Mit der "Rally" schiebt Aprilia 3 Jahre nach der Präsentation der Mittelklasse-Enduro Tuareg 660 eine stärker offroad-orientierte Version nach. MOTORRAD war schon mit ihr im Gelände.

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Die hochbeinige Italienerin macht mit Features aus dem Rallye-Sport auf sich aufmerksam – und vorab mit zwei Siegen bei der Nachfolge-Veranstaltung der legendären Rallye Paris-Dakar. Tatsächlich handelt es sich bei der neuen Aprilia Tuareg Rally um eine vergleichsweise konsequent arrangierte und angeblich knapp unter 200 Kilo leichte Rally-Replica. Dem sportlichen Konzept entsprechend ist das Gelände für unsere erste Testfahrt gewählt.

Offroad mit der neuen Aprilia Tuareg Rally

Aaaaah, zu spät. Die große Wasserlache hinter der Kuppe ist unausweichlich. Um dem Vollwaschgang bei der Landung zu entgehen, bleibt nur eine Chance: Vollgas, mit Schmackes am Lenker ziehen, Vorderpartie hochhalten. Und es reicht. Nur das Hinterrad teilt beim Touchdown mit Wucht die Riesenpfütze. Glück gehabt. Doch was heißt hier Glück? Schließlich ist die Aprilia Tuareg Rally für solche Drecksarbeiten konzipiert.

Schon zweimal erfolgreich nach Dakar

Und bereits vor ihrer Präsentation ist die Aprilia Tuareg Rally hochdekoriert. Zwei Mal in Folge hat Werkspilot Jacopo Cerutti mit der Tuareg 660 das Africa Eco Race, quasi das Revival der legendären Dakar-Rallye von Frankreich in die Hauptstadt des Senegal gewonnen. Gegen die versammelte Konkurrenz der derzeit angesagten Mittelklasse-Reiseenduros wie Ducati DesertX, Yamaha Ténéré 700 und Co.

Video: Im Video: Aprilia Tuareg Rally - "Queen of Africa" (2025)

Die Tuareg fürs Grobe

Der Aufwand für die Aufrüstung des im Jahr 2022 aufgelegten Standard-Bikes Tuareg 660 zur Tuareg Rally ist beträchtlich: Straffere Federelemente, leichter Titan-Schalldämpfer von SC Projekt, 20 Millimeter höhere Sitzbank und stabilere Felgen führen die lange Liste der Nachrüstarbeiten fürs holprige Geläuf an.

Feintuning für den Reihenzweizylinder-Motor

Gleichzeitig machten die Techniker aus dem Veneto sich bei der Entwicklung der Rally-Version auch an die Modellpflege der gesamten Tuareg-Linie. Denn von 48 auf 52 Millimeter vergrößerte Querschnitte der Drosselklappen, geringere Schwungmasse des Lichtmaschinenrotors oder ein von 85 auf 60 Grad verringerter Drehwinkel des Gasgriffs stehen üblicherweise nicht im Domestizierungsprogramm für Reiseenduros.

80 PS starke Zweizylinder-Enduro

Dabei bringt die Dakar-DNA der Aprilia Tuareg Rally sich permanent in Erinnerung. Das schnippisch-prompte Ansprechen aus niedrigen Drehzahlen und das durch die verringerte Schwungmasse, die vergrößerten Drosselklappen und den "Schnellgasgriff" noch befeuerte rasante Hochdrehen fordern vom Fahrer Routine. Wer die hat, für den bietet die 80 PS starke Zweizylinder-Enduro Highspeed-Erlebniswert.

Auf dem Test-Gelände bei Enduro Republic

Doch die unerwartete Wäsche in der großen Pfütze hat das Gemüt etwas abgekühlt. Unser Guide Lorenzo von der Offroad-Schule Enduro Republic nimmt etwas Speed raus. Kein Fehler, denn der Regen der vergangenen Tage hat auf den Feldwegen des Apennin ruppige Treckerspuren und tief ausgewaschene Querrinnen hinterlassen. Nun bleibt im Oberstübchen etwas mehr Arbeitsspeicher für das Wesentliche. Denn eines ist klar: Für den Ausflug ins Grüne ist bereits die Basis-Version der Tuareg gewappnet. Sie verwies beim Offroad-Vergleichstest von MOTORRAD (Heft 6/2022) das Referenz-Modell dieser Kategorie, die Yamaha Ténéré 700, in die Schranken.

Neuer Offroad-Modus

Die stärksten Argumente der Aprilia Tuareg 660: fein dosierbare Leistungsentfaltung und vergleichsweise agiles Handling. Und – für die, die darauf Wert legen – auch noch gut abgestimmte elektronische Fahrhilfen. Von denen gibt’s in der neuen Rally noch mehr. Der erstmals angebotene "Offroad"-Modus minimiert die Traktionskontrolle, maximiert die Motorbremswirkung und liefert das spritzigste Ansprechverhalten.

