Bierbauch, Körperrasur, Bekleidung: Wir haben fünf Aerodynamik-Tipps für euch zusammengestellt. Erfahre hier humorvoll, was wirklich schnell macht – oder dich ausbremst.

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Dass der Luftwiderstand der größte Gegner von Rennradfahrerinnen und -fahrern ist, die schnell sein wollen, ist mittlerweile klar. Und es ist auch bekannt, dass zum Beispiel Sitzposition, Fahrrad und Laufräder wichtige Anknüpfungspunkte für bessere Aerodynamik sind. Doch wie schaut es aus, wenn man ein gemütliches Bierbäuchlein sein Eigen nennt, partout nicht die Beine rasieren will, konsequent zum Vollbart steht oder nicht auf den heißgeliebten Pferdeschwanz verzichten möchte? Zum Glück hat Aerodynamik-Experte Jean-Paul Ballard von Swiss Side schon viel, und wir meinen: richtig viel im Windkanal gemessen. Deshalb präsentieren wir Euch heute die fünf wirklich wichtigsten Aerodynamik-Tipps. Viel Spaß beim Lesen!

Bierplauze vs. Waschbrettbauch – was ist schneller?

Antwort Jean-Paul Ballard, Swiss Side: "Für die menschliche Leistung bin ich ziemlich sicher, dass das Waschbrett eine bessere Lösung ist. Denn es bedeutet ja in der Regel ein geringeres Körpergewicht, ergo mehr Leistung. Tatsächlich ist es jedoch so, dass mehr Volumen im Brust- und Bauchbereich aerodynamisch von Vorteil ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich die Krümmung der Seite des Körpers verringert, um die die Luft herumgedrückt wird. Dadurch kann der Luftstrom länger anhaften und der Luftwiderstand wird verringert. Dies gilt sowohl für Zeitfahren als auch für Straßenradfahrer. Wir haben im Windkanal bei 45 km/h Einsparungen von über 10 W gemessen. Wir haben 2023 bei Triathlonwettkämpfen gesehen, dass viele Leute in der Zeitfahr-Position Trinkflaschen und sogar größere Gegenstände in ihren Anzügen verstauten. Einige dieser Tricks wurden auch in Straßenzeitfahren eingesetzt, bei denen der Weltradsportverband UCI sie aber schnell verboten hat. Aber es gibt immer noch kleine Tricks, die im Straßenrennen verwendet werden. Zum Beispiel das Radio vorne auf der Brust zu platzieren und darunter ein schönes dickes 'Schutzpolster' zu legen."

Rasierte vs. unrasierte Beine – was ist schneller?

Antwort Jean-Paul Ballard, Swiss Side: "Rasierte Beine bringen einen großen Vorteil. Wir haben schon Athleten mit bis zu 20 Watt (!) Luftwiderstandsunterschied bei 45km/h gemessen (10 Watt bei 35km/h). Es ist ein ziemlich komplexes Phänomen. Aus aerodynamischer Sicht wollen wir keine vollkommen glatte Oberfläche. Rauheit an den Beinen kann tatsächlich helfen, den Luftwiderstand zu verringern. Aber Haare sind genau die falsche Art von Rauheit. Die beste Lösung besteht darin, wo immer möglich spezielle aerodynamisch optimierte Textilien zu verwenden. Bei UCI-Rennen ist dies auf die Verwendung spezieller Aerosocks bis zur Hälfte des Unterschenkels beschränkt. Gute Aerosocken können den Luftwiderstand bei 45 km/h um 6 Watt reduzieren (wie zum Beispiel Swiss Side Aero Socks). Bei Nicht-UCI-Rennen, bei denen die gesamte Wade bedeckt werden kann, sind noch größere Verbesserungen möglich. Im Triathlon sind Wadenmanschetten mittlerweile weit verbreitet."

Rasiertes Gesicht vs. Vollbart – was ist schneller?

Antwort Jean-Paul Ballard, Swiss Side: "Diese Messung habe wir im Windkanal nur ein paar Mal durchgeführt, dank einiger großzügiger, haariger Freiwilliger. Allerdings konnten wir anhand dieser Tests keinen messbaren Unterschied feststellen. Dies liegt höchstwahrscheinlich daran, dass sich die meisten Haare in der Stagnationszone des Luftstroms befinden. Hier trifft der Luftstrom zuerst auf den Körper und erreicht eine Geschwindigkeit von nahezu Null, bevor er um den Körper herum wieder beschleunigt. Da die Luftgeschwindigkeit dort, wo sich das Gesichtshaar befindet, lokal niedrig ist, ist der aerodynamische Nachteil gering. Große Koteletten könnten jedoch schädlicher sein, da sie weiter außen liegen, sich also im Hochgeschwindigkeitsbereich befinden. Diese Beobachtungen können mit der Tatsache in Verbindung gebracht werden, dass Visiere an Helmen (Zeitfahren und Road) beinah unempfindlich sind. Dies wirft einen wichtigen Punkt auf: Kühlung ist für die Leistung weitaus wichtiger. Das Rasieren von Gesichts- oder Kopfhaar wird sich also letztendlich aus diesem Grund positiv auf die Gesamtleistung auswirken."

Kurzhaarfrisur vs. Zopf – was ist schneller?

Antwort Jean-Paul Ballard, Swiss Side: "Mit diesem Thema wurden wir schon oft konfrontiert. Sogar eine Zeitfahrerin der Spitzenklasse mit langem Pferdeschwanz kam mit einer großen Schere in den Windkanal. Aus aerodynamischer Sicht ist ein Pferdeschwanz aber interessanterweise im Normalfall nicht messbar schädlich, weder im Zeitfahren noch im Straßenrennen. Das liegt daran, dass er sich im Sog (Windschatten) des Helms und Halses befindet und auf der Mittellinie des Rückens liegt, die relativ weniger anfällig für negative Strömungsablösungen ist. Allerdings wird die Wirkung der Kühlung auch hier unterschätzt – kurze Haarschnitte ermöglichen eine deutlich bessere Kühlung des Kopfes, was auch für die gefühlte Kühlung wichtig ist. Auch wenn die Aerodynamik hier weniger relevant ist, bringt kurzes Haar einen klaren Vorteil für die Gesamtleistung bei heißen Bedingungen."

Sklickreifen vs. Profil – was ist schneller?

Antwort Jean-Paul Ballard, Swiss Side: "Das Thema der Bedeutung von Reifen für die Aerodynamik gibt es schon seit einiger Zeit. Der kürzlich auf den Markt gebrachte Aero-Reifen von Continental, DT Swiss und Swiss Side, der Aero-111, zeigt reproduzierbar im Windkanal, wie wichtig der Reifen für den Luftwiderstand und das Handling des Vorderrads sein kann. Aus aerodynamischen Gründen sollte man am Vorderrad keinen Slickreifen fahren, besser ist ein Reifen mit Profil – idealerweise ein explizites Aero-Profil. Am Hinterrad gibt es keine Empfindlichkeit, daher ist man hier freier bei der Auswahl. Die Antwort lautet also: Aus Aerodynamikgründen ein guter Aero-Reifen mit Profil für vorne und was immer man will für hinten. Aber die ebenso nicht zu vergessen sind wichtigen Faktoren wie Rollwiderstand, Grip und Pannensicherheit. Und aus Sicherheitsgründen wie immer darauf achten, den maximal zulässigen Rad-Reifen-Systemdruck einzuhalten."  © Bike-X

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