Berlin (dpa/tmn) - Die Frage, ob man ein Land bereisen soll oder aus Sicherheitsgründen besser nicht, hängt oft von einzelnen Worten ab. Für jedes Land gibt es Reise- und Sicherheitshinweise, die das Auswärtige Amt (AA) je nach Lage aktualisiert.
Die Behörde kann zu Vorsicht mahnen, den Verzicht einer Reise empfehlen, von nicht unbedingt erforderlichen oder allen Reisen abraten oder eine knallharte Reisewarnung aussprechen - ein sprachlich fein abgestuftes System, das für Laien und auch Experten nicht leicht zu durchschauen ist, aber enorme Bedeutung für die Reiseindustrie hat.
Wann ist eine Reise vertretbar? Wann ist es zu gefährlich? Bei der Entscheidung helfen die Reisehinweise oft nur bedingt weiter.
"Eine Hilfe für Urlauber sind die Hinweise nicht", sagt Paul Degott, Reiserechtsexperte aus Hannover. "Oft machen sie die Verunsicherung nur größer." Hinzu kommt, dass die Reisehinweise nicht rechtlich bindend sind. Das AA kann keine Reisen verbieten. Die Entscheidung liegt beim Urlauber oder Reiseveranstalter.
Ziemlich eindeutig ist die Lage, wenn eine klare Reisewarnung vorliegt. Dann besteht in der Regel Gefahr für Leib und Leben - etwa in Syrien und Afghanistan. Bei allen Hinweisen, die schwächer sind, wird es schon schwieriger.
Der Veranstalter Studiosus hat eine rote Linie: Wenn das AA von einem Land oder einer Region abrät, verzichtet der Anbieter auf Reisen dorthin. "Aber das sind noch die eindeutigen Fälle", sagt Edwin Doldi, Sicherheitsmanager des Münchner Unternehmens. Was tun, wenn das AA empfiehlt, eine Region zu meiden? Die Aussage ist etwas schwächer formuliert, doch die Botschaft im Prinzip gleich.
Beispiel Jerusalem: Nach Unruhen mit Toten im Juli, riet das AA, die Altstadt zu meiden. Studiosus sagte Reisen ab. Wenig später riet das AA nur noch, die Altstadt in den Abend- und Nachtstunden zu meiden. Studiosus war wieder dabei.
Der Veranstalter Diamir Erlebnisreisen ist deutlich risikofreudiger. Angeboten werden Länder wie der Tschad, von dem das AA deutlich abrät, und sogar eine Region mit Reisewarnung: Ostkongo. "Wir orientieren uns nicht an einzelnen Formulierungen des AA, es gibt da keine klare rote Linie für uns", sagt Geschäftsführer Markus Walter. "Eine Reisewarnung ist ein ganz starkes Indiz dafür, dass eine Reise zu gefährlich ist." In Stein gemeißelt sei das aber auch nicht - siehe Ostkongo. Natürlich nehme man die Reisehinweise sehr ernst. "Sie sind eine unserer wichtigsten Quellen." Aber: "Wir beschäftigen uns intensiver mit der Situation vor Ort."
Walter spricht zudem einen Einwand an, den man von Reiseprofis häufig hört: "Das Auswärtige Amt ist letztlich eine politische Institution." Viele Reisehinweise seien von politischen Zielen beeinflusst.
Das AA selbst erklärt seine Reisehinweise nicht weiter. Nur so viel verlautet aus Kreisen der Behörde: Nicht erforderliche Reisen umfassen in der Regel Urlaubsreisen, im Gegensatz zu besser abgesicherten Geschäftsreisen. Abgeraten wird dann, wenn eine hohe abstrakte Gefährdung für Reisende aus Deutschland erkennbar ist - immer noch eine ziemlich verklausulierte Aussage.
Was bedeutet das nun für den einzelnen Reisenden? Wenn er ohne Veranstalter unterwegs ist, muss er selbst abschätzen, welches Risiko er zu tragen bereit ist. Bei der Pauschalreise geht es um die Frage, wann der Kunde eine Reise ohne Stornogebühren absagen darf.
Das Stichwort lautet hier höhere Gewalt. Sie kann bei politischen Unruhen mit gewalttätigen Demonstrationen oder Naturkatastrophen vorliegen. Die Formulierung im Bürgerlichen Gesetzbuch lautet: "Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen."
Reiserechtler Degott sagt: "Bei einer Reisewarnung muss ich von höherer Gewalt ausgehen." In einem solchen Krisenfall holen Anbieter ihre Gäste auf jeden Fall zurück nach Deutschland. Rät das AA dringend von einer Region ab, sei auch dies ein klares Indiz für höhere Gewalt. Auch dann reagiert meist der Veranstalter.
Degott betont, dass eine wichtige Bedingung für höhere Gewalt immer die Unvorhersehbarkeit ist. Heißt: Wer eine Reise in eine schon lange schwelende Krisenregion gebucht hat, kann diese nicht so einfach ohne Kosten stornieren. Denn dass dort etwas passiert, war bei Buchung schon wahrscheinlich. "Da wird quasi nur einmal mehr geschossen", sagt der Jurist. So werde vor Gericht argumentiert. © dpa
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