Bugatti hatte 2022 die offene Variante seines Chiron vorgestellt. Schon bei der Premiere wurde der Anspruch formuliert, das schnellste offene Auto der Welt zu sein. Jetzt hat der W16 Mistral gezeigt, dass er schneller ist als jedes andere Cabrio.
Der 16-Zylinder-Motor von Bugatti gehört zu den absoluten Höhepunkten der Verbrennungsmotor-Baukunst. Er steckt im über drei Millionen Euro teuren Chiron und auch im Bugatti W16 Mistral. Der Mistral ist ein Roadster – warum der Begriff "Chiron" in seiner Modellbezeichnung nicht vorkommt, erschließt sich auf den ersten Blick: Der Mistral sieht einfach nicht aus wie ein Chiron. Der Roadster soll und muss etwas ganz Besonderes sein – mit ihm endete die 16-Zylinder-Ära bei Bugatti.
Video: Bugatti W16 Mistral in der Neuvorstellung
Bugatti-Chef Mate Rimac war schon lange vor seinem Einstieg bei Bugatti ein großer Fan der Marke – in seinen Botschaften verdeutlicht er, dass er das ultimative Exzellenz-Erbe von Bugatti weiterführen wird. Und er betont, dass in jüngerer Vergangenheit für ihn zwei Sachverhalte zusammenkamen: Zum einen fordern seine maximal gut betuchten Kunden einen offenen Bugatti. Zum anderen ist ihm klar geworden, dass 40 Prozent aller bisher ausgelieferten Bugattis offen waren. Da auch Bugatti davon lebt, seinen Markt zu bedienen, haben die Designer und Ingenieure der Marke den W16 Mistral entwickelt.
1.600 PS sind Serie
Auf das Kürzel W16 ist Bugatti zu Recht besonders stolz – die Bezeichnung hat sich für das Acht-Liter-16-Zylinder-Triebwerk des Supersportlers eingebürgert. Technisch korrekt handelt es sich bei dem vierfach turbogeladenen Aggregat übrigens um einen Doppel-V-Motor mit zwei VR8-Zylinderbänken – aber ein Künstlername ist für so ein Ausnahme-Triebwerk natürlich erlaubt. Und beim Mistral kommt es in seiner vollendeten Form zum Einsatz: Weniger als 1.600 PS sind nicht drin. Zuerst hat Bugatti diese Leistungsstufe im Chiron Super Sport 300+ vorgestellt. Bugatti freut sich, dass bisher kein anderes offenes straßenzugelassenes Fahrzeug mit so viel Leistung unterwegs war.
Bugatti-Design-Director Achim Anscheidt musste den Roadster quasi neu zeichnen – dem Chiron nur das Dach wegzunehmen, hätte eine ziemlich kaputte Seitenlinie ergeben. Schließlich funktioniert der die Einstige umgebende markante ovale Schwung nur mit einem festen Dach – Bugatti nennt dieses Design-Element C-Linie. Außerdem hätten unter einem fehlenden Dach die Proportionen gelitten. Also musste Anscheidt die Ärmel ganz weit hochkrempeln und tief ins Chiron-Design eingreifen. Als Vorbild für den Mistral diente ihm der Bugatti Type 57 Roadster Grand Raid von 1934. Das Auto steht im Louwman Museum im niederländischen Den Haag – markant sind seine abgeschnitten wirkende V-förmige Windschutzscheibe und seine in den Heckbereich übergehenden Kopfstützen. Auch für die Farbgebung des Mistral stand der Type 57 Roadster Grand Raid Pate: Das 88 Jahre alte Vorbild ist schwarz-gelb lackiert, der Mistral ist schwarz und trägt gelbe Akzente. Schwarz-gelb soll auch die Lieblings-Farbkombination von Firmengründer Ettore Bugatti gewesen sein.
