Von vorn erkennt selbst der Laie auf den ersten Blick, dass dieser imposante Würfel ganz klar ein "G" ist, Kind einer sehr fruchtbaren Kooperation zwischen Mercedes-Benz und dem österreichischen Steyr-Daimler-Puch-Konzern. Je nach Zielgruppe und -markt erhielt der "Geländewagen" den Stern oder das Puch-Emblem. Auf die technischen Talente hat dies keinerlei Auswirkungen, die sind ohnedies legendär.
Vom Armeefahrzeug zum Wohnmobil
Das macht den Allradler auch zum Multifunktionsfahrzeug, wie es das Militär liebt, und auch Melisas Kraxler "hat gedient", schmunzelt sie, "das war mal ein Funkwagen, im Einsatz der Schweizer Armee", führt sie aus. Deutliche Hinweise hierauf sind der Benzinmotor und die Automatik, denn andere Armeen, wie das österreichische Bundesheer, orderten vor 30 Jahren den Diesel mit Schaltung. Ein zweiter Hinweis ist die exzellente Rostvorsorge. "Bis heute bestehen die Eidgenossen auf einer Hohlraumversiegelung der gelieferten Fahrzeuge. Das erklärt, neben akribischer Wartung, auch den meist außerordentlich guten Erhaltungszustand vieler Fahrzeuge aus Schweizer Armeebeständen, die nun oft mit einer eher geringen Laufleistung in den Zivilmarkt verkauft werden."
Der Held unserer Geschichte hat erst 84.000 Kilometer auf der Uhr, "gefunden habe ich ihn eher zufällig in Österreich". Schon der Vorbesitzer baute den Wagen zum Camper um, "hatte aber unvollendet aufgehört", berichtet Melisa. "Bei Regen stand Wasser im Alkoven, Fahrer- und Beifahrerfußraum wurden überflutet."
Ausbau zum Camper
So flossen noch einmal viele Stunden in den Camper. Es entstand ein kompaktes, pragmatisches und ganzjahrestaugliches Allrad-Reisemobil mit echten Nehmerqualitäten und feiner Optik. "Die Standheizung, Pflicht für einen gemütlichen Wohnbereich, blies leider auch in den Innenraum Abgase und klang wie ein Düsenjet." Eine gasdichte Neumontage und ein Schalldämpfer sorgten für Sicherheit und Ruhe.
"Den Funkerkoffer durch einen geräumigen und doch leichten Alkovenaufbau zu ersetzen, war die gute Idee und Ausführung des Vorbesitzers": 25 Millimeter messende GfK/XPS-Platten sorgen für ordentliche Isolierung und Stabilität. Drinnen können Menschen mit 180 Lebendzentimetern stehen, es gibt eine Küchenzeile, Sitzplätze und Tisch und oben ein ausziehbares, großes Bett. "Das alles auf 4,6 Meter Länge, das ist schon eine Leistung", meint Melisa. Indes baut der Camper nun auch 2,6 Meter hoch, "ab Tempo 100 merkt man, wie der vorstehende Alkoven ihm Flügel verleiht und die Vorderachse leichter wird", stellt sie fest. "Mich stört das nicht. Der ist ja mit seinen 116 PS ohnehin kein Rennwagen, schwimmt auf der Autobahn lieber mit den Lkw mit und ist gleichzeitig auch ein Reisemobil fürs Grobe."
Und das ist wörtlich zu verstehen: Dank zweier Sperren und ordentlicher Bodenfreiheit meistert der mit seinen 2,2 Tonnen nicht zu schwere G auch Pisten, an die Besitzer manches SUV nicht einmal zu denken wagen. Zudem baut der Grazer mit nur 1,8 Metern vergleichsweise schmal, auch dies hat Vorteile im Gelände. Reisende müssen auf nichts Wichtiges verzichten, der Camper ist voll ausgestattet, sogar eine Außendusche wurde realisiert, sinnig für heiße Tage. "Um die auf unseren fest eingeplanten Fahrten in den Süden besser zu ertragen, werde ich demnächst noch eine Klimaanlage einbauen." Zwei 200 Watt leistende, auf dem Dach aufgeklebte Solarmodule schaufeln fleißig Strom in die insgesamt vier Batterien.
"Die Bordspannung liegt, wie bei Armee-Fahrzeugen üblich, bei 24 Volt", erklärt Melisa, zwei AGM-Aufbaubatterien mit je 90 Amperestunden liefern zusammen ebenfalls 24 Volt. Damit der Saft nie knapp wird, kann die Akku-Phalanx von der Sonne, von der Lichtmaschine und via Landstrom geladen werden. "Der fließt über den Defa-Miniplug ins Auto", erläutert die Eignerin. Gleich zwei der kleinen Stecker sind an der Front verbaut: "Der zweite ist für die elektrische Motorvorwärmung."
Alles klar, kalt muss der "M102" nicht starten. Der Benziner schöpfte in seinem zivilen Leben 125 PS aus 2,3 Litern Hubraum, für den Einsatz im Tarnkleid wurden Verdichtung und Leistung indes etwas niedriger gewählt. "Trinkfest ist er auf jeden Fall", so die Camperin, "gönnt sich mindestens 15 Liter Super – obwohl er mit Billigfusel auskäme."
Das liegt natürlich auch am Alkoven, der wie ein Bug in die Welt ragt – innen aber auch ein formidables Bett offeriert. 210 auf 155 Zentimeter misst die faltbare Kaltschaummatratze mit eingebauter Unterlüftung und weichem Topper. "Das ist größer als mein Bett zuhause, guter Schlaf ist hier garantiert", meint Melisa und krabbelt flugs in die Höhe. "Ist einfach ein Super-Auto", meint sie zum Schluss. "G" kann eben auch für "Grandios" stehen – und nicht nur für "Geländewagen".
Puch G Geländecamper
- Baujahr: 1990
- Motor: M 102 (niedrig verdichtet): Vierzylinder 2,3 Liter, Einspritzer-Benziner, 116 PS, 170 Nm
- Getriebe: 4-Gang-Automatik + Untersetzungsgetriebe 2,14:1, Differenzialsperre, zentral + hinten
- Fahrwerk: Starrachsen mit Längslenkern, Schraubenfedern, Zusatzfedern, Teleskopstoßdämpfer
- Reifen: 265/70 R16 (AT)
- Campingausstattung: Alkovenbett (2,1 x 1,55 m), Standheizung (Eberspächer, 2 kW), Kühlschrank (Kissmann, 51 l), 2 x 90 Ah AGM, Landstrom vorne (Defa-Miniplug), 200- Watt-Solaranlage, 60 l Frisch-/40 l Abwasser, Aufbau: GfK/XPS 25 mm, Hochleistungs-Dachantenne, Router und WLAN für digitale Nomaden
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