Mit dem Lamborghini Countach läutete der italienische Sportwagenbauer Anfang der 70er Jahre die Ära der brutalen Kampfkeile ein. Wir erinnern an ein in jeder Hinsicht kompromissloses Automobil.

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Der Lamborghini Countach ist ein Auto voller Missverständnisse. Das beginnt schon bei seiner Entstehung. Ursprünglich war ein Serienmodell der Studie LP500 nämlich gar nicht geplant. Doch die Reaktionen auf dem Genfer Autosalon 1971 zwangen den Autobauer aus Sant'Agata Bolognese geradezu, den Stier auf die Straße zu lassen.

Lamborghini Countach ab 1973 im Showroom

Und so stellte der italienische Sportwagenbauer zwei Jahre später – ebenfalls in Genf – einen ersten Prototypen der Öffentlichkeit vor. Obwohl der 120 Liter-Tank bei Verbräuchen jenseits von 30 Litern nicht gerade für lange Reisen geeignet und der Inhalt ein kleines Vermögen kostete, stand schon ein Jahr später die Serienversion in den Verkaufsräumen.

Nicht nur die Entstehungsgeschichte ist etwas kompliziert, auch die Bezeichnung des Keils auf vier Rädern bedarf genauerer Erklärung. Countach sieht zwar irgendwie englisch aus, stammt aber aus dem Schweizer Piemont-Dialekt und wird deshalb französisch ausgesprochen.

Die Chronisten streiten sich, ob es ein Bertone-Mitarbeiter, Designer Marcello Gandini oder gar Firmengründer Ferruccio Lamborghini selbst war, der beim Anblick des ersten Prototypen "Countach!" ausgerufen haben soll. Was nicht mehr und nicht weniger heißt als: "Besser geht es nicht".

748 PS auf 15-Zoll-Felgen

Die ersten Modelle des LP400 mit 375 PS und 4-Liter V12-Motor standen noch auf dünnen 215er Reifen. Doch Motorleistung und Gummidimensionen sollten sich mit der Zeit deutlich steigern. Der Hubraum wurde 1982 erst auf 4,8 Liter erweitert, drei Jahre später passten sogar 5,2 Liter Inhalt in die 12 Töpfe. Um die Leistung auf die Straße zu bringen, wurden Walzen im Format 345/35 aufgezogen. Während heute jeder Polo mit 17-Zöllern ausgerüstet ist, stand der Lamborghini Countach serienmäßig jedoch stets auf 15-Zoll-Felgen.

Der LP500S QV war mit seinen 455 PS aber noch nicht die Spitze des Eisbergs. Anfang der 80er-Jahre wurde bei Lamborghini kurz mit Turbo-Aufladung experimentiert. Dank 1,5 bar Ladedruck entwickelte die 4,8 Liter-Version bis zu 748 Pferdestärken. Der Tacho des Lamborghini Countach Turbo reichte bis 425 km/h. Doch das war wie alles am Countach etwas übertrieben. Aber die versprochenen 333 km/h Top-Speed hätten schon gereicht, um alles, was 1986 über Autobahnen und Highways düste, allenfalls am Auspuff schnüffeln zu lassen.

Die äußere Form der Aluminiumkarosserie passte zur Leistung. Der Lamborghini Countach wurde bestaunt, bewundert und begehrt, daran hatten auch die unter Ingenieure Paolo Stanzani durchgeführten Änderungen auf dem Weg von der ersten Studie bis zur Serienreife nichts geändert. Im Gegenteil, die stilistischen Korrekturen, wie etwa die hinter den Seitenfenstern aufgesetzten Schächte mit Lufteinlässen oder die NACA-Luftschlitze in den Flanken unterstrichen nachhaltig den Charakter dieses Wagens, den damalige Tester als wilde Bestie bezeichneten.

Doch wer die nur 1,07 Meter hohe Flunder fahren wollte, musste erst einmal hineinkommen. Die Tür schwingt nach oben und gibt eine Öffnung frei, bei deren Anblick die Frage entsteht: Soll man da mit den Füßen zuerst rein oder auf allen Vieren? Über den breiten Schweller rutscht man am besten mit dem Hinterteil voraus in die tiefe Sitzschale. Sind alle Extremitäten an ihrem Platz schmiegt sich die rechte Körperhälfte eng ans Getriebe. Die Schaltbox sitzt noch vor dem längs in Wagenmitte untergebrachten 12 Zylinder aus Leichtmetall.

Italienischer Kampfstier mit "Hyundai-Wing"

Ein kurzer Dreh am Zündschlüssel entschädigt sowohl für den komplizierten Einstieg, als auch die beengten Platzverhältnisse im Fußraum, die schwergängigen Kupplung und die mangelhafte Sicht nach hinten. Im Stand brubbelt das Monster dunkel vor sich hin. Beim Tritt aufs Gaspedal brüllt der Stier, als gelte es alle Gegner auf der Straße durch Lautstärke zu verscheuchen.

Roh wie der Antrieb gibt sich auch das Fahrwerk. Es bemüht sich erst gar nicht, Unebenheiten für die Passagiere erträglich zu machen. Je schneller das italienische Huftier vorangetrieben wird, desto energischer will es gebändigt werden. Nähert sich der Lamborghini der 300 km/h-Marke wird Auftrieb zum Thema und sorgt schon mal für Blässe im Gesicht des Fahrers. Ein monströser Heckflügel soll die Lage entschärfen. Ihn gab es als Extra in den 80er Jahren. Die Amis nannten ihn Hyundai Wing, weil er mit 5.000 Dollar so viel kostete wie ein Kompaktwagen der koreanischen Marke.

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Immerhin 2.042 Exemplare wurden vom Lamborghini Countach zwischen 1974 und 1990 gebaut. Und da sind wir wieder beim Thema Missverständnisse angelangt. Trotz seiner kompromisslosen Dynamik und dem praktischen Nutzwert einer Quietsche-Ente wurde der Brutalo-Keil vorwiegend von betuchten Jetsettern an der Côte D'Azur gekauft, die damit zwar lautstark aber oft nur wenig sportlich die Promenaden entlang flanierten.  © auto motor und sport

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