Die Debatte um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Eine aktuelle Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) legt neue Daten vor, die einen Einblick in das tatsächliche Fahrverhalten auf unbeschränkten Autobahnabschnitten geben.

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Die Auswertung zeigt, dass die meisten Autofahrer sich an die empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 km/h halten, auch wenn keine Geschwindigkeitsbegrenzung besteht.

Durchschnittsgeschwindigkeit leicht gesunken

Laut der Analyse des IW betrug die durchschnittliche Geschwindigkeit von Pkw auf Autobahnen ohne Tempolimit zuletzt 113,5 km/h. Dies entspricht einem Rückgang um 3 km/h im Vergleich zur vorherigen Messung aus dem Jahr 2021, als die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 116,5 km/h lag. Auch in der Zwischenmessung aus dem Jahr 2022 war eine Reduktion auf 115,2 km/h festgestellt worden.

Die Erhebung basiert auf Daten aus automatischen Zählstationen in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit dem dichtesten Autobahnnetz und den meisten angemeldeten Pkw. Die Messungen wurden im Zeitraum von Mai bis August 2024 durchgeführt.

Mehrheit der Autofahrer bleibt unter 130 km/h

Die Daten zeigen, dass 83 Prozent der erfassten Fahrzeuge eine Geschwindigkeit von maximal 130 km/h einhielten. Weitere 10,5 Prozent bewegten sich im Bereich zwischen 130 und 140 km/h. Lediglich 7,5 Prozent der Fahrzeuge fuhren deutlich schneller, wobei nur ein Prozent eine Geschwindigkeit von über 160 km/h erreichte. Diese Werte belegen, dass die Mehrheit der Autofahrer auch ohne verpflichtendes Tempolimit eine moderate Geschwindigkeit wählt.

Die Analyse deutet darauf hin, dass der Rückgang der Durchschnittsgeschwindigkeit unter anderem mit einem höheren Verkehrsaufkommen zusammenhängt. Während der Corona-Pandemie waren weniger Fahrzeuge unterwegs, was höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten ermöglicht hatte. Seitdem ist der Verkehr wieder deutlich angestiegen. Daten des Bundesverkehrsministeriums belegen eine Zunahme der täglichen Verkehrsstärke auf Autobahnen um etwa zehn Prozent zwischen 2021 und 2023.

Der Einfluss der Kraftstoffpreise auf das Fahrverhalten wird hingegen als gering eingeschätzt. Trotz erheblicher Schwankungen der Spritkosten in den vergangenen Jahren zeigte sich keine signifikante Anpassung der Durchschnittsgeschwindigkeiten. Laut IW-Forscher Thomas Puls überwiegt der Bedarf an Mobilität die zusätzlichen Kosten durch höhere Kraftstoffpreise.

Verkehrsdichte beeinflusst Geschwindigkeit

Die Untersuchung ergab zudem deutliche Unterschiede je nach Verkehrssituation. Bei "flüssigem Verkehr" wurde eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 118 km/h gemessen. Bei dichterem Verkehr sank diese auf 83 km/h, während sie im Fall von "Stopp & Go"-Situationen auf Schrittgeschwindigkeit fiel. Insgesamt wurde festgestellt, dass sich mehr als 91 Prozent der erfassten Pkw in Phasen mit flüssigem Verkehr bewegten.

Unterschiede zeigten sich auch hinsichtlich des Fahrverhaltens an verschiedenen Wochentagen. An Wochenenden lag die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 116,5 km/h, während sie an Werktagen bei 112,2 km/h lag. Überraschend war, dass Fahrzeuge mit besonders hohen Geschwindigkeiten (zwischen 170 und 200 km/h) an Wochenenden im Schnitt etwas langsamer unterwegs waren als an Werktagen.

Tempolimit weiterhin umstritten

Die Ergebnisse der Analyse liefern neue Argumente für die anhaltende Debatte um ein generelles Tempolimit. Ein Bündnis aus Umwelt- und Verkehrsorganisationen hat erneut eine Geschwindigkeitsbegrenzung gefordert, unter anderem mit Verweis auf potenzielle Einsparungen beim Kraftstoffverbrauch, eine Verringerung von Unfällen und den Klimaschutz.

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IW-Experte Thomas Puls hingegen sieht in der Diskussion um ein Tempolimit eine überschätzte Maßnahme: "Im Verkehrssektor gibt es größere Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Infrastruktur. Die Debatte um ein allgemeines Tempolimit ist im Verhältnis zu seinem tatsächlichen Nutzen überzogen."  © auto motor und sport

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