Morgens entspannt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Und nach dem geschäftigen Tag eine flotte Extrarunde auf dem Weg nach Hause. So oder so ähnlich klingt eines der zentralen Versprechen sportlicher E-Bikes. Aber funktioniert das wirklich? Klappt es mit dem schweißfreien Start in den Tag? Hält der Akku? Und vor allem: Macht die Sache auch Spaß? Das wollte GRAVELBIKE-Redakteur Felix herausfinden – im Ein-Tages-Selbstversuch.

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Unser todesmutiger Testfahrer wählte für diesen Alltagstest das Canyon Grizl:On CF 9, denn erstens war er gespannt auf die Fahrt mit Boschs neuem Performance Line SX Motor und zweitens preist Canyon das E-Gravelbike ganz bewusst als Rad für alle Fälle an. Das Schweizer Messer unter den Fahrrädern, sozusagen. Mehr zu Bike und Motor findet ihr hier. Also dann: Die Reifen sind aufgepumpt, der Akku ist geladen und der Track geplant. Bühne frei!

Mit Canyons Grizl:On in den Alltag

Ich habe mir ein für mich ganz alltägliches Szenario für meine Testfahrt zurechtgelegt. Erst will ich die rund zehn Kilometer flach am Rhein entlang ins Büro in der Bonner Südstadt fahren. Und nach der Arbeit freue ich mich auf eine hügelige 30-Kilometer-Tour durch Ennert und Siebengebirge nach Hause. So weit, so normal. Nicht normal ist der Abstecher auf den Petersberg. Dort will ich zum Start in den Tag einen Kaffee mit Blick auf Rhein und Eifel genießen. Das ist ohne Motor am Bike weder zeitlich noch schweißfrei möglich. Doch in der höchsten der vier Unterstützungsstufen bringt mich mein E-Gravelbike ganz entspannt die rund fünf Kilometer und 300 Höhenmeter auf den Berg. Zwei kleine Haken: Graue Wolken nehmen mir die sonst so schöne Fernsicht. Und der 400 Wattstunden starke Akku ist schon runter auf 70 Prozent. Dabei liegen heute noch mehr als 40 Kilometer vor mir. Ob das klappt?

Locker cruisend ins Büro

Zumindest auf der Fahrt durch den Wald runter zum Rhein benötige ich schon mal keine Motorpower. Das 15,5 kg schwere Bike prescht die Schotterwege hinab. Die Federgabel und die dämpfende Sattelstütze bügeln auch heftigere Schläge aus. Am Rhein schalte ich dann zwei Unterstützungsstufen runter und cruise im Modus Tour+ auf dem Rheinradweg Richtung Büro. So benötige ich für meinen eigentlichen Weg zur Arbeit 28 Minuten – und weitere 14 Prozent Akku. Zum Vergleich: Auf meinem vollausgestatteten Alltags-Gravelbike bin ich sonst etwa fünf Minuten länger unterwegs.

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Viel Spaß auf der Feierabendrunde

Wir spulen kurz ein paar Stunden vor und schon sitze ich im Gravel-Outfit wieder auf dem Bike. Hinter mir liegt selbstverständlich ein wie immer höchst produktiver Arbeitstag. Und vor mir eine schöne Tour durch Wald und Wiesen. Die ersten Kilometer rolle ich flach mit niedrigster Unterstützungsstufe durch die Stadt. Als der Spaß dann am ersten Anstieg in die Natur beginnt, schalte ich in den Sprint-Modus. So nennt Bosch die dritte Unterstützungsstufe. Besonderheit: Anstatt die Pedalkraft wie in den anderen Stufen linear zu verstärken, unterstützt der Motor im Sprint-Modus dynamisch. Sprich: Je schneller ich trete, desto mehr Power schießt der E-Antrieb zu. Das sorgt zum einen für ein natürlicheres Pedaliergefühl. Und zum anderen kann ich so allein durch meinen Tritt steuern, wie viel Leistung der Motor abliefert. So macht die feierabendliche Gravel-Session richtig Spaß. Als ich irgendwann eine kurze Verschnaufpause einlege, merke ich: Die Fahrt ist tatsächlich nicht weniger anstrengend als ohne Motor. Ich bin nur deutlich schneller unterwegs. Sehr zum Leidwesen meines Kumpels Veit, der mich auf der Runde begleitet. Normalerweise sehe ich am Berg kein Land gegen ihn. Diesmal muss ich auf ihn warten. Okay, ein kleines bisschen fühle ich mich auch wie ein Betrüger. Aber das ist der Spaß wert.

Reichweitenangst: Rotes Licht auf dem Oberrohr

Ich habe insgesamt 34 Kilometer, 650 Höhenmeter und 1:45 Stunden absolviert, als die Ladebalken auf dem Oberrohr plötzlich rot leuchten. Damit möchte mir mein Gravelbike mitteilen, dass die Akkuladung unter 30 Prozent gefallen ist. Vor mir liegen noch 14 Kilometer und etwa 250 Höhenmeter. Ich schalte die Unterstützungsstufe von Sprint auf Tour+ zurück. Bemerke aber: Eigentlich schiebt der Motor jetzt sogar stärker. Also schalte ich wieder hoch und entscheide: "Bis 20 Prozent fahre ich noch so weiter, dann geht’s im Eco-Modus nach Hause." Vier Kilometer und zwei Hügel später ist es dann so weit. Ich wechsle in die niedrigste Unterstützungsstufe. Aber es warten auch nur noch zwei kleinere Anstiege, bevor es wieder runter Richtung Rhein geht. Doch ich merke auch, dass mir die schnell lieb gewonnene Leistung des Motors fehlt. Im Eco-Modus schießt er noch bis zu 60 Prozent meiner Eigenleistung zu. In den höheren Stufen waren es bis zu 340 Prozent. Ich muss zugeben, dass ich an dieser Stelle das E-Bike lieber gegen mein rund sieben Kilo leichteres Gravelbike ohne Motor tauschen würde. Vielleicht hätte ich aber auch einfach den 250 Wattstunden starken Zusatzakku an den zweiten Flaschenhalter packen sollen. Egal, auch so bringe ich das Rad noch problemlos über die letzten Höhenmeter. Dann genieße ich die Abfahrt. Eine Viertelstunde später sitze ich mit einem Eis in der Hand am Fluss. Insgesamt 47 Kilometer und 900 Höhenmeter bin ich heute gefahren. "So könnte der Arbeitstag gerne öfter laufen", denke ich und werfe einen Blick auf die Bosch-App. Der Akku meldet: noch elf Prozent.

Pro & Contra: Canyon Grizl:On

(+) Mit Motor geht’s schweißfrei zur Arbeit – oder auf den Berg.

(+) Der Sprint-Modus macht Laune und fordert doch Einsatz.

(+) Der Motor lässt Leistungsunterschiede in der Gruppe vergessen.

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(-) Reichweitenangst: Hält der Akku auch bis zum Ende durch?

(-) Canyons Grizl:On wiegt rund 6 kg mehr als das Modell ohne Motor.

(-) Das Grizl:On gibt’s ab 4799 Euro, das Grizl ohne On schon ab 2499 Euro.  © Bike-X