Neuzelle - Mit Handschuhen und Gartenscheren arbeitet sich rund ein Dutzend Helfer durch die Reihen mit Weinstöcken auf dem Scheibenberg in der Klosteranlage Neuzelle. Nach und nach landen immer mehr üppige gelbe Trauben in bereit stehenden Kisten.

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"Das wird eine gute Ernte in diesem Jahr, dafür haben wir aber auch viel getan", sagt Cornelia Schwarz, Vereinschefin des gemeinnützigen Kloster-Winzer e.V. Zielgerichtet sei gedüngt, Laub herausgenommen und ausgegeizt worden: Zwischentriebe mussten entfernt werden, damit die Kraft der Weinstöcke in die Trauben geht.

Die Neuzeller Hobbywinzer hatten vor 20 Jahren damit begonnen, den Weinanbau wieder zu beleben, der einst von Zisterzienser-Mönchen in der einstigen Klosteranlage im Landkreis Oder-Spree begründet worden war. Die Anlage des 1,3 Hektar großen Weinbergs auf einer ehemaligen Streuobstwiese war damals eine Kompensationsmaßnahme für Bodenversiegelungen und Rodungen im Zuge der Sanierung der Neuzeller Klostermauer.

Bewahrung von Traditionen

"Bei der Wiederherstellung und Erhaltung der Klosteranlage geht es nicht nur um den Erhalt von Gebäuden, sondern auch um die Bewahrung von Traditionen", sagt Norbert Kannowsky, Geschäftsführer der Stiftung Stift Neuzelle. 1763 war das Kloster Neuzelle seinen Angaben nach mit sieben klösterlichen Weinbergen auf über 16 Hektar Anbaufläche der größte Weinproduzent östlich der Elbe.

Inzwischen wird diese Tradition einige Nummern kleiner gepflegt: Insgesamt 420 Rebstöcke stehen auf dem Scheibenberg. Zwei Weißweinsorten und der rote "Regent" waren bereits Anfang September geerntet worden. Jetzt sind die späteren Sorten dran - "Aron" und "Muskat".

Schwarz zerdrückt eine Traube auf dem Refraktometer, einem kleinen Gerät ähnlich einer Taschenlampe, und blickt hindurch. "81 Grad Oechsle Zuckergehalt", meint die Vereinschefin zufrieden. Das eigentliche Aroma und auch der Zucker sitzen hinter der Schale, erklärt die 64-Jährige.

Sie sei fasziniert und erstaunt, dass sich das Winzern tatsächlich erlernen lasse, sagt Schwarz, die hauptberuflich als Abteilungsleiterin im Arcelor-Stahlwerk Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) arbeitet. "Die Mönche wussten schon, warum sie bis 1840 hier Wein anbauten.

Der Wind muss die Rebstöcke umspielen und es muss sonnig sein." Der vergangene Hitzesommer habe es den 22 Neuzeller Hobby-Winzern jedoch nicht leicht gemacht, sagt sie. "Gerade in der Wachstumsphase bedeutet Hitze für die Weinstöcke puren Stress. Wir haben zwar kaum faulige Trauben, dafür hatten einige Sonnenbrand", erzählt sie.

Wein von guter Qualität

Der Ertrag liegt bei rund 750 Kilogramm Trauben oder 850 Flaschen Wein. "Da wir alles von Hand pflücken, dabei schlechte oder faulige Trauben aussortieren, ist unser Wein so gut", ist Schwarz überzeugt. Das bestätigt auch Matthias Jahnke, der mit seinem Bruder und zwei Freunden das Weingut Patke mit Anbauflächen in Pillgram (Oder-Spree) sowie Frankfurt (Oder) betreibt.

2017 hatten die Neu-Winzer zudem das Weinbaugebiet rings um Guben (Spree-Neiße) übernommen. Dazu gehört eine alte Gutscheune in Grano, die vom Förderverein Niederlausitzer Weinbau e.V. zu einer Schaukellnerei umgebaut worden war.

Dort werden auch die Neuzeller Trauben verarbeitet - also vom Stiel getrennt und "angeschlagen", damit sich der Saft während der Maische in den Gärbottichen leichter löst. Anschließend wird gepresst und gekeltert. "Fruchtig-floral, ordentlich in der Qualität und vollmundig", beschreibt Jahnke den Wein der Neuzeller Hobby-Winzer.

Den Neuzeller Wein verkosten

In den Genuss der nicht-kommerziellen Ernte kommen Besucher der Neuzeller Klosteranlage- entweder in der Tourist-Information oder direkt bei den Winzern. "Wir machen rund 40 Weinberg-Führungen im Jahr. Anschließend gibt es in unserem Winzerhaus eine Verkostung", sagt die Vereinsvorsitzende.

Die Nächste Gelegenheit, den Neuzeller Wein zu verkosten, bietet sich beim Klostergartentag am 1. Oktober. Der stammt aber noch aus der Ernte im vergangenen Jahr. Der jetzt gelesene Wein kann erst im Frühjahr 2023 gekostet werden.

Nach Ansicht von Birgit Kunkel, Sprecherin der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH, ist das Kloster Neuzelle eines der bedeutendsten kulturtouristischen Schätze Brandenburgs. Zudem sei die Bewirtschaftung und Traditionspflege des Scheibenberges in Neuzelle ein gutes Beispiel ehrenamtlichen Engagements, sagt sie.

Wichtig sei das Gemeinschaftsgefühl unter den Neuzeller Winzern, meint Vereinsmitglied Rainer Päschke. "Ich trinke gern guten Wein und brauche im Garten immer etwas zu tun", erzählt er schmunzelnd. Auf dem Scheibenberg ist dafür gesorgt: Mitte Februar beginnt das Weinjahr mit dem Beschneiden der Gehölze. Im März werden die Ruten fixiert, an denen die Trauben wachsen sollen. Weiter geht es mit Pflege und Düngen bis zur Ernte im Herbst.

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