Um das Miteinander im Straßenverkehr zu regeln, sind die Verkehrsregeln da. Eigentlich sollte damit alles klar sein - ist es aber nicht immer. Hier kommen Gerichte ins Spiel: Klagen geschädigte Autofahrer, gelten die gesprochenen Urteile häufig als wegweisend, da sie rechtliche Grauzonen abdecken oder über Irrtümer aufklären. Manche Urteile, die im Zusammenhang mit Unfällen stehen, sollten Autofahrer daher auf jeden Fall kennen. Eine Übersicht.
Etwas Grundsätzliches vorweg: Welche Rechte und Pflichten Sie als Teilnehmer im Straßenverkehr besitzen, darüber klärt die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) auf. Diese deckt bestimmte Themenbereiche jedoch nur unzureichend ab. Fühlen sich Autofahrer deshalb ungerecht behandelt, landen Streitigkeiten häufig vor Gericht. Beachten Sie allerdings: Gerichte sind an bereits gefällte Urteile nicht gebunden. Hatte ein Autofahrer mit einer Klage Erfolg, heißt das nicht, dass es einem anderen Autofahrer genauso ergehen muss. Die Entscheidung hängt immer vom Einzelfall ab.
Smartphone im Auto nutzen
"Handy am Steuer, das wird teuer!", heißt es im Volksmund - und so sehen es auch viele Gerichte in Deutschland. Paragraf 23 der StVO sieht zu diesem Thema vor: "Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss."
Man muss also nicht einmal telefonieren, um mit Bußgeld und Punkten bestraft zu werden. Im April 2009 sprach das Oberlandesgericht Köln beispielsweise einen Fahrer schuldig, der versuchte, sein Handy während der Fahrt einzuschalten (AZ: 83 Ss-OWi 032/09). Bereits 2005 untersagte das Gericht das kurze Ablesen des Displays (AZ: 2Ss Owi 177/05) und 2008 die Nutzung des Smartphones als Navigationsgerät (AZ: 81 Ss-OWi 49/08). Das Thüringer Oberlandesgericht verbot 2006 die Verwendung des Handys als Diktiergerät während der Fahrt (AZ: 1Ss 82/06).
Mithaftung nach riskantem U-Turn
In der Großstadt schnell einmal die Richtung wechseln, ist gar nicht so einfach - und auch nicht ungefährlich. Doch selbst wenn der sogenannte U-Turn nicht durch Verkehrsschilder untersagt wird, sollten Sie sich ein solches Wendemanöver gut überlegen. Das Oberlandesgericht Saarbrücken gab 2008 einem Autofahrer die Mitschuld an einem Unfall, der wegen eines geplanten U-Turns besonders langsam in eine Kreuzung einfuhr und so nach Ansicht des Gerichts einen Auffahrunfall provozierte (AZ: 4 U 193/07 - 81). Obwohl das Wendemanöver an dieser Stelle nicht verboten war, sei es an dieser Stelle ungewöhnlich, so die Richter. Der nachfolgende Fahrer hätte zurecht mit einem zügigen Weiterfahren des Wendenden gerechnet. Als Folge musste der mitschuldige Autofahrer 50 Prozent des Schadens selbst tragen.
Schuldeingeständnis nach einem Unfall
Ist es zu einem solchen oder ähnlichen Zusammenstoß gekommen, dann verlassen Sie sich nicht darauf, wenn Unfallbeteiligte Ihre Schuld an der Kollision bekennen. Selbst wenn derjenige bei Austausch der Versicherungsdaten schriftlich seine Schuld eingesteht, ist das noch kein rechtlich bindendes Schuldeingeständnis. So urteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Fall 2008 (AZ: I-1 U 246/07). Da man in so einer Situation keine solche Einschätzung abgeben könne und auch zu klären sei, ob eine Mitschuld anderer Beteiligter vorliege, muss der geständige Verursacher nicht automatisch die volle Haftung übernehmen.
Geraten Sie in eine solche Situation, müssen Sie kein Schuldgeständnis abliefern - oder können es im Nachhinein widerrufen. Eine Ausnahme: Sie haben dieses gegenüber der Polizei abgegeben. Dann kann es mitunter rechtlich bindend sein.
Schäden durch Schlaglöcher
Ein leidiges Thema auf deutschen Straßen sind die Schlaglöcher. Verursachen Sie Schäden am Auto, stellt sich der Fahrer häufig die Frage nach der Haftung. Kann er Geld von der Versicherung, der Gemeinde, der Stadt, dem Land oder gar dem Bund einfordern? Diese Frage ist immer im Einzelfall zu klären. Es existieren sowohl Urteile, die dem klagenden Autofahrer Recht gaben, als auch Fälle, in denen der Kläger auf den Kosten sitzen blieb.
Das Bundesland Sachsen-Anhalt musste 1998 beispielsweise einem Geschädigten die Reparaturkosten ersetzen, dessen Auto durch ein zwölf Zentimeter großes Schlagloch auf der Autobahn beschädigt wurde (AZ: 7 O 470/97). Trotz der Hinweisschilder müsse der Fahrer Schäden dieses Ausmaßes auf der Autobahn nicht hinnehmen.
Anders bei einem Fall, der 2011 vor dem Landgericht Heidelberg verhandelt wurde (AZ: 5 O 269/10): Hier wurde die Klage des Autofahrers abgewiesen, der 1.000 Euro Schadensersatz von der Gemeinde forderte. Er war durch ein etwa 30 mal 70 Zentimeter großes und bis zu 7,5 Zentimeter tiefes Schlagloch gefahren. Nach Ansicht des Gerichts war dieses aber so groß, dass es bereits von Weitem zu erkennen sei. Der Fahrer hätte das Schlagloch umfahren oder aber mit geringerer Geschwindigkeit durchfahren können, ohne dass Schäden am Auto zu befürchten gewesen seien, heißt es im Urteil.
Nicht nur diese Beispiele zeigen also, dass es immer von den Details des Einzelfalls abhängt, wie die Richter entscheiden. Nehmen Sie Urteile daher immer nur als Richtlinie, niemals als Ihnen zugesprochenes Recht wahr. © 1&1 Mail & Media/ContentFleet
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