Eine neue Studie zur Kennzeichenliberalisierung sieht vor, 320 mittelgroßen Städten ein eigenes Kfz-Kennzeichen zu ermöglichen. Erste Städte stehen dem positiv gegenüber.

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Der Hintergrund: Rund 10,5 Millionen Menschen leben in deutschen Mittelstädten (20.000 und 100.000 Einwohner), fahren aber mit Kennzeichen eines Landkreises oder einer fremden Stadt umher. Sie hatten entweder nie ein eigenes Kennzeichen oder ihr altes Kennzeichen konnte nicht mehr reaktiviert werden. Neuen Kfz-Kennzeichen können aber mehr Identifikation schaffen und das Stadtmarketing verbessern. Das neue Projekt soll diese Lücke schließen und den betroffenen Städten zu mehr Sichtbarkeit verhelfen.

"Es ist ein kleines, aber nettes Thema, natürlich haben die Kommunen größere Sorgen. Aber hier geht es ausnahmsweise mal ums Herz, um Identifikation und Heimat, ohne dass Kosten entstehen", so Prof. Dr. Ralf Bochert für Volkswirtschaftslehre und Destinationsmanagement an der Hochschule Heilbronn. Nach der esten Kennzeichenliberalisierung haben, so Bochert gegenüber auto-motor-und-sport.de immer mal wieder Städte um seinen Rat nachgefragt. Einen konkreten Anlass für seine Studie gibt es indes nicht. Für Städte unterhalb von 20.000 Einwohnern gäbe es kein Potenzial, da "die Relevanz schwindet. Für Altkennzeichen wie BRL oder SAN gibt es meines Wissens nach etwas über 2.000 Fahrzeuge – das ist dann unter der Grenze, für die man einer Erweiterung anregen kann."

Erste Kennzeichenliberalisierung war ein Erfolg

"Das System der Kfz-Kennzeichen wird von den Bürgerinnen und Bürgern finanziert. Es gibt einen großen Wunsch nach lokaler Verortung über die Ortskennung auf den Nummernschildern", erklärt Bochert, der die Idee wissenschaftlich begleitet. "Dieses Bedürfnis kann die Politik unbürokratisch und ohne Mehraufwand erfüllen."

Die Rückkehr der Altkennzeichen, die seit 2012 möglich ist, hat gezeigt, wie groß das Interesse der Bürger an der lokalen Verortung ist. Über 328 Städte haben ihre historischen Kennzeichen bereits zurückerhalten. Auch hier hatte die Projektidee von Prof. Dr. Bochert schlussendlich die Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung bewirkt. Mehr als 72 Prozent in den betroffenen Städten wünschten sich Rückkehr zum Altkennzeichen. Damals wurden über 50.000 Personen in über 200 deutschen Städten dazu befragt.

Warum eine neue Kennzeichenliberalisierung notwendig ist

"Ein eigenes Kfz-Kennzeichen bringt mehr innere und äußere Wahrnehmung für Städte und Gemeinden. Es geht hier um Identifikation, Heimat und lokale Verortung – und das ohne Kosten für die Städte," so Bochert gegenüber auto-motor-und-sport.de weiter. Ein weiteres Ziel ist es, die bestehende "Schieflage" im System der Kfz-Ortskennungen zu beseitigen. Städte ohne eigenes Kennzeichen werden in der öffentlichen Wahrnehmung oft als weniger relevant eingestuft, was zu einem Nachteil im Wettbewerb um Zuzug, Investitionen und Tourismus führt.

So könnten Städte wie Bad Vilbel, das bislang kein eigenes Kennzeichen hat, durch das neue System das Kürzel "VIL" erhalten – eine kostenlose Stadtmarketingmaßnahme, die laut Bochert nicht unterschätzt werden darf. "Wenn man einmal davon ausgeht, dass ein solches Kennzeichen einen Zusatznutzen von 10 Euro für jeden Fahrzeughalter bringt, entstehen durch dieses Projekt bundesweit Nutzen von über 50 Millionen Euro", erklärt Professor Bochert und verweist auf die hohe Akzeptanz und den Nutzen der bisherigen Altkennzeichenregelung. Ein weiteres interessantes Argument betrifft die Fusion von kleineren Gemeinden: Das neue Kennzeichen könnte Anreize schaffen, kommunale Zusammenschlüsse zu erleichtern. Ein gemeinsames Kennzeichen wie "USE" für die Insel Usedom könnte helfen, kleinere Verwaltungseinheiten zu stärken und die regionale Identität zu fördern.

Aktuell haben nach Aussage von Bochert bereits eine Vielzahl von Städten Interesse an einem eigenen Kfz-Kennzeichen bekundet. Darunter sind:

  • Albstadt
  • Bad Nauheim
  • Dormagen
  • Dorsten
  • Dülmen
  • Falkensee
  • Fellbach
  • Geretsried
  • Gronau
  • Hückelhoven
  • Kerpen
  • Kirchheim Teck
  • Lennstadt
  • Limbach/Oberfrohna
  • Marl
  • Nagold
  • Rheine
  • Rodgau
  • Taunusstein
  • Vaterstetten
  • Waldkraiburg
  • Xanten

Die Rechtslage und mögliche Änderungen

Die Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) regelt derzeit, dass zusätzliche Kfz-Kennungen für Zulassungsbezirke nur dann beantragt werden können, wenn die vorhandenen Kennzeichenkombinationen knapp werden. Diese Regelung war ein wichtiger Aspekt bei der Einführung neuer Kennzeichen wie "MUC" für München. Das neue Projekt zur Kennzeichenliberalisierung sieht jedoch vor, diese Einschränkung aufzuheben und weiteren Städten die Möglichkeit zu geben, auf Antrag ein eigenes Kennzeichen zu führen – unabhängig von der Knappheit vorhandener Kennzeichen.

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Eine Änderung der FZV ist jedoch notwendig, um dieses Vorhaben umzusetzen. Dazu müsste der Bundesrat eine entsprechende Anpassung beschließen, bei der die Bedingung des bevorstehenden Kennzeichenmangels gestrichen wird. Dies könnte es den 320 betroffenen Mittelstädten ermöglichen, ein eigenes Kennzeichen zu führen, ohne dass ein Engpass an Kennzeichenkombinationen vorausgesetzt wird.  © auto motor und sport

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