Polestar besetzt überraschend seine Chefetage neu. Thomas Ingenlath geht, Michael Lohscheller kommt. Er ist nicht der einzige neue erfahrene Automanager aus Deutschland, der bei den Schweden installiert wird.

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Das ist mal ein überraschendes Comeback: Wie Polestar offiziell bekannt gibt, wird Michael Lohscheller neuer CEO der schwedischen Elektroautomarke. Er folgt auf Thomas Ingenlath, der seit der Gründung der Volvo-Schwester in dieser Position tätig war und mit Wirkung zum 1. Oktober 2024 zurücktritt. Offizielle Gründe für den Chefwechsel wurden nicht genannt. Doch die anhaltend schlechte wirtschaftliche Lage der Marke dürfte ein ausschlaggebender Grund für die Maßnahme sein. Polestar verfehlt aktuell seine Absatzziele und macht bereits mehrere Jahre in Folge Verluste. Erst im Frühjahr 2022 gab Volvo einen beträchtlichen Teil seiner Polestar-Anteile an Geely, die chinesische Konzernmutter beider Marken, ab und nahm parallel einen Großkredit von 950 Millionen Dollar (aktuell etwa 850 Millionen Euro) auf.

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Der neue CEO fühlt sich eigenen Angaben zufolge dennoch "geehrt, zu einem so spannenden Zeitpunkt in der Geschichte des Unternehmens zu Polestar zu stoßen." Lohschellers Berufung zum neuen Polestar-CEO kommt quasi aus dem Nichts, denn seine letzten Stationen waren nicht gerade von Erfolg gekrönt. Polestar ist Lohschellers vierter Arbeitgeber innerhalb von etwas mehr als drei Jahren. Im Sommer 2021 gab er seinen Chefposten bei Opel an Uwe Hochgeschurtz ab. Kurze Zeit später folgte ein Engagement beim aufstrebenden vietnamesischen Autohersteller Vinfast, das jedoch nach vier Monaten bereits wieder beendet war. Im Frühjahr 2022 wechselte Lohscheller dann in die USA zum Elektro-Mobilitäts-Start-up Nikola und wurde dort erst Präsident, bevor er zum CEO aufstieg. Dieser Job endete im August 2023 bereits wieder. Der Automanager wechselte zurück nach Europa – auf eigenen Wunsch, wie es damals hieß.

Lohscheller als CEO, Vahland als Vorstandsvorsitzender

Polestar traut Michael Lohscheller anscheinend dennoch einiges zu. Die Schweden schätzen seine Erfahrung in der Automobilindustrie, insbesondere in der Steuerung von wettbewerbsintensiven Märkten und der Skalierung von Unternehmen. "Michael Lohscheller ist die ideale Persönlichkeit, um Polestar in eine neue Ära zu führen", sagt der neue Vorstandsvorsitzende Winfried Vahland. "Seine tiefgreifenden Branchenkenntnisse, insbesondere die operative Exzellenz, die Entwicklung einer kohärenten Produktstrategie und die Stärkung der globalen Marktpräsenz voranzutreiben, werden für die nächste Wachstumsstufe von Polestar entscheidend sein."

Vahland selbst ist ebenfalls eine spannende Personalie. Er startete 1990 eine Management-Karriere im Volkswagen-Konzern und übernahm dort 2005 die Verantwortung für dessen China-Aktivitäten, bevor er 2010 zum Vorstandsvorsitzenden von Skoda berufen wurde. 2015 verließ er überraschend nicht nur diesen Posten, sondern den gesamten Konzern, obwohl er eigentlich schon zum Leiter der Region Nordamerika, Mexiko und Kanada für die VW AG auserkoren war. Bei Bekanntgabe der Personalie wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nicht im Zusammenhang mit den kurz zuvor aufgedeckten Diesel-Manipulationen gestanden habe. Eher im Verborgenen wechselte Vahland später in die Aufsichtsräte der Volvo Car Group und des malaysischen Proton-Konzerns, bevor er im Januar 2024 den Vorstandsvorsitz bei Polestar übernahm.

Vom Designer zum Polestar-Chef

Mit Thomas Ingenlath verlässt ebenfalls ein Deutscher das Volvo-Polestar-Universum nach vielen Jahren. Der gebürtige Krefelder legte eine für die Autobranche ungewöhnliche Karriere hin: Er ist eigentlich Autodesigner und wechselte 2012 als Chief Design Officer nach Schweden. Fünf Jahre später erhielt er den Chefposten bei Polestar, um den Hersteller als Premium-Elektroauto-Marke zu etablieren. "Wir sind ihm für seine Leitung zu tiefstem Dank verpflichtet", würdigt Vahland die Verdienste von Ingenlath. "Er hat die Umwandlung von einer Volvo-Performance-Division in eine globale Premium-Elektrofahrzeugmarke mit einem herausragenden Fokus auf Design, Performance und Premium-Qualitäten verantwortet." Ingenlath selbst ist "sehr stolz auf das, was wir in den letzten sieben Jahren gemeinsam erreicht haben." Wohin es ihn nun zieht, ist noch nicht bekannt.

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Trotz der aktuellen Probleme hält Polestar an seinen ambitionierten Plänen fest. Die Marke will in den kommenden Jahren ihre globale Präsenz weiter ausbauen. "Mit skandinavischem Erbe, Leidenschaft und Performance wird Polestar neue Maßstäbe für die individuelle Mobilität der Zukunft setzen", sagt Winfried Vahland. Auch Konzernmutter Geely engagiere sich weiterhin stark für den Erfolg von Polestar. Das Gelingen dürfte maßgeblich von den neuen Elektro-SUV-Modellen Polestar 3 (siehe Fotoshow über dem Artikel) und 4 (siehe Video nach dem ersten Absatz) abhängen, die aktuell auf den internationalen Märkten eingeführt werden.  © auto motor und sport

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