Eine Gruppe Rennradfahrerinnen und -fahrer unterstützt die Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffs – und fährt in einem Konvoi mit Rettungswagen und Rennrädern nach Lwiw. Wir haben den Organisator Sebastian Herrmann zu Gespräch gebeten. Außerdem: So können wir alle helfen!

Mehr zum Thema Mobilität

ROADBIKE: Sebastian, du bist einer von mehreren Initiatoren des "Chainreaction Bike Convoy", also des Fahrradkonvois Kettenreaktion. Was hat es damit auf sich?

Sebastian Herrmann: Wir sind eine Gruppe von Menschen, die geschockt sind über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wir versuchen schon seit Jahren, zu helfen – mit verschiedenen Aktionen und Zielgruppen. Weil wir selbst Rennradfahrerinnen und -fahrer sind, richten wir uns dieses Jahr besonders an die Rennrad-Community.

Wie helft ihr konkret?

Wir sammeln Spenden für den Verein Bamberg:UA, der davon ausrangierte, voll ausgestattete und funktionstüchtige Rettungswagen kauft. Diese werden in die Ukraine gebracht, wo sie in Frontnähe zum Einsatz kommen, verwundete Soldaten und Zivilisten versorgen und ins Krankenhaus bringen. Pro Tag evakuiert ein Fahrzeug im Schnitt fünf Verwundete. Trotz eindeutiger Kennzeichnung werden die Rettungswagen oft gezielt von den Russen angegriffen – deshalb gibt es immer wieder Bedarf an neuen Fahrzeugen. Seit 2022 sind so mehrere Dutzend Rettungswagen in die Ukraine gekommen.

Letztes Jahr war es ein Kulturkonvoi, den Künstler wie die Sportfreunde Stiller, Jan Delay oder Udo Lindenberg unterstützt haben. Warum diesmal der Fahrradkonvoi?

Wer Fahrrad und insbesondere Rennrad fährt, weiß aus eigener Erfahrung: Wenn man zusammenarbeitet, gelingt mehr! Es geht schneller, leichter, besser voran. Das wollen wir auch für die Ukraine erreichen: dass die Fahrrad-Community zusammensteht und mit vielen Aktionen, Ausfahrten und kreativen Ideen Geld für die Ukraine zusammentrommelt – wie in einer Kettenreaktion. Für zehn Rettungswagen, was unser Ziel ist, brauchen wir 186 000 Euro – über 90 000 Euro sind bis Anfang April schon gespendet worden.

Mitmachen können also alle?

Ja, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. In Frankfurt organisiert eine Gruppe ein 300-Kilometer-Brevet, in Freiburg, München, Landshut und Tübingen sind Ausfahrten oder Spendenevents geplant. Wer eine Idee hat und helfen möchte, darf sich jederzeit gerne bei uns melden! Und wir selbst sind natürlich auch aktiv: So wird es ein Trikot zu der Aktion geben, das man über den Onlineshop von Rose erwerben kann – abzüglich Produktionskosten und Mehrwertsteuer geht der Erlös vollständig an die Ukraine. Rose verlost zudem ein künstlerisch gestaltetes Rennrad und spendet den Erlös. Auch der Radhersteller Scott und Event-Veranstalter wie Eroica Germania, Schwarzwald Super oder Lakes ’n’ Knödel engagieren sich. Und wir hoffen eben auf weitere Hilfsbereitschaft aus der Radindustrie sowie ganz viel Kreativität aus der Rennrad-Community heraus!

Die Aktion kulminiert in einem Konvoi aus Rettungswagen und Rennradfahrenden.

Genau. Am 5. Juli starten wir in München mit bis zu 110 Rennradfahrerinnen und -fahrern als Konvoi mit den Rettungswagen. In sechs Etappen zwischen 150 und 260 Kilometern Länge fahren wir über Passau, Linz, Wien, Bratislava und Krakau an die polnisch-ukrainische Grenze. Eine weitere Gruppe startet auf identischer Strecke am 8. Juli – als Brevet. Ob wir die letzten circa 90 Kilometer bis nach Lwiw mit den Rädern fahren können, wird sich vor Ort zeigen. Prinzipiell können alle mitfahren, die wollen, und rudimentär organisieren wir auch Massenunterkünfte – aber im Kern ist das self supported. Die Anmeldung zur Teilnahme ist bereits möglich.

Ist das kein Sensationstourismus, in ein vom Krieg gebeuteltes Land zu radeln?

BikeX werbefrei lesen
Lesen Sie alle Inhalte auf bike-x.de werbefrei und ohne Werbetracking.

Das haben wir uns natürlich auch gefragt. Aber wenn wir keinen Konvoi und keine Fahrt organisieren würden, könnten wir auch keine Rettungswagen finanzieren. Und jeder Rettungswagen hilft, Leben zu retten. Das ist aus meiner Sicht das Entscheidende. Und: Der Konvoi erregt Aufmerksamkeit – unterwegs und im Ziel. Es ist auch ein Zeichen an die Menschen in der Ukraine, dass wir sie nicht vergessen und nicht im Stich lassen. Die Fahrt nach Lwiw ist aber auch nur das letzte Puzzlestück für alle, die das wollen. Wir hoffen, dass vorher schon viele aktiv werden und helfen! Europa ist stark – wenn wir zusammenhalten, können wir viel schaffen!  © Bike-X