Andreas Dirr denkt nach. Als CARAVANING telefonisch angefragt hatte, ob Fendt bereit wäre, Details zu offenbaren, die typisch sind für die Caravans des Hauses, ließ die Antwort nicht lange auf sich warten. Jetzt hadert der technische Geschäftsführer doch ein bisschen. Wie tief will er Redakteur und Kamera blicken lassen? Was muss geheim bleiben, um vor allem Wettbewerber nicht schlauer zu machen als nötig? Die anfängliche Skepsis verfliegt zwar schnell, trotzdem bleiben einige Bereiche und Details geheim.

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Typisch für Fendt-Caravans

  • Der obere Teil der Bugverkleidung besteht bei allen Fendt aus LFI. Beim "Long-Fibre-Injection"-Verfahren werden lange Glasfasern und flüssiges PU maschinell in eine Form gespritzt und gebacken. Das Material glänzt, ist sehr robust und bruchfest.
  • Standard: stabile Schürzen mit integrierten, flachen Seitenmarkierungsleuchten.
  • Gleicher Look und Aufbau für alle Modellreihen. Einzig der Diamant hat ein etwas anderes Dekor und eine vollverkleidete Rückwand.
  • Positionsleuchten mit integriertem Bremslicht.
  • Hammerschlag-Aluminium ist alternativlos. Auch an der EPS-Dämmung, Holzleisten und dem Holzboden hält Fendt fest.
  • Voll-LED-Rückleuchten mit unverwechselbarer Lichtsignatur sind ein Markenzeichen und bei allen Modellen gleich.
  • Tiefer Türausschnitt mit integrierter, abgesenkter Einstiegsstufe und Haltegriff innen.
  • Kurbelstützenverlängerungen bis zur Heckschürze – praktisch und typisch.

Die Produktion

Die Tour beginnt im Lager, wo, akkurat drapiert und sortiert, jene Teile bereitstehen, die nicht im Hause gefertigt werden. Und auch wenn sich Matratzen, Kühlschränke, Fenster & Co. türmen, ist dieser Vorrat am Ende jeden Tages fast aufgebraucht bzw. "durchgeräumt", wie es Dirr formuliert. Täglich rollen etliche Lkw aufs Werksgelände und sorgen für Nachschub. Damit das schnell und mit dem kleinstmöglichen CO2-Fußabdruck geschieht, setzt Fendt, wo immer möglich, auf Lieferanten und Produkte aus der Nähe.

Die ersten Beispiele lagern zu Tausenden in Schütten und Körben: diverse Winkel und Halter aus Kunststoff, hergestellt in der Region. Auch 90 Prozent der Aufkleber kommen aus Augsburg, die Eingangstüren werden am Bodensee gefertigt. Doch am europäischen Ausland und Asien kommt auch Fendt nicht vorbei, weil viele technische Geräte dort hergestellt werden.

Nach Holz duftet es einen Gang weiter. Hohe Stapel großer Sperrholzplatten und Bretter liegen dort, bereit für die Weiterverarbeitung zu Möbelkorpussen respektive Latten. Tatsächlich wird bei Fendt noch selbst gehobelt, gefräst und gesägt. Die Latten werden dann teilverzapft, um daraus mit Leim und Klammern Tür- und Klappenrahmen sowie Holzverstärkungen für die Sandwichwände zu bauen. In der hohen Fertigungstiefe sieht Dirr einen von etlichen wichtigen Bausteinen für verlässliche Qualität.

Mit den 650 Kubik Spänen jährlich wird die 2,38 Megawatt starke Heizung befeuert. Die Möbelklappen kommen von außerhalb, jedoch aus der Familie: Sie werden von der Formlight GmbH produziert, die, wie Fendt, zum Hobby-Imperium gehört. Fertig angeliefert werden auch die Bodenplatten sowie die gebogenen Rahmenstrukturhölzer aus 16-lagigem Baufurniersperrholz, die dem Bug seine Form geben. Typisch Fendt ist, dass alle Baureihen dieselbe Aufbauform und -konstruktion haben.

Plötzlich zischt es von oben, und von der Decke schweben feine Nebelschwaden herab. Dirr erklärt, dass in regelmäßigen Abständen Wasser zerstäubt wird, um die Luft zu befeuchten, die vom Holz sonst ausgetrocknet würde. "Seitdem werden weniger Mitarbeiter krank, und das Holz verzieht sich nicht mehr", sagt Dirr.

Die Fertigung von Sandwichwänden

Typisch für Fendt ist auch das Festhalten an Sandwichwänden mit Hammerschlag-Alu, Holzeinlegern und EPS-Dämmung, was Dirr leidenschaftlich verteidigt. Er geht zu einem Styropor-Stapel, nimmt eine Platte herunter und bricht ein Stück ab. Dabei zeigt er die glatte Oberfläche und die feinkörnige Struktur, deretwegen kein Kleber in Vertiefungen versickert und weniger Wasser eindringen soll; maximal 14 Prozent soll es aufnehmen.

