Die Show ist nicht von schlechten Eltern. Höher und höher und noch höher hebt sich die Oberschale der Haube überm Fahrerhaus, während die Pumpe das Alkovenzelt deutlich hörbar mit Luft füllt. Etwas mehr als einen Meter Höhe machen die Wände des Balgs. Dass sie sich nicht aufblähen wie ein Ballon, liegt daran, dass Innen- und Außenbahn von einem innenliegenden Gewebe zusammengehalten werden. Der ganze Vorgang dauert rund 90 Sekunden, kommt dem, der innen stets den Knopf gedrückt halten muss, aber länger vor.
Lyseo Gallery TD 689 G
- Grundpreis ab: 94.790 Euro
- Länge/Breite/Höhe: 6,90/2,30/2,99 m
- Zul. Gesamtgewicht: 3.850 kg
- Gurte/Schlafplätze: 4/2
Erstes Aufblasen des Alkoven
Egal, man muss das Spektakel gesehen haben, und deshalb probieren wir’s gleich ein paar Mal aus. Zu Testzwecken natürlich und auch nicht ohne ein, zwei Zwischenfälle. Das Fahrzeug sollte möglichst optimal ausnivelliert stehen; sonst flutscht die Oberschale beim Absenken nicht wieder exakt in die untere Aufnahme.
Nicht weniger sehenswert ist die Expansion von innen. Zwar lässt sich das Bett nur mit aufgeblasenem Alkoven nutzen, doch dabei entstehen fast 1,2 Meter Kopfhöhe über der Matratze. Das ist beeindruckend großzügig und wird noch unterstrichen von dem riesigen Dachfenster, das die Mansarde mit Licht flutet. Es lässt sich öffnen und daher ist es akzeptabel, dass die beiden licht-, aber nicht luftdurchlässigen Folienseitenfenster zubleiben.
Und wie steht’s um die Isolierung in der kühleren Jahreszeit? Das Luftvolumen im Zeltbalg sorgt für eine gute Dämmung. An den Übergängen – der Balg besteht aus drei Kammern – und rund um die Fenster mit den wattierten Verdunklungslappen, wo der Stoff einlagig ausgeführt ist, bleiben Wärmebrücken. Ob sich da bei Frost Kondenswasser oder Reif bilden, ist zum Testzeitpunkt im Spätherbst nicht rauszufinden. Davon abgesehen wird’s durch die gezielte Beheizung muckelig warm in dem Bett unterm Sternenhimmel. Noch gemütlicher wär’s freilich, wenn Decke und Seitenwände anschmiegsamer und nicht gar so plastikhaft rüberkämen.
Auf 1,96 Meter Länge und 1,48 Meter Breite haben zwei Personen komfortabel Platz. Zudem ist die Matratze, obwohl nur mit einem Abstandsgewirke unterlüftet, sehr bequem. Zwei Andockpunkte für die Bürstnereigenen Schirmlämpchen – am besten gleich mehrere bestellen! – gibt es auch, dazu USB-Buchsen, eine riesige Ablage (1,18 x 0,63 m) und einen Lichtschalter. Der ist wichtig fürs Hoch- und Runterkommen, denn er beleuchtet die Stufen der Aufstiegstreppe.
Keine Leiter wohlgemerkt! Eine richtige Treppe mit fünf großen Stufen und einem massiven Bügelgriff an der Wand zum Festhalten, die darüber hinwegtrösten können, dass man zum Austreten einen kleineren Ausflug ins Erdgeschoss unternehmen muss.
Sitzgruppe und Küche
Man passiert dabei die Sitzgruppe, die – von der optionalen, intensiv duftenden Lederpolsterung abgesehen – keine Besonderheiten aufweist: großer Tisch, bequeme Eckbank und leicht drehbare Pilotensessel. Nicht weniger, nicht mehr.
Das Zentrum des Wagens nimmt fast komplett eine sehr aus-, um nicht zu sagen einladende Küche mit außerordentlich viel Arbeits- und Abstellfläche ein. Links vom Dreiflammkocher bleibt üppig Platz zum Schnippeln. Die Abdeckung der Rundspüle lässt sich ausdrehen und ragt stabil ein gutes Stück über die Arbeitsplatte hinaus, schränkt aber auch den Zugang zum Becken ein wenig ein.
