Die Polizei könnte Rotsünder künftig auch per Drohne jagen. In Hamburg läuft derzeit ein Test zur Rotlichtüberwachung an Ampeln.

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Nach einem Bericht des Hamburger Abendblatts sind die Aufnahmen gestochen scharf, das Fluggerät schwebt leicht versetzt über der Ampel, erfasst Kennzeichen sowie Ampelphasen. Bei der konventionellen mobilen Rotlichtüberwachung muss die Polizei noch ein ziviles Fahrzeug in Kreuzungsnähe platzieren. Das meldet beobachtete Rotfahrten per Funk an Kollegen weiter, die das Auto dann anhalten. Das Problem: Für die Zivilwagen ist nicht an allen Kreuzungen der Hansestadt genug Platz, weshalb die Behörden jetzt in die Luft gehen.

Drohnen als Geschwindigkeitskontrolle: Erfahrungen aus der Schweiz

Im Schweizer Kanton Thurgau kontrollieren Drohnen sogar das Tempo. Das Obergericht dort hat deren rechtmäßigen Einsatz letztinstanzlich und damit rechtskräftig bestätigt (Az. SBR.2024.1). Hauptargument: Die Drohne messe nicht die Geschwindigkeit, sondern filme lediglich die Fahrt. Deshalb unterliege sie auch nicht den Schweizer Zulassungs- und Eichanforderungen. Es reiche, wenn ein speziell ausgebildeter Beamter die Geschwindigkeit später anhand der Videoaufnahmen berechnet.

Ähnlich sieht es auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig, die auto motor und sport eine Einschätzung gegeben hat. Das Mess- und Eichrecht gelte nur für Messgeräte, nicht aber für Messverfahren, sagt der Leiter des Fachbereichs Geschwindigkeit, Dr. Robert Wynands. "Blitzer" müssten geeicht sein, während es für Messverfahren solche Vorschriften nicht gebe.

Dafür müsse man die Messunsicherheit des Verfahrens kennen. "Also letztlich, welchen Geschwindigkeitsbetrag man einseitig zu Gunsten des Schnellfahrers abziehen muss, um sicherzugehen, dass niemandem ein höherer Wert vorgeworfen wird als tatsächlich gefahren", erklärt Physiker Wynands. Das könne "dann auch mehr als die bei uns für Messgeräte üblichen 3 km/h bzw. 3 Prozent sein."

Datenschutz und rechtliche Grenzen in Deutschland

Auch Verkehrsrechtler Alexander Gratz aus Bous (Saarland) glaubt, dass Drohnenüberwachung in Deutschland grundsätzlich zulässig ist – sofern die Toleranzabzüge höher ausfallen. Der Jurist stützt sich bei dieser Einschätzung auf Rechtsprechung aus den neunziger Jahren, die Tempomessungen aus Hubschraubern erlaubt hat. Nach der Strafprozessordnung dürften aber nur so wenige Eingriffe in Persönlichkeitsrechte erfolgen wie nötig. "Grundsätzlich muss ein Anfangsverdacht bestehen", so Gratz. Da dieser nicht automatisch gegen alle Autofahrer vorliegt, die unter den "fliegenden Augen" einer Drohne rollen, müssten Kennzeichen und Gesichter Unverdächtiger möglichst von Anfang an unkenntlich gemacht oder so bald wie möglich gelöscht werden.

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Zudem sei eine offene Überwachung anzuraten – "etwa durch Schilder, die auf die Überwachungsmaßnahmen hinweisen", erklärt der Jurist. Die Kameraperspektive müsse ein unverzerrtes Bild davon liefern, wann Messpunkte auf der Straße überfahren werden, die später zur Tempoberechnung dienen. Ebenso wäre es erforderlich, dass Fahrer, Kennzeichen und bei Ampeln auch die aktuelle Phase klar zu sehen sind. Aus der steilen Vogelperspektive direkt über der Kreuzung könne es im Einzelfall schwierig sein, alles auf einmal in einer einzigen Einstellung zu erfassen.  © auto motor und sport

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