Avadi Engines aus den USA hat einen Hubkolbenmotor entwickelt. Der Otto-Viertakter läuft ohne Ventile und sparsam wie ein Diesel.
Im Sommer laufen die Motoren heiß. Nicht qua fehlender Kühlung. Sondern weil regelmäßig in Sommer eines Jahres auf der Welt die interessante Neukonstruktion eines Verbrenners auftaucht, die wahlweise für Gelächter, Unverständnis oder Aufsehen sorgt. In welche Kategorie der erste Sommermotor 2024 gehört, muss jeder selbst entscheiden. Interessant ist er allemal.
Video: Der Avadi Motor im Video
Avadi Engines – Hybrid aus Otto und Wankel
In Yakima, Washington, arbeitet Avadi Engines an einer interessanten Lösung. Eigentlich sogar zwei Lösungen in einem Motor, denn: Avadi will die Vorteile eines Hubkolben-Motors mit denen eines Rotationskolbenmotors verbinden, ohne deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Die Vorteile des Hubkolbenmotors sind eine hohe Verdichtung durch den Einsatz von federnden Kolbenringen. Seine Nachteile: Verlustreiches Wandeln der Hubbwegung in eine Drehbewegung. Der Rotationskolbenmotor tauscht diese Eigenschaften: Er verdichtet verlustreich, erzeugt dafür direkt eine sich drehende Antriebswelle. Der Avadi MA-250 hat also einen oszilierenden Kolben in einem Zylinder, dafür hat er keine Kurbelwelle – im klassischen Sinn.
Nur ein Zylinder, dafür 2 Pleuel
Obwohl der Avadi MA-250 nur ein Einzylinder ist, lagert der Kolben in 2 Pleuel. Und diese beiden Pleuel sind mit einem Versatz von 180 Grad mit einer Art Kurbelwelle verbunden mit Hubzapfen und Ausgleichsgewichten. Aber eben nicht in bekannter Form, denn die Kurbelwelle ist nicht im Gehäuse gelagert, sondern über Stirnräder mit einem festen Zahnkranz verbunden. Über diesen Zahnkranz stützt sich der "Kurbeltrieb" ab und gibt das erzeugte Drehmoment an die Antriebswelle weiter. Der Motor erzeugt also trotz Kolben, Pleuel und Kurbelwelle direkt eine Drehbewegung.
Video: Im Video: Avadi Engines MA-250 erster Blick
Möglich macht das eine Entwicklung von Avadi, die oszillierenden Pleuel über je ein Pinion-Getriebe die Welle mit dem festen Zahnkranz verbinden. Die Hubbewegung wird direkt über das Getriebe in eine Rotation gewandelt. Der Versatz von 180 Grad erzeugt bei einem Viertakter eine regelmäßige Zündung alle 360 Grad. Und da die Kurbelwelle radial und axial gleichzeitig rotiert, dürfte das die meisten Massenkräfte und -momente gut ausgleichen.
Viertakter ohne Ventile
Technisch klassifiziert einen Motor die Zahl der pro Arbeitstakt nötigen vollständigen Kurbelwellen. Beim Zweitakter ist das eine Umdrehungen, beim Viertakter sind es zwei. Landläufig werden die Arbeitsweisen durch die An- oder Abwesenheit von Ventile unterschieden, was nur eben nicht stimmt. Ein Zweitakter kann Ventile haben und im Falle des Avadi MA-250 kann ein Viertakter ohne Ventile funktionieren. Dazu nutzt Avadi das im Grunde alte Prinzip eines Drehschiebers, nur eben auf moderne Art. Der Zylinderkopf ähnelt durch den flachen Aufbau dem eines Zweitakters, innerlich laufen allerdings einige erstaunliche Arbeitsschritte zum Gaswechsel ab. Dem liegt zugrunde, dass der Zylinder selbst sich ebenfalls dreht, da er mit dem "Kurbeltrieb" verbunden ist. Das erlaubt einer Lochscheibe auf dem Zylinder als Steuerscheibe zu dienen.
Die Scheibe hat eine zentrale Bohrung für die Zündkerze und eine exzentrische Bohrung, die je nach Stellung den Einlass oder Auslass steuert. Im eigentlichen Zylinderkopf sitzen die Einlass- und Auslassbohrungen mit federgelagerten beweglichen Keramikdichtungen, die die Kanäle zur Steuerscheibe abdichten. Klingt nicht sehr drehzahlfreudig ist es im Grunde nicht. Allerdings braucht der Avadi MA-250 diese Federkraft nur beim Start. Sobald der Kolben Kompression erzeugt, nutzt der Zylinderkopf über kleine Überstromkanäle die Kompression, um die Keramikdichtungen bei Bedarf gegen die Steuerscheibe zu pressen und so den Zylinder zum Kopf hin abzudichten.
Was bringt das alles?
Aktuell ist der MA-250 ein Motor mit nur 250 Kubik, der 30 Nm bei 3.500 Touren und 15 PS bei 3.700 U/min erzeugt. Das klingt mager, allerdings ist die Aufgabe des MA-250 effizient laufen. Und das ist bei einem Wirkungsgrad von 42 Prozent gegeben. Zum Vergleich: handelsübliche Ottomotoren liegen bei 30 bis 35 Prozent. Der Avadi verbraucht also bei gleicher Leistung deutlich weniger Benzin und wiegt nur 11 Kilo.
Warum ist das so?
Der Avadi MA-250 hat mit 42 Prozent einen Wirkungsgrad auf Niveau der aktuellen besten Dieselmotoren, obwohl er Benzin verbrennt. Möglich machen das 3 Faktoren. Einer lautet: wenig Reibung des Kolbens im Zylinder. Da der Kolben und der Zylinder leicht versetzt zueinander rotieren kippt der Kolben trotz vertikaler Lage deutlich weniger, was die Reibung am Zylinder verringert. Weiterhin fehlt der konventionelle Ventiltrieb mit Nockenwellen, Federn und Ventilen, was gerade bei niedrigen Drehzahlen in herkömmlichen Motoren viel Kraft des Motors verbraucht. Und zum dritten benötigt dieser Motor durch seine niedrigen Drehzahlen keine Wasserkühlung und keine Ölpumpe, was den Aufwand an bewegten Teilen weiter verringert. Die Schmierung übernimmt im Grunde die Zentrifugalkraft.
Was soll der Avadi MA-250 bringen?
Mit diesen Leistungsdaten wird der Avadi MA-250 kaum als Hochleistungsmotor eingesetzt werden. Punkten wird er in Fahrzeugen oder bei Anwendungen, die kontinuierliche Leistung bei niedrigen und konstanten Drehzahlen erlauben oder verlangen. Also als Range-Extender im Auto, kleinen Krafträdern und Rollern und kleinen Lieferfahrzeugen. Denkbar ist der Avadi ebenfalls als Motor von Strom- oder Kühlaggregaten oder von leichten Flugzeugen. © auto motor und sport
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