Auf dem Tresen lassen sich Sachen zwischenlagern, Geschirr zum Tischdecken beispielsweise. Die Beleuchtung des Kochbereichs ist so schick wie funktional. Stauraum gibt es reichlich, darunter zwei riesige Hängeschränke für leichtere Sachen, eine kleine Besteckschublade und mehrere stabile Auszüge; allerdings keinen Schrank, der breit genug für eine große Pfanne wäre. Der Kocher zündet wie der optionale Gasherd elektrisch. Ein Kompressor kühlt bis zu 136 Liter Kühlgut. Eiscremeliebhabern schlägt das Herz angesichts des 15-Liter-Frostabteils höher.
Viel Platz im Raumbad
Barrierefrei geht es ins angrenzende Großbad im Heck. Die Schulter- und Ellbogenfreiheit ist sehr erfreulich. Bei geschlossener Rollotür genießt man für die hygienischen Angelegenheiten opulente Privatsphäre und kommt auch ans Toilettenpapier gut ran. Um Waschbecken und große Spiegel bieten sich mehrere Schränke und Ablagen an. Für ein paar Haken für Handtücher, Waschbeutel und Co. wäre man indes dankbar. So darf der handwerklich begabte Eigner diese Optimierung noch selbst übernehmen.
Bei dem Platzangebot wundert man sich, dass die Dusche nicht noch größer ausfällt. Nicht dass sie klein wäre, und gut nutzbar ist sie dank rechteckiger Grundfläche allemal. Aber stabilere Menschen würden sich sicher ein paar Zentimeter mehr Luft um die Hüfte wünschen; erst recht, wenn die Seife mal runterfällt.
Die Stufe in der stabil unterfütterten, mit zwei Abläufen versehenen Duschtasse stört kaum. Die zwei Plexiglasflügel schließen dicht, Spritzschutz und Verfugung sind tadellos. Die Brause lässt sich hoch genug über dem Kopf fixieren. Eine herunterklappbare Kleiderstange gibt es ebenso, falls man beim Spaziergang mal von einem Regenschauer überrascht wird und die tropfnassen Sachen gern irgendwo aufhängen möchte, wo Feuchtigkeit keinen Schaden anrichten kann.
Genügend Zuladung trotz Mehrgewicht?
In Sachen Stauraum bleibt der Gallery 689 G nichts schuldig. Das reichliche Angebot beginnt mit dem Wandschrank im Heck, der nicht nur richtig breit und beispielhaft beleuchtet ist, sondern auch praktisch eingerichtet: Kleiderstange, Ablagen ringsum, zwei große Schubladen für Wäsche, Socken, T-Shirts, Jeans und vieles mehr. Doch damit ist noch lang nicht Schluss. Unter der Treppe findet ein weiterer Kleiderschrank Platz sowie eine Reihe weiterer Fächer.
Über der Sitzgruppe hängt noch ein Hängeschrank und im Technik-Doppelboden schlägt Bürstner ein flaches Fächlein für Badelatschen raus. Und – das G im Namen deutet’s an – eine Garage steht im Heck ebenfalls zur Verfügung, die im zentralen Bereich 1,24 Meter hoch und damit prinzipiell gut fahrradtauglich, jedoch nicht sehr breit ist: Mit zwei Bikes muss man schon puzzeln. Spätestens mit Campingstühlen und -tisch wird’s eng. Also doch besser ein Heckträger? Nicht so gut zu nutzen ist das hohe Fach, in das der Heckstauraum auf der linken Seite übergeht. Es gibt zwar einen klappbaren Zwischenboden, aber in dieser Höhe kommt man nicht ohne weiteres dran. Trotz allem, das Stauraumangebot bringt Gallery-Nutzer auch auf längeren Reisen nie in Verlegenheit.
Entwarnung auch in Sachen Zuladung. Mit Blick auf das Mehrgewicht durch den Aufstell-Alkoven wird der Gallery grundsätzlich mit mindestens 3,85 Tonnen Gesamtgewicht ausgeliefert. Doch weil man damit eh über die 3,5 Tonnen rutscht, drängen sich das Maxi-Chassis und die damit verbundene Auflastung förmlich auf. 4.250 oder 4.400 Kilo – beide Varianten kosten gleich viel: 2.200 Euro. Nimmt man die höhere Gesamtmasse, bleiben beim Testwagen üppige 960 Kilo.
