Kalt war’s, schnell war’s – und ein tolles Erlebnis: Beim Wörthersee Gravel Race "Catch Gralf" warteten 83 knackige Kilometer in traumhafter Kulisse und echte Racing-Vibes auf die Teilnehmer. Unser Autor war mittendrin und berichtet direkt vom Startblock, dem Flow auf den Trails, brennenden Beinen – und vom magischen Finish.

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Prolog

Sonntagmorgen, kurz nach acht Uhr. Blauer Himmel, Sonnenschein, das Thermometer zeigt knackig kalte sechs Grad an, dazu weht ein äußerst kalter Ostwind. Ich stehe im Startblock 6 des Wörthersee Gravel Race "Catch Gralf". 83 Kilometer und 1000 Höhenmeter des Jedermann-Rennens warten auf mich. Es ist die kürzere Variante des Rennens, auf die ich mich konzentrieren möchte. Es gibt auch eine 130-Kilometer-Runde.

Zwei Tage zuvor

Auf einem Recon-Ride mit Ex-Profi Paco Wrolich erkunde ich zentrale Streckenabschnitte – 2000 Teilnehmer schottern später auf dieser Piste. Schlüsselstellen zu kennen, ist da Gold wert.

Paco führt uns raus aus Velden, vorbei am berühmten Schlosshotel, zu den ersten Gravel-Sektoren. Schmale Pfade mit einem leicht welligen Auf und Ab und auf denen trotz der letzten trockenen Tage noch etwas Matsch zu finden ist. Früh in einer guten Position zu sein, ist entscheidend, denn Überholen ist hier schwierig.

Feld- und Waldwege wechseln sich ab. Mit Vollgas der Drau entlang zeigt sich erstmals das wahre Gesicht der Strecke. "Das wird ein schnelles Rennen werden", ist mein Gedanke. Die noch schneebedeckten Berge im Hintergrund bieten eine wahre Gravel-Traumkulisse in bereits malerisch frühlingshafter Landschaft im Tal.

Eine der Schlüsselstellen: Eine schmale Fußgängerbrücke mit enger Kurve samt Geländer. Wenn hier ein großer Pulk gleichzeitig ankommt, wird es brenzlig – und das Feld reißt auseinander.

Video: Wörthersee Gravel Race 2025

Dann kommt der erste echte Anstieg, der es mit zwei Kilometern und teils 18 Prozent an der steilsten Stelle in sich hat. Dicke, lose Steine erschweren das Fahren. Ich merke mir: rechts ist es besser zu fahren – wenn keiner stürzt. Auf diesem Abschnitt dürfte sich die Spreu vom Weizen trennen.

Nach einem Kaffee-Stopp im Landhotel Rosentaler Hof geht es auf die letzten Kilometer des Recon. Wobei am Ende ein Loop zweimal gefahren werden muss. Für mich steht fest: Die Strecke wird rasant, mit teils anspruchsvolleren Gravel-Segmenten, Schlagloch-bietenden Waldwegen und Körner kostenden Höhenmetern. Mein Ziel: unter drei Stunden zu bleiben. Wir werden sehen …

Race-Day

Kurz vor dem Start. Ich bin nervös – wie immer. Die Uhr tickt. Mein Wunsch: Ich möchte mich von Beginn an möglichst weit vorn im Feld aufhalten.

Tick-Tick-Tick…noch drei Minuten. Ich zupfe unruhig an meinem Trikot und der Windweste. Ein älterer Herr vor mir schlottert vor Kälte. Nicht gut, wenn der Körper schon vor dem Start dermaßen auskühlt. Andere hingegen sind verpackt, als ob tiefster Winter ist.

Noch zwei Minuten. Ich blicke auf die Gravelbikes der Starter um mich herum. Blitzblank geputzte Bikes. Die Ausstattungen mehr High-Cost als Low-Budget. Die Ritzel-Wahl überrascht bei manchen Bikes. Zwar gibt es viele, die mit MTB-Kassette unterwegs sind, jedoch viele Bikes auch mit weniger bergtauglicher Übersetzung.

Eine Minute. Tief Luft holen, Augen kurz zu, volle Konzentration. Aus der Minute werden Sekunden. 3,2,1… Willkommen beim Highspeed-Gravel des Wörthersee Gravel Race.