70.000 Liter Luft pro Minute
Beim Mistral geht die Windschutzscheibe optisch nahtlos in die Seitenscheiben über und formt so eine Art Visier, wie es auch elegante Boote tragen. Die C-Linie passt Anscheidt an, indem er sie weit nach oben verlegt und das C zum einen eckig macht und zum anderen deutlich verkleinert. Das steht dem Roadster und macht ihn optisch modern. Die Lufteinlässe für den Motor verlagern die Ingenieure hinter die Kopfstützen. Diese Anordnung schlägt nicht nur den Bogen zum Type 57 Roadster Grand Raid, sondern auch mit dem Veyron 16.4 Grand Sport zum direkten Vorgänger des Mistral. Mate Rimac ist begeistert davon, dass die Einlässe bei voller Leistung dem Motor pro Minute 70.000 Liter Luft zuführen. Bei der breit wirkenden Frontpartie mit dem jetzt noch tiefer sitzenden Hufeisengrill zitiert Anscheidt das Design der Sondermodelle Divo und La Voiture Noire. Der breitere Grill hat auch einen technischen Hintergrund: Er kann jetzt allein den Hochtemperatur-Kühlkreislauf des Motors mit Luft versorgen; die beiden seitlichen Lufteinlässe sind jetzt ausschließlich für die Versorgung der Ladeluftkühler da.
Die Motor-Lufteinlässe hinter den Kopfstützen bestehen aus Kohlefaser und können im Falle eines Überschlags das gesamte Fahrzeuggewicht tragen. Und sie lassen auch Sound nach außen: Das unbezwingbar wirkende Ansauggeräusch des Acht-Liter-Motors und das Auslassventil-Pfeifen der vier Turbolader beim Anheben der Drosselklappe sollen Fahrer und Beifahrer wegen der Öffnungen im Karbon besonders gut hören.
Leder für 100 Jahre
Bei den Innenraummaterialien des Mistral setzt Bugatti auf Bewährtes: Titan, Aluminium und feinstes Leder müssen es sein. Die Tür-Innenverkleidungen sind neu designt – sie bestehen aus einem gesteppten Leder, das, so frohlockt Bugatti, auch noch in 100 Jahren gut aussehen soll. Das passt gut zu Mate Rimac‘ Planungs-Horizont, den er ebenfalls mit 100 Jahren angibt. Der Gangwahlhebel besteht aus Aluminium und einem Holzknauf. Im Knauf ist ein bernsteinfarbener Einsatz eingelassen, der die "Skulptur des tanzenden Elefanten" zeigt. Diese Skulptur erschuf einst Ettore Bugattis Sohn, der Künstler Rembrandt Bugatti.
Unterwegs im Rekordtempo
2013 stellte der Veyron 16.4 Grand Sport Vitesse mit 408,84 km einen Geschwindigkeits-Rekord für Roadster auf. Der Chiron Super Sport 300+ schaffte im Sommer 2019 eine Weltrekordgeschwindigkeit in Höhe von 490,484 km/h. Entsprechend klar war die Ansage bei der Mistral-Premiere: Ausgerüstet mit dem 1.600-PS-Motor des Chiron Super Sport 300+ sollte der Mistral den offenen Veyron beerben und wieder einen Geschwindigkeits-Weltrekord einfahren. Im November 2024 vermeldet Bugatti, dass der W16 Mistral mit 453,91 km/h einen neuen Höchstgeschwindigkeits-Weltrekord für offene Fahrzeuge aufgestellt hat. Aufgestellt wurde der Rekord auf der Teststrecke der ATP Automotive Testing Papenburg GmbH in Deutschland. Hinter dem Steuer saß Bugatti-Testfahrer Andy Wallace. Offiziell bestätigt wurde der Rekord durch die SGS-TÜV Saar GmbH.
Das Rekordauto stammt aus der indischen Singh Collection, zu der auch die Rekordmodelle Veyron 16.4 Super Sport, Veyron 16.4 Grand Sport Vitesse World Record Edition und Chiron Super Sport 300+ zählen. Der nicht genannte Eigentümer dieser Sammlung durfte seinen Mistral beim Rekord-Event begleiten.
Rekordverdächtiger Basispreis
99 Exemplare hat Bugatti vom Mistral gebaut – damit endet die Geschichte des legendären Acht-Liter-Sechszehnzylinder-Motors. 5,95 Millionen möchte Bugatti für einen Mistral haben – mindestens. Schließlich bietet der Hersteller über sein Maßschneider-Programm Sur Mesure auch noch alle erdenklichen Individualisierungen an, was den Preis sprunghaft ansteigen lässt. Wenn man den Basispreis zugrunde legt, sind Bugatti mit dem Mistral mindestens 589 Millionen Euro Umsatz sicher. Die Auslieferungen begannen 2024 – die komplette Produktion ist bereits ausverkauft. © auto motor und sport
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