Bis Lamborghinis vierte Baureihe auf den Markt kommt, dauert es noch eine Weile. Doch die Pebble-Beach-Studie Lanzador nimmt Konzept, Design und Antrieb bereits vorweg: Mit zwei Türen, vier Sitzen und Höherlegung mutiert er zum "Ultra GT".
Die Idee eines vierten Lamborghini-Modells neben den beiden Sportwagen Revuelto und dem Huracan-Nachfolger sowie der SUV-Baureihe Urus wabert schon lange durch das Hauptquartier in Sant’Agata Bolognese. Bereits 2008 stellten die Italiener mit dem Estoque eine viertürige Limousine mit vier vollwertigen Sitzen vor, die seinerzeit über den vorn eingebauten 5,2-Liter-V10 aus dem Gallardo verfügte. Dann wurde es lange ruhig um Kampfstier Nummer vier – bis 2019 der damalige Lamborghini- und heutige Formel-1-Chef Stefano Domenicali bestätigte, dass die Marke an einem weiteren Modell arbeite. Er kündigte seinerzeit einen klassischen GT mit 2+2-Sitzkonfiguration an.
Nun, unter der Regentschaft von Domenicalis Nachfolger Stephan Winkelmann, der auch sein Vorgänger war, wird die Ankündigung endlich Realität. Im Rahmen der Monterey Car Week präsentiert Lamborghini den Lanzador, bei dem es sich allerdings noch nicht um ein Serienauto handelt. Das kommt erst 2028, aber die Konzeptstudie sei "dicht am Serienauto und keine verwegene Vision ohne Chance auf Realisierung", sagt Rouven Mohr, der in Sant‘Agata als "Chief Technical Officer" (CTO) über die technische Entwicklung neuer Lamborghini-Modelle wacht. Der Urus sei als Concept Car damals weiter vom Serienauto weggewesen, als es jetzt beim Lanzador der Fall sei.
Design des Lamborghini Lanzador
Aus dem 2019 avisierten "klassischen GT" ist beim Lanzador allerdings ein – so nennt ihn Mohr – "Ultra GT" geworden. "Er verbindet die Formensprache heutiger Lamborghini-Sportwagen mit einer höheren Bodenfreiheit und großer Heckklappe", erklärt der gebürtige Saarländer. Die Linie des komplett verglasten Daches verlaufe anders als bei einem SUV, nämlich sportwagenähnlich. Tatsächlich streckt sich das auf 1,50 Meter Höhe positionierte Dach gerade nach hinten, um gen Heck sanft auszulaufen. Die Fensterlinie knickt früher ab, wodurch sich eine starke C-Säule ergibt.
Frontpartie
Charakteristisch für einen Lamborghini: Die Frontpartie des im Farbton "Azzurro Abissale" (Tiefseeblau) lackierten Lanzador steigt stark an, wobei die Windschutzscheibe die Linie fast nahtlos aufnimmt. Die Frontschürze präsentiert in Sachen Kühleinlässe die markentypische Dreiteilung und LED-Tagfahrlicht-Schlitze, die die eng zusammengekniffenen Hauptscheinwerfer ergänzen. Der Frontsplitter ist für Lambo-Verhältnisse eher dezent dimensioniert. Das passt zur Ausrichtung des Lanzador – die Baureihe sei schließlich "daily-user-orientiert", sagt Mohr.
Seitenansicht
In der Seitenansicht des etwa fünf Meter langen Lamborghini Lanzador zeigt sich der Design-Mix aus Sportwagen-, SUV- und Crossover-Elementen am deutlichsten. 17 Zentimeter Bodenfreiheit, weit ausgestellte Kotflügel, beplankte Radläufe und riesige, aerodynamisch optimierte Felgen im 23-Zoll-Format sorgen für die SUV-Komponente im Look des Concept Cars. Die beiden großen Türen, die seitlichen Luftein- und -auslässe sowie mehrere lichtbrechende Sicken und Kanten schaffen eine Nähe zum typischen Lamborghini-Sportwagen-Design. GT-Proportionen rufen das vordere Dreiecks- und das hintere Seitenfenster hervor; beide sind für Lambo-Verhältnisse üppig dimensioniert.
Heck-Design
Diese Dreifaltigkeit lässt sich auch am Heck erkennen. Der Lamborghini Lanzador erscheint aus dieser Perspektive SUV-mäßig aufgebockt. Ein Eindruck, der sich verstärkt durch die hinter den Rädern unten stark eingezogene Heckschürze, die damit den Blick auf das Reifenprofil freigibt. Klassisch Lamborghini – und damit Sportwagen – sind die scharfe Abrisskante, der Diffusor (mit aktiver Steuerung) und die dreigeteilten Heckleuchten. Ungewöhnlich ist dagegen, dass sich die Heckklappe, auf der zentral der Marken-Schriftzug prangt, weit nach unten in die Heckschürze zieht.
Innenraum des Lamborghini Lanzador
Wie die Innenraumbilder zeigen, wurde das einst von Domenicali angekündigte 2+2-Sitz-Layout umgesetzt. Und zwar mit der für die Marke typischen Fighter-Jet-Ästhetik samt tiefen Sitzpositionen in der ersten Reihe. Das Armaturenbrett ist schlank ausgeführt, wobei die Mittelkonsole über eine Y-förmige Brücke angebunden ist. Alle Materialien bezeichnet Lamborghini als nachhaltig. Zum Einsatz kommen Merinowolle, umweltfreundlich gegerbtes Leder sowie recyceltes Nylon, Kunststoff aus wiederverwendeten Fasern und regeneriertes Carbon.