3,2,1, GO!

Zahlreiche Zuschauer am Start feuern die Starter an, die mit den verschiedensten Ambitionen an den Start gehen. Von den Profi-Fahrern wie Carolin Schiff, Lukas Pöstelberger oder Sebastian Schönberger, die früher im Rahmen der UCI Gravel Series gestartet sind, bis hin zu Kalle aus Schotterhausen, der just for fun auch einmal die Welt des Schotterns erleben möchte. Alle sind sie für einen Tag gemeinsam Stars.

Ich fokussiere mich, gebe Gas, halte mich an den Hinterrädern derjenigen, die weiter nach vorn kommen möchten. Das Avona Callis Gravelbike fährt sich mit den Hutchinson Caracal Race-Reifen richtig flink.

Mit ordentlich Schuss geht es die Straße hinunter und rechts ab auf den ersten Gravelpfad. Der Matsch ist tiefer als beim Recon, der sich durch all die Teilnehmer der vorherigen Starter deutlich vertieft hat. Vollgas ist die einzige Option.

Mir ist jetzt bereits warm. Ich komme schnell in einen Flow. Ein gutes Zeichen. Auf den Wiesenstücken kette ich mich an diverse Hinterräder, um dem Gegenwind zu entkommen. Peu à peu hangele ich mich weiter nach vorn.

Ich habe eine gute Gruppe erwischt. Das Tempo ist jedoch brutal. Ich zucke zusammen, als ich auf den Radcomputer blicke und eine 5 vorn stehen sehe. "Was zum…wie soll ich das bloß durchhalten?", schießt es mir durch den Kopf. Meine Beine wissen ebenfalls nicht, wie ihnen gerade geschieht.

Hier, wo die Sonne seit Tagen fröhlich ihre Strahlen auf die Feldwege wirft, sind wir plötzlich komplett in Staub gehüllt. "Ist ja wie bei der Strade Bianchi" fährt es mir durch den Kopf. Ein Gefühl von Endless Summer-Feeling kommt auf. Die Laune und die Motivation steigen.

Dann kommt der besagte erste Anstieg. Auf der rechten Seite wollen sie alle fahren, da besteht aber keine Möglichkeit nach vorn zu kommen. Also ab auf die linke Seite. Die Watt-Zahlen gehen rauf, die Beine brennen, doch ich komme an einigen Fahrern vorbei.

Ein Fahrer vor mir ist komplett am Limit, kommt ins Schlingern beim krampfhaften Hüpfen über die Steine und muss vom Bike. Ich brülle ihn an: Go, Go, Go!!! Mit letzter Kraft rennt er mit seinem Gravelbike ein Stück vor mir her. Gerade so viel, dass ich mich in einer kleinen Lücke noch durchquetschen kann.

Hinter mir höre ich schweres Atmen. Ein Fahrer hängt an meinem Hinterrad. Das Röcheln in meinem Nacken werde ich nicht los. Oben angekommen, drehe ich mich erstmals um und zolle dem Fahrer mit einem High Five Respekt. Hannes, so sein Name setzt sich zur Revanche in der Ebene, auf der Straße, vor mich und bietet mir seinen Windschatten an. Großartiger Sportsgeist. Kleinigkeiten sind es, die ein tolles Rennen ausmachen und wunderbare Erinnerungen zurücklassen.

Wir plaudern kurz. Ich frage ihn, warum er das Wörthersee Gravel Race mitfährt. Im schönsten österreichischen Dialekt sprudelt es fröhlich aus ihm raus. Er wäre bereits letztes Jahr mitgefahren. Es hat ihm einfach dermaßen Spaß gemacht, dass es Grund ist, dieses Jahr erneut an den Start zu gehen. Das Leuchten in seinen Augen kann ich zwar wegen seiner Sonnenbrille nicht sehen, aber in seiner Stimme ist es deutlich zu hören.

Im rasanten Tempo geht es durch den Wald. Links, rechts, links – zackige Lenkmanöver sind gefordert. Kurz über einer abgesperrten Straße gebrettert und schon verschluckt der Wald die Fahrer wieder. Am Ende eines schmalen Pfades geht es mit noch mehr Dampf eine Straße erneut mit Vollschuss hinunter, um am Fuße des Berges auf einen Schlagloch-Feldweg abzubiegen. Unzählige Trinkflaschen haben sich an diesen Stellen aus den Flaschenhalterungen der Teilnehmer verabschiedet. Sie sind ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Hindernis auf der Gravel-Fahrt ins Glück.

