Der neue Bugatti prahlt mit V16-Motor und 1.800 PS. Ein genauer Blick auf die Technik zeigt, wie es der Tourbillon in zehn Sekunden auf 300 km/h schafft – und wie es zum außergewöhnlichen Antriebskonzept kam.

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Als der Bugatti Veyron 16.4 im Jahr 2005 auf den Markt kam, war er das erste Serienauto der Welt mit mehr als 1.000 PS. Herzstück für die Bugatti-Power war seither ein Achtliter-W16-Motor mit vier Turboladern, der es in den letzten Ausbaustufen des Chiron auf bis zu 1.600 PS bringt. Ziemlich genau 20 Jahre nach der Veyron-Premiere kommt nun dessen Enkel "Tourbillon" zur Welt. Und der verschiebt die Leistungs-Messlatte mit 1.800 PS erneut nach oben. Wie geht das?

Bugatti komplett neu gedacht

Zunächst einmal musste oder durfte der noch frische Bugatti-CEO Mate Rimac bei den ersten Entwürfen zum Chiron-Nachfolger den Antrieb komplett neu denken. Schließlich hatte der W16-Quadturbo aus dem Volkswagen-Konzern nach 20 Jahren ausgedient – auch wegen moderner Emissionsvorschriften. Weniger Leistung als der Vorgänger kam natürlich nicht infrage. Verbrenner-Fans fürchteten bereits, der nächste Bugatti würde wie der Rimac Nevera rein elektrisch angetrieben.

Dass das Team von Mate Rimac dennoch an einem Bugatti-Konzept mit Verbrennungsmotor festhielt, hatte mehrere Gründe. Zum einen zeigt sich beim Rimac Nevera, dass die zahlungskräftigste Klientel dieses Planeten bislang nicht gänzlich bereit ist, auf das Faszinationspotenzial eines Hochleistungs-Verbrenners zu verzichten. Zum zweiten erregten zu dieser Zeit gleich zwei spektakuläre Hypersportwagen mit nie dagewesener Verbrenner-Technik extreme Aufmerksamkeit. Und die galt es, zu übertreffen.

Aston Martin Valkyrie und Gordon Murray T.50

Gemeint sind der Aston Martin Valkyrie und der T.50 von Gordon Murray – beides Hypersportwagen von der britischen Insel, die von einem extrem hochdrehenden V12-Saugmotor angetrieben werden. Im gut drei Millionen Euro teuren Aston Martin leistet der 6,5 Liter große Saugmotor 1.014 PS bei 10.000 Umdrehungen. Der noch höher drehende V12 im T.50 von Gordon Murray bringt es aus vier Litern Hubraum auf 663 PS bei unglaublichen 12.100 Touren.

Und noch eines haben der Formel-1-Ableger Valkyrie und der legitime McLaren-F1-Erbe T.50 gemeinsam. Beide V12-Motoren entstammen der Feder von Motorenbauer Cosworth aus dem englischen Northampton. Und genau hier klingelte das Telefon, als Mate Rimac am Anfang des Entstehungsprozesses des neuen Bugatti zum Hörer griff.

Cosworth wird zum geheimen Hypercar-Ausstatter

Von Anfang an war klar, dass sich der neue Bugatti-Motor nicht mit "nur" zwölf Zylindern zufriedengeben konnte. Die Zahl 16 war auch wegen der erfolgreichen Geschichte früh gesetzt. Wegen des Ansprechverhaltens, der Emotionalität, der Drehfreude und natürlich des Sounds sollte nun allerdings auf Turbolader verzichtet werden. Nach ersten Entwürfen entpuppte sich das W16-Prinzip – bei ihm sind die Zylinder kompakt versetzt auf zwei breiten Zylinderbänken verteilt – als nicht geeignet.

Für die freie Ansaugung benötigten die Zylinder und die Ansaugtrichter deutlich mehr Platz. Die Lösung war die Anordnung von jeweils acht Zylindern in Reihe auf zwei Bänke mit einem 90-Grad-Versatz verteilt. Solche V16-Motoren tauchen in der Automobil-Geschichte immer wieder auf – beispielsweise in Rennwagen der 1930er-Jahre, oder in Studien und Prototypen von Cadillac oder BMW. In Serienproduktion gingen die gewaltigen und sehr langen V16-Motoren allerdings nicht. Das wird sich mit dem Bugatti Tourbillon nun ändern. Vom "Basis-Modell" sollen immerhin 250 Exemplare entstehen.