Wie Fährt sich der neue Lyseo?
Technisch bleibt der Gallery trotz des hohen Preises in einigen Bereichen in der Einsteiger- und Mittelklasse stecken. Schon couragiert, bei fast 95.000 Euro Grundpreis für Rahmenfenster und den frostgeschützten Abwassertank eine Extragebühr zu verlangen. Dach und Boden hüllen sich in GfK, die Wände sind nur mit dem einfachen EPS-Schaum gedämmt. Die Verarbeitung des Testfahrzeugs aus der Nullserie bleibt in einigen Ecken hinter unserer Erwartung zurück. Dass manche Ausstattungsdetails, die eigentlich unentbehrlich sind, wie Fahrerhaus-Verdunkelung und Pilotensitze, extra kosten, überrascht weniger, denn das ist übliche Kosmetik.
Andere Punkte gefallen wiederum schon im Serienzustand: die Einhandbedienung der Garagentüren, der breite Einstieg mit Ablagen und gleich mehreren soliden Griffen, nicht zuletzt auch die Dichtigkeitsgarantie von zehn Jahren. Bordtechnisch ragt nichts besonders heraus. Die Wassertankvolumina sind eher durchschnittlich. Weil die Pumpe für den Alkoven und der Kühlschrankkompressor eher mehr als üblich Strom verbrauchen, würden wir zu einer zweiten 95-Ah-Bordbatterie oder einer – allerdings viermal so teuren – Lithiumbatterie raten. Steckdosen sind in jedem Wohnbereich vorgesehen.
An den Fahrleistungen gibt es nichts zu monieren. Was auch daran liegt, dass im Testwagen noch der 160-PS-Diesel für Vortrieb sorgt. Die Variante hat Fiat inzwischen gestrichen, was bedauerlich ist: Der serienmäßige 140-PS-Diesel tut sich mit Aufbauten dieses Kalibers erfahrungsgemäß schwer. Als einzige Alternative bietet sich nur der teure 180-PS-Motor an.
Das Fahrverhalten entspricht dem eines üblichen Teilintegrierten – trotz etwas höherem Schwerpunkt. Heißt: keine ausgeprägte Wankneigung in Kurven, kein markanter Mehrverbrauch, wie bei Alkoven oft zu konstatieren. Weil sich die üblichen Nebengeräusche in Grenzen halten, kann man mit der erschütternd straffen Federung des Maxi-Chassis leben; schließlich resultiert daraus auch eine Sicherheit vermittelnde Verbindlichkeit. Die elektrische Lenkung ist leichtgängig und direkt, mit geschwindigkeitsabhängiger Servounterstützung.
Der Blick auf die Kosten verlangt Differenziertheit. Schon der Grundpreis ist mit 95.000 Euro stattlich. Einige empfehlenswerte Optionen sind weiter unten aufgelistet, darunter das 6.500 Euro teure Harmony-Paket, der 90-Liter-Dieseltank und andere. Reisefertig konfiguriert mit sinnvollen Extras stehen schnell 120.000 Euro auf der Rechnung – selbstbewusst für ein aufbau- und bordtechnisch eher durchschnittliches Modell. Verglichen mit den "normalen" Teilintegrierten in der Lyseo-TD-Baureihe liegt der Gallery – trotz seiner in jeder Hinsicht herausragenden Art – "nur" gut 12.000 Euro teurer. Das dürfte kontaktfreudigen Reisemobilisten der unbezifferbare Showeffekt auf dem Stellplatz durchaus wert sein. Menschen, die lieber für sich bleiben, vielleicht eher nicht, trotz der unbestrittenen funktionalen Vorteile.
Technik für Fortgeschrittene
Wer innovative Lösungen in Serie bringen will, prüft seriöserweise sorgfältig ab, wie sich die Technik in der Praxis und auch in Extremsituationen bewährt. Bis Windstärke 12 (120 km/h) hat Bürstner den aufgeblasenen Alkoven des Gallery malträtiert. Simuliert wurde zudem Schneefall: 0,5 m Alt- und 1 m Neuschnee, was einer Last von 300 kg entspricht. Auch wenn der Geräuschpegel stieg und das Dachzelt ächzte, hielt das System beiden Belastungen stand.