Abschnitte zum Verschnaufen? Fehlanzeige. Gegenwind? Mitten in die Visage des Protagonisten. Wer hier das Hinterrad des Vordermanns verliert, haut die Körner salvenartig raus.

Die Schönheit der Drau und der Bergkulisse nehme ich bei dem wahnwitzigen Tempo gar nicht wahr. Zu sehr muss ich mich auf die Gruppe und den Weg konzentrieren. Am Ende des Pfades geht es nach links weg, doch der Fahrer zu meiner Linken bekommt die Kurve nicht und muss auf die Wiese geradeaus. Somit komme ich ebenfalls nicht um die Kurve. Ich verliere den Anschluss. Die maximal zehn Sekunden Verlust bekomme ich nicht mehr zugefahren, obwohl ich alles versuche. Ich hechle mit 40 km/h einfach nur hinterher.

Auf dem Loop, der bei den 83 Kilometern zweimal befahren werden muss, befindet sich auf einem Hügel eine Versorgungsstation. Schon von Weitem ist dieser Punkt zu erkennen. Doch der Schotterweg hinauf ist ein hinterhältiger Gegenspieler. Der kleine Anstieg sieht nach wenig aus, jede Pedalumdrehung auf losem Geröll ist jedoch eine echte Tortur. Zuschauer in Liegestühlen auf der Wiese schauen sich das Spektakel der Qualen seelenruhig an oder feuern mit voller Inbrunst die Fahrer enthusiastisch an. Die Stimmung ist der eines Radsport-Klassikers würdig.

Trinkflaschen werden den vorbeihuschenden Fahrern angereicht, die das Angebot dankend annehmen. Ich schnappe mir ebenfalls eine Wasserflasche während der Fahrt.

Der Weg in einer Waldschneise mit Lehmboden, Wiese und zahlreichen Unebenheiten ist zäh und kräfteraubend. "Hier muss ich gleich nochmals durch", zuckt es mir durch den Kopf. Doch die anschließende Passage über einen Wurzel-Trail ist dann noch einmal das Genick brechende i-Tüpfelchen zum Schluss. Ohne Rücksicht auf Material und Fahrer krache ich darüber. An vielen Stellen liegen auch hier wieder Trinkflaschen umher.

Das Ziel vor Augen

Dann heißt es durchatmen. Straße, Vollgas und ab auf die erste Durchfahrt über die Ziellinie. Ich zische über das glatte Asphaltband entlang des Wörthersees. Die Zuschauer im Zielbereich jubeln und klatschen. Noch einmal werde ich über die Ziellinie kommen.

Und noch einmal den fiesen Schotterweg hinauf zur Versorgungsstation, noch einmal die Waldschneise, noch einmal den üblen Wurzel-Trail und zum letzten Mal einen fliegenden All-Out in Richtung Ziel.

Jubel, Freude, geiles Gefühl. Die Medaillen werden den Finishern ausgehändigt, strahlende Gesichter überall. Getränke und Bananen stehen zur Verfügung und überall sind staubbedeckte Gravelbikes und Räder zu sehen. Die Fahrer tauschen sich euphorisch über ihre Erlebnisse aus. Die Sonne scheint, es ist etwas wärmer geworden. Ich stehe da, verschwitzt, voller Eindrücke – und mit einem verschmitzten Lächeln.

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Fazit

Das Wörthersee Gravel Race bot eine abwechslungsreiche, gut organisierte Strecke in traumhafter Kulisse. Anspruchsvoll, aber machbar für alle. Dank perfekter Absicherung und vieler Helfer war es ein echtes Erlebnis – für Teilnehmer wie Zuschauer, die hautnah am Streckenrand und im Zielbereich auch die großen Namen im Gravel-Racing erleben konnten. Kleiner Wermutstropfen: mein Ziel, unter 3 Stunden zu bleiben, habe ich um knappe 2 Minuten verpasst. Eigentlich Grund genug, um wiederzukommen.  © Bike-X