Waldeck (dpa) - Das mythenumrankte Inselreich Atlantis wurde berühmt, weil es unterging. Das Atlantis im nordhessischen Edersee ist dagegen bekannt, weil es auftaucht.
Die Ruinen aufgegebener Dörfer haben sich zu einer Touristenattraktion entwickelt. Gerade sind sie wieder zu sehen. Doch dieses Atlantis ist bedroht: Wasser und Sonne setzen den Mauerresten zu. Die Anwohner des Edersees versuchen auf unterschiedlichen Wegen, die Dorfstellen zu erhalten.
700 000 Übernachtungen und drei bis vier Millionen Tagesgäste registriert man jährlich am Edersee. Die meisten kommen wegen des Wassers. Die Pegelstände sind ein Politikum: Der Edersee soll die Weser-Schifffahrt sichern. Doch das Ablassen des Wassers ist ein Nachtteil für den Wassersport. Touristiker und Gemeinden der Ferienregion hätten daher lieber einen vollen See. "Unsere Marke ist der Edersee", sagt Claus Günther, Geschäftsführer der örtlichen Touristic GmbH.
Doch wenn im Sommer die Pegel sinken, tauchen die Ruinen der alten Dörfer Berich, Asel und Bringhausen auf. Sie mussten nach dem Bau der Staumauer 1912 aufgegeben und verlegt werden. Die Dörfer sind eine Attraktion, die für den See vielleicht immer wichtiger wird: "Wenn sich die Klimasituation vor Ort mit wenig Niederschlägen so weiterentwickelt, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit dem Thema umgehen", sagt Günther.
Die Überreste sind unterschiedlich gut erhalten. Die alte Brücke bei Asel ist in hervorragendem Zustand und das Wahrzeichen des Edersee-Atlantis. Östlicher in Bringhausen erinnern nur alte Gräber an die Bewohner. Eine Sonderstellung nimmt Berich ein. Hier versucht seit 2012 ein Förderverein, das Rad der Zeit zurückzudrehen.
"Wir haben uns vorgenommen, die Grundmauern Stück für Stück wieder aufzubauen", sagt der zweite Vorsitzende Uwe Neuschäfer. Während alte Stützmauern ein paar Meter weiter kaum noch zu retten sind, hat der Förderverein zum Erhalt der Dorfstelle Berich die Konturen von vier Gebäuden einen halben Meter hoch aufgemauert. Möglich sei das nur, weil dort eine Tauchzone sei.
Denn grundsätzlich gilt: Die Funktion als Stausee gehe vor, erklärt das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt in Hann. Münden. Das Amt vertritt den Bund, dem der Grund des Sees gehört. Und dort sieht man vor allem die Sicherung der Schifffahrt als Aufgabe - und nicht die Rettung alter Ruinen.
Dabei sind es auch die Finanzen, die die Möglichkeiten der Ruinenretter einschränken: Der kleine Förderverein zehrte von einer EU-Förderung. Bald sei die aufgebraucht. "Dann können wir nur noch so viel machen, wie wir Geld bekommen", sagt Neuschäfer.
Einen ganz anderen Ansatz hat man in der Gemeinde Edertal. Eine Archäologiegruppe dort will die Dorfstelle Bringhausen virtuell auferstehen lassen. Geplant sind kleine Boxen auf dem Seeboden, die man mit Handy oder Tablet abwandert. Dank spezieller App könnten dann Bilder, Filme und Texte über die alten Gebäude auftauchen. Momentan suche man noch Geldgeber, sagt Heinz Hilberg, der die Idee mitentwickelt. Deshalb soll es im Herbst erstmal analog losgehen. Durchsichtige Infotafeln sollen den alten Ort sichtbar machen.
Die Ruinen, die bisher in den Sommermonaten eine Attraktion waren, könnten künftig auch im Winter eine größere Rolle spielen. Durch den Wassermangel gab es Anfang des Jahres einen selten Anblick: Schnee auf den Ederseeruinen. © dpa
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