet, hebt das immerhin 1.600 Kilo schwere Prüfgerät bei Tempo 105 kräftig ab und könnte bei Kurvenfahrt oder beim Spurwechsel ausbrechen und ins Schleudern geraten – erst recht dann, das zeigt unser letzter Versuch, wenn die Reifen eine zu geringe Profiltiefe aufweisen.

Somit sind spurungleiche, gezogene Fahrzeuge wie Caravans trotz ihrer hohen Achslasten eher einem Aquaplaningrisiko ausgesetzt als Anhänger, die in der Spur des Zugfahrzeugs mitlaufen. Zudem deutet vieles darauf hin, dass die vom Zugfahrzeug zur Seite geschobene Wasserwelle hier sogar noch erschwerend wirkt.

Unter allen Umständen lässt sich aber feststellen, dass das Risiko erst bei höheren, in Deutschland nur mit Tempo-100-Zulassung erreichbaren Geschwindigkeitsbereichen auftritt. Das ist ein Tempo, das bei kräftigem Regen ohnehin vermieden werden sollte.

Wie macht sich das Aufschwimmen des Caravans bemerkbar?

Bei Geradeausfahrt dürfte es selbst von versierten Fahrern kaum wahrgenommen werden können – die davon ausgehende Gefahr ist dabei auch vergleichsweise gering. Schwimmen die Reifen jedoch, etwa in einer langgezogenen Autobahnkurve, auf, würde der Anhänger sofort zur Seite ausbrechen, ins Schlingern geraten und im schlimmsten Fall umkippen.

Doch bis dies geschieht, das zeigen unsere Tests, müssen viele unglückliche Faktoren zusammenkommen. In der Regel wird es so sein, dass das Zugfahrzeug meist zuerst aufschwimmt und Aquaplaning-Symptome zeigt. Wer dann gemäß unseren Empfehlungen oben reagiert und den Zugwagen auf Kurs hält, hat auch das gesamte Gespann unter Kontrolle.

So funktioniert der Testanhänger

Hinter dem Zugfahrzeug wurde zur Aquaplaningmessung ein spezieller Testanhänger – hier mit kurzer Deichsel dargestellt – eingesetzt. Bei diesem normalerweise in der Reifenentwicklungeingesetzten Anhänger ist die Spurweite, die Retarderbremse, die Deichsellänge und natürlich auch die Achslast in weiten Grenzen einstellbar. Im Test wurden eine wohnwagentypische Deichsellänge, eine Spurweite von zwei Metern und eine hohe Achslast von 1.800 kg gewählt. Das Gespann wurde mit 85 und 100 km/h durch ein Aquaplaningbecken (8 mm Wassertiefe) gefahren, die Anhängerräder dabei kontinuierlich minimal verzögert. Verglichen wurden die Anhänger-Raddrehzahlen mit denen der schlupffreien Zugfahrzeug-Hinterachse.

1. Test-Details: Fahrverhalten mit spurgleichem Anhänger

Der spurgleiche Anhänger läuft brav in der Spur des Zugfahrzeugs mit. Bei Geradeausfahrt ist weder bei 85 km/h (blaue Kurven) noch bei hohen Geschwindigkeiten von 105 km/h (rote Kurven) selbst mit abgefahrenen Reifen ein Aufschwimmen der Anhängerreifen messbar (der Radschlupf inklusive Messtoleranz bleibt über die Messdistanz von 20 Metern bei +/–0).

2. Test-Details: Fahrverhalten mit breiterem Anhänger (Caravan)

Der spurungleiche Anhänger (Wohnwagen-typische Spurbreite und Deichsellänge) rollt mit seinen Reifen außerhalb der freigeräumten Spur des Zugfahrzeugs und im schlimmsten Fall in der von dessen Reifen erzeugten Bugwelle. Während bei der eingestellten Wassertiefe von 8 mm bei Tempo 85 noch kein Aquaplaning messbar ist, setzt bei Tempo 105 (deutliche Schlupfzunahme) Aquaplaning ein. Die Reifenprofiltiefe hat bei der hohen Achslast offensichtlich wenig Einfluss.

Exkurs: Aquaplaning bei Sportwagen

Noch kritischer als Standard-Heck- und Allradfahrzeuge verhalten sich Sportwagen, die gegenüber vorne mit deutlich breiteren Hinterreifen ausgestattet sind. Diese oft extrem breiten Schlappen sind per se ziemlich aquaplaning-empfindlich. Aber auch sie nutzen die von den Vorderrädern freigeräumte Spur und schieben so auch bei tiefem Wasser lange noch kraftvoll an. Verlassen sie aber – etwa durch ein Lenkmanöver oder bei beginnendem Schleudern – diese schmale Gripzone, schwimmen sie durch ihre hohe Aquaplaningempfindlichkeit schlagartig auf, ein Dreher ist dann nicht mehr zu vermeiden.

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Sportwagenhersteller wie etwa Porsche sind sich dieses Risikos bewusst. Bei modernen Modellen sollen daher in die Radkästen eingebaute Mikrofone ein mögliches Aquaplaningrisiko erkennen und den Fahrer frühzeitig warnen.  © Promobil

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