Sie sind in die Radarfalle getappt? Der Blitzermarathon hat zugeschlagen? Jetzt keine Fehler machen! Unser Anwalt sagt, wie Sie sich bei einem drohenden Bußgeldbescheid richtig verhalten.
Als Autofahrer kann man noch so umsichtig unterwegs sein, kurz nicht aufgepasst und schon schlägt die Radarfalle am Wegsrand zu. Doch jetzt gilt es in dem drohenden Bußgeld- bzw. Ordnungswidrigkeitsverfahren keine Fehler zu machen. Unser Anwalt Uwe Lenhart, Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht aus Frankfurt am Main beantwortet die zehn wichtigsten Fragen zum Bußgeldbescheid, Einspruchsfristen und Führerschein-Verlust.
1. Ab welcher Toleranz sind die Blitzer "scharf"?
Die Richtlinien der Bundesländer zur Geschwindigkeitsüberwachung sehen überwiegend eine Toleranz von 5 km/h vor. Dies liegt jedoch im Ermessen der Behörde. Hiervon kann an Unfallschwerpunkten oder schutzwürdigen Stellen (Schule, Seniorenheim) abgewichen werden.
2. Ich bin geblitzt worden. Was passiert nun?
Entweder wird man vor Ort angehalten und mit dem Vorwurf konfrontiert oder die Bußgeldstelle verschickt an den Fahrzeughalter eine "Anhörung" (wenn die Person auf dem Beweisfoto nach Geschlecht und Alter der Fahrzeughalter sein könnte) oder einen "Zeugenfragebogen" (an juristische Person als Halter, z.B. eine Firma, oder wenn der Fahrzeughalter aufgrund des Beweisfotos als Fahrer zur Tatzeit ausscheidet).
Bleiben Anhörung oder Zeugenfragebogen unbeantwortet, wird die für den Fahrzeughalter örtlich zuständige Polizei von der Bußgeldstelle mit Ermittlungen zum Fahrer zur Tatzeit beauftragt. Die Polizei sucht den Fahrzeughalter auf und versucht, diesen zum Fahrer zur Tatzeit zu befragen bzw. versucht, Nachbarn nach der Person auf dem Beweisfoto zu befragen oder beschafft sich vom Einwohnermeldeamt ein Passfoto des Fahrzeughalters oder von dessen Familienangehörigen zum Abgleich mit dem Beweisfoto. Ist die Behörde davon überzeugt, den Fahrer zur Tatzeit ermittelt zu haben, erlässt diese einen Bußgeldbescheid, gegen den innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden kann.
3. Ab welcher Tempoüberschreitung ist der Führerschein in Gefahr?
- innerhalb geschlossener Ortschaften ab 31 km/h
- außerhalb geschlossener Ortschaften ab 41 km/h
- ab 26 km/h, wenn der Verstoß innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft einer davor begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begangen wird
- teilweise schon ab 21 km/h, wenn bereits mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen wurden
4. Gibt es ein Sonderrecht für Ersttäter?
Nein. Fahrverbote und Bußgelder für Verstöße gegen die Verkehrsordnung werden durch den bundesweit einheitlichen Bußgeldkatalog (BKat) geregelt. Dieser Katalog legt Strafen für typische Fälle fest, die unter fahrlässigen Bedingungen und ohne besondere Umstände begangen werden.
Als typische Fälle gelten solche, deren Art üblich sind und es weder objektiv noch subjektiv Besonderheiten gibt. Ein Beispiel hierfür ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung unter normalen Bedingungen, die die Verkehrssicherheit nicht außergewöhnlich beeinträchtigt. Außergewöhnliche Umstände können sich sowohl aus der Art der Tat als auch aus den Eigenschaften des Täters ergeben, etwa bei besonders rücksichtslosem oder leichtfertigem Verhalten.
Sind im Fahreignungsregister des Betroffenen bereits frühere Verstöße verzeichnet, gilt dies nicht mehr als typischer Fall, da der Bußgeldkatalog im Allgemeinen davon ausgeht, dass keine früheren Einträge vorhanden sind. In solchen Situationen kann die Standardbußgeldsumme erhöht und ein ansonsten bei Erstverstößen nicht vorgesehenes Fahrverbot verhängt oder verlängert werden. Die im BKat vorgesehenen Standardstrafen basieren zudem auf der Annahme fahrlässigen Handelns, ohne dass die Pflichtverletzung als grob oder leichtfertig eingestuft wird. Sollte dies nicht zutreffen, wird nicht mehr von einem typischen Fall ausgegangen, und es kann von der Standardstrafe nach oben oder unten abgewichen werden. So kann die Aussage "Ich hatte es eilig" darauf hindeuten, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung absichtlich erfolgte, was zu einer Verdopplung der standardmäßigen Bußgeldsumme führen kann.
