Berlin - Thermalbäder und Thermen gelten als Aushängeschilder der Heilbäder und Kurorte in Deutschland - doch Energiekrise und Inflation haben ihren Betrieb enorm verteuert. Das stellt auch die Kommunen als Träger vor große finanzielle Herausforderungen.
Erste Einrichtungen mussten bereits vorübergehend oder sogar ganz schließen, für weitere dürfte dies bevorstehen. Der Deutsche Heilbäderverband schlägt Alarm und fordert rasche staatliche Hilfen, denn für Tourismus, Wirtschaft und medizinische Versorgung im ländlichen Raum seien Heilbäder von enormer Bedeutung.
Kürzere Öffnungszeiten oder zeitweise Schließungen
Im hessischen Bad Salzhausen beispielsweise hatte kürzlich die Justus-von-Liebig-Therme schließen müssen. Nach schon in der Vergangenheit hohen Defiziten habe man angesichts des rasanten Gas- und Strompreisanstiegs die "Reißleine ziehen" müssen, hieß es von dem Heilbad. Auch die Festspiel-Stadt Bad Hersfeld machte ihre Kurbad Therme zum 1. November vorübergehend dicht - um Gas zu sparen. Ein Wellnessbetrieb auf Sparflamme ist für die osthessische Stadt keine Option. Andere Einrichtungen versuchen, die Kosten durch kürzere Öffnungszeiten oder eine zeitweise Schließung von Saunabereichen zu drücken, so etwa einige Betriebe in Rheinland-Pfalz. Auch in Baden-Württemberg dürfte dies bevorstehen, wie der Heilbäderverband im Süd-Westen erklärt hatte.
Auch mit Preiserhöhungen reagieren manche Anbieter, beispielsweise in Thüringen. Doch das könnte auch Gäste vergraulen, die wegen der Inflationssorgen derzeit ihr Geld zusammenhalten und deshalb vielleicht wegbleiben - so dass die Bäder unter dem Strich auch nicht mehr einnehmen würden, sagt Brigitte Goertz-Meissner, Präsidentin des Deutschen Heilbäderverbandes.
Sie fürchtet eine Abwärtsspirale mit schlimmen Folgen für die Standorte: Wenn Bäder ihre Angebote einschränken oder gar ganz schließen müssen, treffe das auch die Rehakliniken sowie Hotellerie, Gastronomie und den Einzelhandel in den betroffenen Städten. Ein Niedergang wäre dann vorprogrammiert. Nicht zuletzt müssen betroffene Kommunen auch um ihre Prädikate als Heilbäder fürchten.
Wofür stehen die Prädikate Heilbad und Kurort?
Mit der Vergabe der Prädikate Heilbad und Kurort sind bestimmte Qualitätsstandards verbunden. Nur Orte, die in regelmäßigen Abständen eine medizinisch-therapeutische Kompetenz und die kurspezifische Infrastruktur nachweisen, sind berechtigt, diese Auszeichnungen zu führen. Grundvoraussetzung ist das Vorkommen eines sogenannten natürlichen Heilmittels, also einer Heilquelle, Sole, Moor oder Heilklima oder die konsequente Anwendung eines natürlichen Heilverfahrens wie der Kneipp-Therapie.
Liegen diese Voraussetzungen vor, müssen die betreffenden Kommunen an einem so genannten Prädikatisierungsverfahren teilnehmen. Der Leistungskatalog orientiert sich an der jeweils neuesten Ausgabe der "Begriffsbestimmungen - Qualitätsstandards für die Prädikatisierung von Kurorten, Erholungsorten, Luftkurorten und Heilbrunnen", die der Deutsche Heilbäderverband in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tourismusverband herausgibt. Das Verfahren nimmt nach Angaben des Hessischen Heilbäderverbandes mindestens ein Jahr in Anspruch, auch deshalb, weil dabei etwa auch Messungen der Luftqualität vorgenommen werden.
