Leider keine Seltenheit: Kleinkinder oder Haustiere auf dem Rücksitz eines in der Sommersonne geparkten Autos: alleine, hilflos, in Lebensgefahr. Wir zeigen, was Sie in so einer Situation tun müssen, und was Sie dürfen.

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Der Tod durch Überhitzung ist eine Horrorvorstellung. Zunächst verliert unser Körper Wasser und Mineralien, das Blut verdickt sich. Schwindel, Übelkeit und ein unregelmäßiger, erhöhter Puls sind die Folgen. Tritt keine Besserung ein, verlieren wir das Bewusstsein. Und wenn das niemand bemerkt, wachen wir vielleicht nie wieder auf.

Umso schockierender, dass wir momentan immer wieder von Kindern oder – nicht besser – Haustieren lesen, die im heißen Auto zu Tode kommen; einfach nur, weil vielen die Gefahr noch immer nicht bewusst ist. "Mama und Papa kommen gleich wieder", kann so schnell der letzte Satz sein, den die Kinder zu hören bekamen.

Scheibe zertrümmern – ist das erlaubt?

Zum Glück gibt es auch andere Fälle, die nicht tödlich enden, weil besonnene Menschen in letzter Sekunde eingegriffen haben. Sie haben Hilfe geholt – oder: selbst die Scheibe eingeschlagen und die Gefangenen befreit. Viele Bürger zögern mit der lebensrettenden Tat – aus Angst, für den Schaden am Fahrzeug und etwaige, hohe Gerichtskosten letztlich selbst aufkommen zu müssen.

Dabei sollte man alle Bedenken schleunigst verwerfen – immerhin geht es darum, Leben zu retten. "Wir sind per Gesetz zur Hilfeleistung verpflichtet", sagt Anwalt Jochen Strößner. Unterlässt man diese, macht man sich strafbar – siehe Paragraf 323c im Strafgesetzbuch. Das gilt allerdings nur bei Menschen. Also: Dürfen wir die Scheibe einschlagen? Ja, dürfen wir. Ja, es ist auch Sachbeschädigung – in jedem Fall. Und jetzt die gute Nachricht: "Die Erste Hilfe leistende Person kann bei eingeleiteten Maßnahmen grundsätzlich nicht zum Schadensersatz herangezogen werden," erklärt Strößner.

Sachbeschädigung wird in dieser Situation nicht bestraft

Erste Hilfe ist dann zu leisten, wenn ein Mensch ohne sie erhebliche Schäden erleiden würde: etwa ein Kleinkind auf dem Rücksitz eines in der Sonne geparkten, zugesperrten Autos. Bei Tieren muss ein erkennbarer, dringlicher Notstand vorliegen, zum Beispiel ein Hund, der reglos im überhitzen Auto liegt. Dann dürfen Sie zum Schützen eines Lebewesens handeln, auch wenn Haustiere in der Rechtsprechung oftmals nur als "Sachen" behandelt werden. Die Gefahr hierbei ist, dass der geschädigte Fahrzeughalter die Situation nicht als Notsituation ansieht und dementsprechend bagatellisiert. Daher gilt für Sie: Alles, was Sie tun, sollten Sie etwa per Smartphone dokumentieren, falls es im Nachhinein zu Streitigkeiten kommt. Filmen Sie auch, wenn Sie die Scheibe einschlagen. "Im Erste-Hilfe-Fall zum Retten von Menschenleben ist das Zerstören der Scheibe sachgemäß und wird nicht bestraft," sagt Strößner, der Rechtswissenschaft in München studiert hat und in Nürnberg tätig ist. "Ohne das können Sie ja keine Erste Hilfe leisten!" Rufen Sie außerdem unbedingt Polizei und Rettungsdienst, bevor Sie das Glas einschlagen.

Apropos: Autoscheiben einschlagen ist gar nicht so einfach! Anders als in Filmen, werden Sie das mit den bloßen Händen, eingewickelt in ein Handtuch, nicht schaffen. Außer, Sie sind komplett gegen Schmerzen resistent. Nehmen Sie stattdessen ein Werkzeug, wie einen an einer Seite angespitzten Hammer! Schlagen Sie nicht zwingend in die Mitte, sondern auch mal an eine Ecke des Fensters. So und mit etwas Gewalt sollte die Scheibe zerbersten. Schützen Sie Ihre Hände! Es gibt weiterhin spezielle Tools, die auch von der Feuerwehr genutzt werden, um im Notfall Autoscheiben zerstören zu können.

Bei Kindern sofort handeln – aber wie?

Sitzt ein Kleinkind im heißen Auto, müssen Sie schnell handeln. Rufen Sie in jedem Fall die Polizei, und fragen Sie, wie lange es dauert, bis sie vor Ort ist. Länger als fünf Minuten sollten Sie nicht warten. Immerhin wissen Sie meistens nicht, wie lange das Kind schon da drin sitzen muss. "Kleinkinder sind besonders gefährdet," sagt Dr. Albert Schiele, Oberarzt in der Anästhesie des Uni-Klinikums Erlangen. "Sie verfügen nicht über die gleichen Möglichkeiten, ihre Körperwärme abzugeben wie wir Erwachsene." Gemeint ist die Haut. Kinder und vor allem Säuglinge haben davon wesentlich weniger – klar. So kann die Wärme nicht so schnell aus dem Körper wie bei älteren Personen.

Schiele sagt dazu: "Wir schwitzen Wasser, um unseren Körper damit zu kühlen". Meistens sitzen die Kinder dabei auch noch in einem Kindersitz. "Das ist für die wie ein Brutkasten", erklärt der Notarzt. Der Körper ist am Rücken und an den Seiten eingepackt, auch da kann keine Wärme entweichen. "Selbst, wenn man meint, nur kurz weg zu sein: Im Auto steigen die Temperaturen wahnsinnig schnell, erst recht in der Sonne," warnt der Anästhesist.

50 Grad in 30 Minuten – Lebensgefahr!

In der Tat: Die Ärztezeitung hat untersucht, wie schnell die Sonne bei verschiedenen Außentemperaturen den Innenraum eines Autos erwärmt. Selbst bei frühlingshaften 20 Grad beträgt die Temperatur im Auto nach 30 Minuten hochsommerliche 36 Grad. Viel schlimmer sieht es bei 30 Grad und mehr aus: Bei 34 Grad Außentemperatur erhitzt sich das Fahrzeuginnere nach 30 Minuten auf 50 Grad! "Bewusstseinsstörungen und Krampfanfälle sind häufig die Folge von extremer Hitze, in ganz schlimmen Fällen kann es zur Schwellung des Gehirns kommen," berichtet Schiele. Das ist besonders gefährlich: Die betroffenen Personen sind oft nicht mehr richtig ansprechbar oder werden bewusstlos. Dann reicht Erste Hilfe nicht mehr aus. Darum ist es so wichtig, bereits vorher den Notarzt zu rufen.

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Falls nicht, suchen Sie unbedingt und auf der Stelle mit dem kleinen Patienten ein Krankenhaus auf – mit dem eigenen Auto. Und keine Sorge vor Geschwindigkeitsübertretungen: "Auch dabei überwiegt das Leben eines Menschen die Einhaltung der Straßenverkehrsregeln", sagt Anwalt Jochen Strößner.  © auto motor und sport

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