Dank verstell- und klappbarer Rücksitze soll das hintere Gepäckabteil – ein weiteres befindet sich unter der Fronthaube – geräumig und variabel genug sein, um ein Mountainbike oder Snowboard aufzunehmen. Was sich genau im Kofferraum verbirgt, ist wegen der Glasscheibe gut zu sehen – genau wie bisher die mittig angeordneten Verbrennungsmotoren der Lamborghini-Sportwagen.
Infotainment und Konnektivität
Zudem verspricht Lamborghini ein "unvergleichliches On-Board-Erlebnis durch neue Infotainment-Funktionen". Diese sowie die Klimatisierung und weitere Funktionen lassen sich über eine auf der Mittelkonsole untergebrachte "Piloteneinheit" steuern. Beim Lanzador verfolgt Lamborghini einen "Gamification"-Ansatz, wobei die Fahrerin oder der Fahrer eine Story aufnehmen und direkt online posten sowie ein Fahrerprofil er- und darstellen können. Damit das Auto kein "Fernseher auf Rädern" (O-Ton Mohr) ist, verfügt das Concept Car über automatisch versenkbare Displays.
Antriebstechnik des Lamborghini Lanzador
Obwohl die Markteinführung der Serienversion, die dann wahrscheinlich nicht Lanzador heißen wird, noch etwa fünf Jahre auf sich warten lässt, gibt Lamborghini schon recht konkrete Hinweise auf die Antriebstechnik. Das Auto wird über einen Elektromotor pro Achse verfügen, was es zum Allradler macht und zu einer Spitzenleistung von über einem Megawatt – also mehr als 1.360 PS – befähigt. Die Energie liefert ein "Hochleistungsakku einer neuen Generation", der wohl noch auf eine Lithium-Ionen-Zellchemie zurückgreift.
Plattform und Fahrdynamik
Batterie und Antrieb sitzen im neuen SSP-Baukasten (Scalable Systems Platform) des VW-Konzerns, der derzeit entwickelt wird und frühestens 2026 erstmals zum Einsatz kommen soll. Porsche und Rimac sollen eine sportlich ausgelegte Version der SSP erhalten, die dann auch bei Lamborghini Verwendung finden dürfte. Rouven Mohr legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass die Feinabstimmung von Software und Steuerungssystemen im Verantwortungsbereich der Marke liegt: "Lamborghini wird sich in Zukunft durch eine Strategie aller aktiven Regelungssysteme definieren und differenzieren", sagt der CTO. Das Fahrgefühl solle nicht jenes eines Verbrenners kopieren, zumal in Sachen integrierter Fahrdynamikregelung ein Niveau erreicht werden könne, das bisher für Serien-Sportwagen nicht möglich war. Dabei hilft, dass sich jedes Rad einzeln mit genau so viel Kraft versorgen lässt, wie sie die jeweilige Fahrsituation erfordert.
Konkret bedeutet das: Bereits im Lanzador lässt sich vom Fahrer oder von der Fahrerin der Charakter des Autos vom Cockpit aus vielfältig einstellen. Die Fahrdynamik-Regelung Lamborghini Dinamica Veicolo Integrata (LDVI) arbeitet künftig mit deutlich mehr Sensoren und Aktuatoren, um ein präziseres Fahrverhalten zu ermöglichen. Hinzu kommt eine aktive Aerodynamik mit geringstmöglichem Luftwiderstand bei hohem Tempo und maximalem Abtrieb in Kurven. Denn Rennstreckentauglichkeit stand durchaus im Lastenheft des Lanzador, "war aber kein primärer Fokus", wie Mohr zugibt. Das Fahrwerk mit lenkbarer Hinterachse und Luftfederung passt sich eigenständig an die Fahrsituation an oder lässt sich vordefinieren.
Produktion, Marktstart und Preis
Die Produktion seiner vierten Baureihe will Lamborghini am Stammsitz in Sant’Agata Bolognese ansiedeln, der zu diesem Zweck erweitert wird. Rouven Mohr stellt einen Preis in Aussicht, der sich "tiefer als bei einem Hypercar" ansiedeln wird. Als Produktionsstart war bislang 2028 anvisiert. Jüngere Äußerungen des Herstellers sind da etwas zurückhaltender. "Spät innerhalb dieser Dekade oder Anfang der nächsten", steht als unkonkretes Datum inzwischen im Raum.
Stammbaum des Lamborghini Lanzador
Ganz neu ist das GT-Konzept bei Lamborghini nicht. Eines der ersten Modelle der Italiener nach Gran-Turismo-Machart war der 400 GT 2+2. Es folgten der Islero, der Jarama und der Urraco sowie der Espada. Nach mehreren Jahrzehnten Gran-Turismo-Pause folgte 2008 die bereits erwähnte Konzeptstudie Estoque. Im Gegensatz zu diesem hält Stephan Winkelmann die Serienversion des Lanzador für "die absolut logische Erweiterung des bestehenden Portfolios". Er sei das perfekte Bindeglied zwischen dem Urus und den Supersportwagen der Marke, so der aktuelle Lamborghini-Chef. © auto motor und sport
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