5. Wie kann ich gegen eine Radarmessung bzw. den Bußgeldbescheid vorgehen?
Mit der Verteidigung sollte stets ein in Verkehrsbußgeldsachen versierter Rechtsanwalt beauftragt werden. Dieser schaut z.B. nach Qualität des Beweisfotos (ist dies geeignet, den Fahrer zu überführen?), ordnungsgemäßem Zustandekommen der Messung (gültige Eichung, Messprotokoll), wurden die Formvorschriften eingehalten (wirksam zugestellt, Verjährung)?
6. Wie kann ich verhindern, dass der Führerschein eingezogen wird?
Wenn Autofahrer die Folgen eines Fahrverbots besonders hart treffen würden, kann es unzumutbar sein. Zum Beispiel, wenn es durch die Zeit ohne Führerschein zum Verlust des Arbeitsplatzes kommen würde. Unangemessen für Selbstständige und Freiberufler wäre es, wenn diese z.B. als Außendienstler Alleinverdiener sind, Termine mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht wahrnehmen und sich die Anstellung eines Fahrers nicht leisten können. Auch immaterielle und persönliche Folgen können berücksichtigt werden. So die krankheitsbedingte Notwendigkeit regelmäßiger Arztbesuche oder dass ein schwer kranker Angehöriger, der entfernt lebt, ohne Besitz des Führerscheins nicht besucht werden könnte. Nur wenn die behaupteten Gründe vorgetragen und belegt werden, ist ein Entfallen des Fahrverbots gegen regelmäßige Erhöhung der normalen Geldbuße möglich.
7. Kann ich den Zeitpunkt, an dem ich den Führerschein abgebe, selbst bestimmen?
Ist innerhalb von zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot nicht verhängt worden, kann das Fahrverbot innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung angetreten werden. Um die Rechtskraft und damit den Beginn der Vier-Monats-Frist möglichst weit herauszuziehen, kann ein in der Sache unbegründeter Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt und spätestens am Tage der Hauptverhandlung vor Gericht zurückgenommen werden. So können vom Tag der Zustellung des Bußgeldbescheids bis zur Hauptverhandlung vor Gericht einige Monate Aufschub gewonnen werden.
8. Auf dem Blitzer-Foto bin ich schlecht zu erkennen. Was bedeutet das?
Ganz wichtig: Niemals die Fahrer-Eigenschaft einräumen oder den Verstoß zugeben. Der Tatrichter muss darlegen, warum er trotz der schlechten Bildqualität den Betroffenen als Fahrer hat identifizieren können. Auf dem Bild müssen bestimmbare Merkmale der abgebildeten Person zu erkennen sein. Diese können z.B. Gesichtsform und -züge, Frisur, Kinnpartie, Augen-, Nasen- und Ohrform oder individuelle Charakteristika wie Augenbrauenwuchs oder Narben sein. Wie viele übereinstimmende Kennzeichen vorliegen müssen, ist zwar nicht vorgeschrieben, für eine Verurteilung als Fahrer zur Tatzeit wird aber die persönliche Gewissheit des Richters gefordert. Selbst wenn der Tatrichter ein anthropologisches Vergleichsgutachten eingeholt hat, müssen die Urteilsgründe eine verständliche Darstellung der erkennbaren und übereinstimmenden Merkmale enthalten. Ist das Lichtbild unscharf und kontrastarm und sind Gesichtsteile wegen einer Sonnenbrille oder -blende verdeckt, ist das Begründungserfordernis umso größer.
9. Wie lange darf die Bußgeldstelle mit dem Verschicken des Anhörungsbogens warten?
Es kommt nicht auf das Verschicken des Anhörungsbogens an, sondern auf die "Verfügung" der Anhörung des Fahrers zur Tatzeit. Dies bedeutet die Erfassung des Fahrers zur Tatzeit durch den Sachbearbeiter bei der Bußgeldstelle in dessen Datei oder den Vermerk der Polizei nach deren Ermittlungen. Nach der Verfügung der Anhörung (dies ist regelmäßig das Datum der Anhörung oder kann durch Einsicht in die Bußgeldakte ersehen werden) muss innerhalb von drei Monaten der Bußgeldbescheid erlassen werden, der dann innerhalb von zwei Wochen zugestellt werden muss; sofern der Bußgeldbescheid erst nach zwei Wochen zugestellt wurde, gilt für die Drei-Monats-Frist das Datum der Zustellung.
10. Was passiert, wenn ich die Einspruchsfrist gegen den Bußgeldbescheid verstreichen lasse?
Wenn nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids (das Zustelldatum wird vom Postzusteller handschriftlich auf gelbem Briefkuvert oben rechts notiert) Einspruch (Eingang bei der Bußgeldstelle ist entscheidend) eingelegt wird, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig. Die Geldbuße muss bezahlt werden, das Fahrverbot wird entweder sofort (ohne Zubilligung der Vier-Monats-Frist, siehe oben) oder spätestens nach vier Monaten wirksam.
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Übrigens: welche witzigen Ausreden Autofahrer haben, die von der Polizei erwischt wurden, sehen Sie in der Fotoshow. © auto motor und sport
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