Darüber hinaus sind weitere Sicherungsmaßnahmen eingebaut: Sowohl in die innere als auch in die äußere Schale sind Abläufe integriert, durch die (Tau-)Wasser abfließen kann, so dass sich keine Lachen bilden. Nach dem Schließen verriegeln zwei motorisch gesteuerte Haken das Dach automatisch und fixieren es in der Unterschale.
Mehrmals beim Aufstellen und Absenken im Testbetrieb schlug der Alarm aber lautstark an. Die Riegel konnten nicht greifen, weil die Oberschale nicht korrekt in die Aufnahme rutschte. Um das künftig zu verhindern, hat Bürstner mittlerweile nachgebessert und eine Zentrierung (Kreise) installiert. Im Test hielt das Dachzelt die Luft viele Stunden, ohne dass die Pumpe nachregulieren musste. Der sogenannte Seitenkanalverdichter (kein Kompressor!) begnügt sich mit 12-Volt-Gleichstrom aus der Aufbaubatterie, so dass das Dach auch ohne 230-Volt-Landstromanschluss aufgestellt werden kann.
Daten und Messwerte
- Auf- und Ausbau: Sandwich-Bauweise, PU-Verstärkungen, außen Alu, Dach/Boden GfK, innen Sperrholz, Isoliermaterial Wand EPS-Schaum, Dach/Boden XPS-Schaum, Wandstärke Wand/Dach/Boden 34/30/40 mm, Doppelboden, Höhe 120 mm, 2 Kunststoff-Isolierfenster mit Alu-Rahmen, 3 Dachhauben, 1 Panorama-Dachfenster.
- Bordtechnik: Gas-Gebläseheizung/Boiler Truma Combi 6 E, 12 Ausströmer (2 x Alkoven, 4 x Sitzgruppe, Einstieg, Küche, 2 x Bad, Abwassertank, Garage), Wasseranlage: Frisch-/Abwasserschläuche, Tauchpumpe.
- Basisfahrzeug: Fiat Ducato Multijet 160, Flachrahmen, Vorderradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2.184 cm3, Leistung 118 kW/160 PS bei 3600/min, Drehmoment 400 Nm bei 1.500/min, Neungang-Automatikgetriebe.
- Fahrleistungen: Beschleunigung 0–50/80/100 km/h 7,7/15,36/22,0 s; Wiederberschleunigung 60–80/100 km/h (Automatik) 5,5/12,2 s, Testverbrauch 10,9 L/100 km.
Preise und Ausstattung
Grundpreis: 94.790 Euro
(Fiat Ducato, Motor 103 kW/140 PS) mit TÜV und Zulassungsbescheinigung II
Testwagenpreis: 129.800 Euro
- ✘ 180-PS-Motor inkl. Automatikgetr. (10/15 kg): 9.190 Euro
- ✘ Harmony Line Paket: 16’’-Alufelgen, el. Außenspiegel, Lederlenkrad u. -schaltknauf, Rahmenfenster, Premium-Aufbautür mit ZV u. Fenster, Fahrerhausverdunkelung, Ambientebeleuchtung, Harmony Design u. a. (40 kg): ✔ 6.500 Euro
- ✘ Fiat Komfortpaket 10 Zoll: el. Parkbremse, 10-Zoll-Navi, digitales Cockpit, autom. Klimaanlage (4 kg): ✔ 4.310 Euro
- Markise, 3,5 m (27 kg): ✔ 1.350 Euro
- 90-Liter-Dieseltank (14 kg): 120 Euro
✘im Testwagen enthalten; ✔empfehlenswert
Das fiel uns auf
(+) Zwei große, praktische Klappfächer gleich neben der Einstiegstür bieten sich für Schuhe an.
(+) Ein Warmluftausströmer und ein perforiertes Heizungsrohr sorgen für eine wirksame Beheizung im Bett.
(+) Fast 65 cm breit und 1,92 m hoch ist die Aufbautür, zentral verriegelt, mit mehreren Ablagen und Mülleimer.
(+) Insbesondere bei Ledersitzen, die im Winter kalt sein können, ist die Sitzheizung (Schalter unten) eine feine Sache.
(-) Offene Verschraubungen unterschiedlichen Stils, mitunter etwas lässige Passgenauigkeit.
(-) Hinter der Klappe verbirgt sich nur der Zugang zum Wassertank – viel Aufwand, wenig Mehrwert.
© Promobil
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