Beim Möbelbau deutet Andreas Dirr auf die Ausfräsungen für die Eckverbinder. Die werden in sogenannter Schwalbenschwanzform ausgeführt, wodurch die Kunststoffteile auf Zug belastbar sind und nicht mehr ausreißen können. Neu ist die Anlage, die Schraub- bzw. Topfverbinder in Möbelteile eindrückt. Bisher mussten eine Million der Kleinteile jährlich von Hand eingeschlagen werden. Eine eigene Maschine hat Fendt zum Biegen der Alu-Kantenprofile des Aufbaus erfunden. Exakt modulierter Druck über profilierte Rollen vermeidet Weißbruch und macht die Leisten stabiler.

Anders als bei den meisten Herstellern werden die Wände an die Bodenplatte geschraubt, noch bevor die Möbel eingebaut werden. Dabei schützen eingehängte Traversen sie vor dem Umfallen. Die Rückwände der Dachstauschränke bestehen aus einem außen Polypropylen-beschichteten Material namens Woodstock. Kondenswasser kann ihm nichts anhaben, und auch Schimmel hat auf der glatten Oberfläche keine Chance. Ein Merkmal aller Fendt ist die obere Bugmaske aus LFI: Die Mischung aus Glasfasern und PU deckt das Sandwich oberhalb des Bugkastens ab. Das Material ist hochglänzend und hält viel aus. Es gäbe noch viel zu erzählen – aber: Sie ahnen es, die Konkurrenz schläft nicht.

Das Unternehmen

1970 übernehmen die Gebrüder Fendt aus Marktoberdorf die Landmaschinen- und Caravanfabrik Lely-Dechentreiter in Asbach-Bäumenheim. Unter der Regie der Xaver Fendt GmbH & Co. fortgesetzt wird nur der Bau der Lely-Caravans. 1988 startet die Fertigung von Wohnmobilen. Nach der Übernahme von Fendt durch den amerikanischen AGCO-Konzern (Traktoren von Fendt, Massey Ferguson und Valtra) 1997 erfolgt ein Jahr später der Verkauf der Wohnwagen-Sparte an das Hobby-Wohnwagenwerk in Fockbek. 2001 wird das neue Werk der Fendt Caravan GmbH mit zwei, heute drei Produktionsstraßen in Mertingen in Betrieb genommen. Das Hauptgebäude selbst entworfen hat Hobby-Gründer Harald Striewski, der bis heute als Geschäftsführer firmiert.

Im Geschäftsjahr 2022/2023 fertigte Fendt mit 865 Mitarbeitenden rund 9.600 Caravans. 51,5 % der Produktion wurden exportiert. Der Umsatz betrug rund 236 Mio. Euro, davon werden laut Hochrechnung (Stand Juni 2023) 46,8 % im Inland und 52,2 % im Ausland erwirtschaftet. Dass der Auslandsanteil beim Umsatz höher ist, liegt am starken französischen Markt, in den Fendt vor allem hochpreisige Caravans absetzt. Außer in Frankreich und Deutschland werden Fendt-Caravans in Belgien, Chile, China, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Island, Israel, Italien, Japan, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Süd-Korea, Tschechien, Türkei und in der Ukraine verkauft.

Die Nummer eins aufgrund der höchsten Marktanteile (August 2022 bis April 2023) ist Fendt in Frankreich (1.542 Caravans, 30,1%) und in den Niederlanden (919 Caravans, 20,7%). In Deutschland konnte Fendt im gleichen Zeitraum 2356 Fahrzeuge absetzen, was 15,7% Marktanteil und den 2. Platz in der Statistik bedeutet.

Die Menschen hinter Fendt

Hans Frindte, 63, Kaufmännischer Geschäftsführer

Als Verkaufsleiter in großen Caravan-Handelsunternehmen hat Hans Frindte etliche Jahre aus erster Hand mitbekommen, was Kunden wollen. 2015 wechselte er die Seiten und ging zu Fendt. Dort verantwortete er ab Juni 2015 die Bereiche Vertrieb, Produktmanagement, Marketing und Kundendienst. Schon ein halbes Jahr später stieg er zum Geschäftsführer auf. Auch wenn er, gerne in Italien, diverse Modelle ausgiebig testet, ist sein Lieblingswagen der Bianco Activ 515 SGE.

Leo Berchtenbreiter, 56, Leiter Entwicklung und Konstruktion

Seit dem 18. Lebensjahr ist Berchtenbreiter aktiver Camper, zunächst mit Motorrad und Zelt. Schon seit 1994 arbeitet der Tüftler, dessen Credo "es muss halten und leicht zu bedienen sein" lautet, bei Fendt-Caravan. Seit 2014 ist er Entwicklungschef. Sein Lieblingsmodell ist immer das neueste, weil "viel Herzblut" drinsteckt. Ansonsten liebt er es "kompakt mit viel Raumblick", so wie beim Bianco 445 SFB.

Andreas Dirr, 52, technischer Geschäftsführer

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Dirr ist gelernter Schreiner und hat sich in einem Studium zum Holzingenieur weitergebildet. Nach sieben Jahren in der Zulieferindustrie kam er vor zwanzig Jahren als Assistent des Produktionsleiters zu Fendt, bevor er zum Produktionsleiter und 2018 zum Geschäftsführer berufen wurde. "Einen Fendt macht weniger ein einzelnes Detail als die Summe vieler guter Ideen aus", sagt Dirr, dessen Lieblingsgrundriss der 465 TG ist.  © Caravaning

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