Enduro mit besonders viel Bewegungsfreiheit

Doch bevor wir in die Tiefen der Elektronik abtauchen, zurück ins Gelände. Auffällig: Keine Reiseenduro bietet ein so üppiges Platzangebot wie die Tuareg Rally. Die relativ tief positionierten Fußrasten und der hohe Lenker schaffen selbst auf einem grundsätzlich geräumigen Adventure-Bike noch etwas mehr Bewegungsfreiheit. Sogar Ü-einsfünfundachtzig-Fahrer müssen sich im Stehen kaum bücken. Ungewohnt, auf langer Offroad-Tour aber durchaus angenehm. Und ohne Nebenwirkungen. Selbst in tiefen Spurrillen halten die Füße noch Sicherheitsabstand zum Erdreich.

Spezielle Fahrwerksabstimmung

Dafür verantwortlich sind die speziell für die Aprilia Tuareg Rally neu abgestimmten Federelemente. Statt progressiv gewickelter Federn wie bei der Basis-Tuareg sorgen bei der Rally-Version härtere und linear ausgelegte Federn für eine luftige Fahrhöhe und damit genügend Bodenfreiheit. Allerdings: Mit den haushohen 913 Millimeter Sitzhöhe sollte man sich zu arrangieren wissen – oder die 20 Millimeter flachere Nachrüstbank aus dem Aprilia-Zubehör einkalkulieren.

Kayaba-Komponenten mit großen Reserven

Den sportlichen Ansatz führt die Federung der Tuareg Rally auch auf der Piste fort. Im Bummeltempo über kleine Kanten zu poltern beeindruckt die Kayaba-Kombo nur wenig. Ihre Stunde schlägt erst im Eilzugtempo. Mit bestechender Rückmeldung und vor allem riesigen Reserven stecken Gabel und Federbein auch üble Querrinnen weg. Kein Durchschlagen, kein Kicken des Hecks, keine Unruhe.

Abschaltbares ABS im Individual-Modus

Ruhige Gemüter können sich im Individual-Mapping der Aprilia Tuareg Rally eine spürbar sanfter ansprechende Gasannahme konfigurieren. Apropos Mapping: Im Individual-Modus lässt sich für den Ausflug ins staubige Element zum ABS am Hinterrad sogar noch der Blockierverhinderer vorn deaktivieren. Brauchen werden das allerdings nicht mal die Routiniers. Wer auf grobem Schotter auf Dauer genauso effizient und sicher bremst wie dieses gut abgestimmte ABS, darf sich gern als Teamkollege von Herrn Cerutti bewerben.

Powerdrifts mit elektronischer Unterstützung

Überhaupt dürften sich selbst puristische Offroader über die emsige elektronische Helferschar freuen. Powerdrifts gelingen in der niedrigsten Stufe der Traktionskontrolle so sicher und nervenschonend wie bei kaum einer anderen Reiseenduro. Nebenbei werden Hardcore-Enduristen auch die stabilen Felgen samt den Allround-Talenten Pirelli Scorpion Rally STR goutieren, die bei der Tuareg Rally sowohl vorn als auch hinten mit Schläuchen montiert werden.

Stolze Aprilia Tuareg Rally zum stolzen Preis

Etwas angespart sollte sich die Klientel der Aprilia Tuareg Rally allerdings schon haben. Mit 13.999 Euro kostet die Rally-Version 1.800 Euro Aufschlag zur 12.199 Euro teuren Basis-Tuareg. Der Nachschlag ist berechtigt und – schaut man zur vergleichbar ausgestatteten Konkurrenz – auch angemessen. Zweifler an der Zuverlässigkeit italienischer Technik dürfen sich übrigens auch von MOTORRAD beruhigen lassen: Im kürzlich beendeten Dauertest (MOTORRAD 6/2025) der zumindest motorisch eng verwandten Aprilia Tuono 660 muckte das Naked Bike über 50.000 Kilometer lediglich ein Mal mit einem korrodierten Stecker am Anlasser-Relais auf.

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Fazit

Dass bereits die Standard-Version der Aprilia Tuareg sowohl auf der Straße als auch im Gelände eine sehr gute Figur abgibt, haben die MOTORRAD-Tests bereits bewiesen. Abseits der Straße legt die neue Aprilia Tuareg Rally noch eine große Schippe nach. Ob Otto-Normal-Endurist die noch ausgeprägteren Offroad-Qualitäten nutzen will oder kann, wird sich individuell zeigen.  © Motorrad-Online