8,3-Liter-V16 wiegt 252 Kilogramm

Anders als bei den britischen Leichtbau-Rennern von Aston Martin und Gordon Murray ging es bei der Entwicklung des Bugatti-Motors aber nicht nur um spielerische Drehfreude und maximale Leistung. Vielmehr sollte der Antrieb den souveränen Charakter des Chiron mit seinem gewaltigen Drehmoment (1.600 Newtonmeter) behalten. Das prinzipbedingt geringere Drehmoment von Saugmotoren sollen dagegen kräftige Elektromotoren ausgleichen (siehe weiter unten).

Video: So klingt der neue Bugatti V16-Motor

Der neue Sauger, der es auf ein Gewicht von 252 kg bringt, bekommt einen Hubraum von 8,3 Liter bei sehr hoher Verdichtung von 14,5:1. Die maximale Drehzahl des 90-Grad-V16 liegt trotz dieser mächtigen Zahlen bei ebenso mächtigen 9.000 Umdrehungen. Dabei helfen die große Bohrung (92 Millimeter) und der kleine Hub von nur 78,55 Millimeter. Mit 1.000 PS und 900 Newtonmetern gehört das Monster dann zu den stärksten Saugmotoren der Automobil-Geschichte. Und es klingt gewaltig, wie man im Video hören kann.

1.000 Verbrenner-PS nur für die Hinterräder

Hinter dem einen Meter langen Motorblock hat Bugatti ein gewaltiges ebenso langes Achtstufen-Doppelkupplungsgetriebe geflanscht, das die Kraft des V16 über ein elektronisches Sperrdifferential an beide Hinterräder schickt. Die tragen spezielle Michelin-Cup2-Reifen im Format 345/30 ZR21 und müssen nicht nur die Verbrenner-Power auf die Straße bringen, sondern auch noch mit dem Extra-Punch eines Elektromotors klarkommen.

Der versteckt sich in Form einer 250 kW starken Permanent-Synchronmaschine im Getriebe und sorgt gleichzeitig auch für das Rückwärtsfahren. Das Getriebe selbst kann so auf den Platzanspruch und das Gewicht eines zusätzlichen Rückwärtsgangs verzichten. Doch das 22 Kilogramm leichte Elektro-Kraftpaket, das bis zu 24.000 Umdrehungen schafft, ist nicht der einzige Elektromotor im neuen Bugatti Tourbillon.

Allradantrieb dank Hybrid-Technik

Nach gewohnter Umrechnung bringt es die E-Maschine also auf 340 PS. Allein diese Power würde schon für einen Elektro-Sportwagen mit guten Fahrleistungen reichen. Der Bugatti Tourbillon besitzt aber noch zwei weitere, baugleiche E-Motoren an der Vorderachse. Unter der im Vergleich zum Chiron nochmals 45 Millimeter tieferen Front verstecken sich also zusätzliche 680 Elektro-PS. Als Systemleistung aller vier Motoren gibt Bugatti 1.800 PS an. Die Fahrleistungen sind nicht von dieser Welt. Wir erklären sie im folgenden Artikel.

Die Vorderachse wiegt trotz beider E-Maschinen gerade 125 Kilogramm, obwohl sie außerdem noch zwei 800-Volt-Inverter aus Siliziumkarbid beherbergt. Beide Front-Motoren übernehmen ausschließlich die Antriebs- und Rekuperationsarbeit an der Vorderachse. Eine mechanische Verbindung via Kardantrieb zwischen beiden Achsen gibt es nicht. Dennoch benötigt der Bugatti Tourbillon einen Mitteltunnel. Unter dem verstecken sich nämlich ganz besondere Komponenten.

Rimac-Teile im Bugatti Tourbillon

Im Mitteltunnel des Karbon-Monocoques sitzen nämlich die Batteriezellen der Traktionsbatterie. Sie basieren auf der 800-Volt-Technologie von Rimac und bringen es zusammen auf eine Abgabeleistung von mehr als 600 kW (Peak Power). Die runden NCA-Zellen (Lihtium-Nickel-Cobalt-Aluminium) vom Typ 21.700 werden dabei ohne Gehäuse direkt im Karbon-Tunnel verbaut und von Öl gekühlt.

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Insgesamt bringt es die Rimac-Batterie auf eine Speichermenge von 24,7 kWh. Mit diesem Stromvorrat kann der Bugatti Tourbillon sogar gut 60 Kilometer rein elektrisch fahren. Dafür wollen die Ingenieure noch verschiedene Hybrid- und Fahr-Programme implementieren. Bereits jetzt ist klar, dass es einen rein elektrischen Antriebsmodus geben wird. Und bei all dieser Technik und zusätzlichen Elektro-Power wird der Bugatti Tourbillon sogar leichter als sein Vorgänger Chiron.  © auto motor und sport

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