Gesundheitlicher Nutzen der Heilquellen gefährdet
Die Thermen könnten die Wassertemperatur nicht einfach absenken, um Energie zu sparen, weil dann der gesundheitliche Nutzen der Heilquellen verloren gehe, etwa für Rheuma-Patienten, sagte Goertz-Meissner. Bei Thermalbädern kommt das Wasser zwar schon warm aus dem Boden, doch müssen auch die Raumluft in den Bädern sowie Umkleide-, Ruhe- und Therapieräume geheizt werden, um die Wirkung ausschöpfen zu können.
Aus Sicht von Goertz-Meissner müssen deshalb die Gesundheitseinrichtungen der Kurorte dringend von dem geplanten Härtefallfonds profitieren. Bund und Länder hatten beschlossen, aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zwölf Milliarden für Einrichtungen und Betriebe zur Verfügung zu stellen, die kaum Strom und Gas sparen können. Acht Milliarden davon sollen an Kliniken und Pflegeeinrichtungen gehen.
Vor Corona hatten die gut 350 deutschen Heil- und Kurbäder zusammen rund 520.000 Beschäftigte - doch die Zahl sei schon während der Pandemie deutlich geschrumpft, weil der Betrieb zeitweise eingeschränkt werden musste und viele Beschäftigte abwanderten, sagt Goertz-Meissner. Deshalb würden dringend Fachkräfte wie Ärzte und Physiotherapeuten gebraucht - zumal die Rehakliniken zunehmend auch eine wichtige Stütze bei der Versorgung der Long-Covid-Patienten seien, deren Zahl in den kommenden Jahren weiter anwachsen dürfte. Hinzu kämen die vielen Patienten mit chronischen Erkrankungen aller Altersgruppen, aber auch Menschen, die nach Unfall oder Operation wieder auf die Beine kommen wollen. Rehakliniken seien deshalb "systemrelevant" und dürften bei den staatlichen Hilfen nicht erneut außen vor bleiben.
Manche Kommunen können Energiekosten nicht mehr stämmen
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht von einer teils dramatischen Situation. Von Bäder-Schließungen betroffen seien vor allem Kommunen und Betreiber, deren Energie-Lieferverträge auslaufen und die neue Verträge zu teils exorbitant gestiegenen Preisen abschließen müssten. Das habe auch negative Auswirkungen etwa für das Schulschwimmen, die Vereine oder auch Programme für Senioren und Seniorinnen.
"Deshalb ist es wichtig, dass alle kommunalen Verbrauchsstellen unter den Strom- und Gaspreisdeckel fallen", so der Verband. Auch er verlangte, dass betroffene Kommunen und ihre Einrichtungen in die Härtefallregelung und Hilfsprogramme einbezogen werden. "Bis zum Ausbruch des Ukraine-Krieges hatten die Kommunen insgesamt Energiekosten von rund 5 Milliarden Euro im Jahr. Die drohen sich nun zu vervielfachen, alleine das zeigt den enormen Kostendruck auf die Städte und Gemeinden."
Hotellerie steht vor den selben Problemen
Die Hotellerie ist ebenfalls besorgt über die Lage - zumal die Betriebe selbst mit hohen Kosten zu kämpfen haben, wie Tobias Warnecke, Geschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland, deutlich macht. Derzeit arbeiteten sie intensiv an Lösungen, um die kalten Monate wirtschaftlich zu überstehen, etwa mit umfassenden Investitionen in Energiesparmaßnahmen. "Das allein wird aber nicht ausreichen, um die gigantisch gestiegenen Energiekosten zu kompensieren", sagt Warnecke.
Erschwerend kämen die immer höheren Einkaufspreise bei Lebensmitteln und steigende Personalkosten hinzu. Eine aktuelle Dehoga-Umfrage zeige, dass sich ohne Entlastung 18,5 Prozent der Betriebe zur Aufgabe gezwungen sähen. Die Politik müsse daher jetzt liefern und Energiesicherheit für den Winter gewährleisten. "Es wäre völlig inakzeptabel, wenn einzelne Betriebe oder ganze Branchen in den Winterschlaf geschickt werden müssten", so Warnecke. © dpa
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