Volvo hat mit dem EX90 einen elektrischen SUV entwickelt, der langfristig den XC90 beerben wird. Dennoch bleibt der Verbrenner-SUV mit Hybridantrieben und Infotainment-Upgrade parallel im Angebot. Dazu hat Volvo den 7-Sitzer überarbeitet. Was das bringt, zeigt die Test-Fahrt mit dem zweiten Facelift.

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Dass der XC90 weiterleben darf, bestätigte Ex-Volvo-CEO Hakan Samuelsson bereits im Februar 2022 gegenüber der Automotive News. "Warum sollten wir die Produktion des XC90 einstellen, wenn es immer noch eine Nachfrage nach Hybriden gibt, vor allem in den Vereinigten Staaten und China?", fragte der scheidende Chef von Volvo. Und er hatte damit nicht unrecht. Denn sein Nachfolger bestätigte kürzlich, dass Volvo über 2030 hinaus Verbrenner anbieten wird.

Und wenn Sie mit einem solchen Verbrenner-Volvo in Schweden unterwegs sind, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Vor allem, wenn Sie in einem XC90 fahren, der sich weltweit mittlerweile 100.000-fach verkaufte. Klar, die aktuelle Generation buckelt bereits fast zehn Jahre Dienstzeit. Zeit für die Rente? Von wegen! Volvos größter Verbrenner-SUV läuft parallel zum EX90 noch ein paar Jährchen.

So fährt der Plug-in mit 455 PS

Und wie der läuft! Beim T8 Plug-in-Hybrid mit bekannten 455 PS Systemleistung und maximal 709 Nm Drehmoment reicht ein kurzer Pedaltapser und der 2,3-Tonner schiebt kräftig an. Unmittelbar im Ansprechen dank elektrischen 107-kW von der Hinterachse sowie nicht nachlassendem Druck durch die kombinierte Kompressor- und Turboaufladung des Verbrenners an der Vorderachse. Untermalt wird der Spurt akustisch vom dezenten Vierzylinder-Soundtrack. In 5,4 Sekunden geht es im besten Fall aus dem Stand auf 100 km/h. Erst bei Tempo 170 entkoppelt sich der Elektromotor unmerklich vom Antriebsgeschehen. Und wie üblich limitiert Volvo die Höchstgeschwindigkeit bei 180 km/h. Doch mal ganz ehrlich: Power ist nicht das, was bei einem Volvo zählt. Viel eher ist es die Gelassenheit, mit der der große Schwede gerade die Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö quert. Oder die Souveränität, mit der er sich dank des elektrischen Allradantriebs samt Offroad-Modus den sandigen Weg zum Skanörs-Strand südlich von Malmö bahnt. Alternativ zum AWD-Fahrmodus lässt sich in "Pure" allein die elektrische Hinterachse antreiben und via Ein-Pedal-Fahren Energie bis zum Stillstand zurückgewinnen.

Okay, das alles ist nicht ganz neu. Im Gegenteil: altbekannt, bewährt und doch im Detail verfeinert. Die Fahrmodi sind nun mit einem Fingerdruck erreichbar, anstatt sich wie bisher im Menü zu verstecken. Mit seinem 18,8-Kilowattstunden-Akku stromert der T8 bis zu neunmal über die Öresundbrücke – Also laut WLTP bis zu 71 km rein elektrisch. Im Gegensatz zu den meisten aktuellen Plug-in-Hybriden lädt der T8 den Stromspeicher weiterhin gerne auch mit Hilfe des Verbrenners nach. Laden an der Steckdose gelingt eher gemächlich in sieben Stunden oder in drei Stunden an der Wallbox.

Federt mit Luftfahrwerk feiner

Ebenfalls gediegen ist der Federungskomfort dank optionalem Luftfahrwerk. Ja, das Federn gelang in er Vergangenheit nicht so fein wie heute. Doch jetzt haben es die Ingenieure mittels elektronisch gesteuerter Dämpfer und Niveau-Regulierung geschafft, dem großen Schweden den Federungskomfort anzuerziehen, den man von Anfang an erwartet hätte und das trotz optionaler 22 Zoll großer Testwagenbereifung.

Klar, ein Kurvendynamiker ist, kann und will der XC90 weiterhin nicht sein. Zu viel Bewegung kommt beim flotten Kurvenfahren in den Aufbau und zu indirekt agiert die Lenkung. Zumal den SUV frisch aufgezogenen Winterreifen zusätzlich hemmen. Heute ist das aber kein echtes Problem, denn attraktive Landstraßen suchen Sie hier in Südschweden ohnehin vergeblich.

Milder B5 Hybrid

Also steigen wir um in den B5 Mild-Hybrid-Benziner. Den Testwagen schickt Volvo mit mechanischem Allradantrieb und dem überarbeiteten Komfortfahrwerk auf die schwedischen Landstraßen. Tatsächlich schluckt das Fahrwerk dank neuer FSD-Dämpfer (Frequency Selective Damping) sowie Querblattfeder an der Hinterachse den von harten Wintern zermarterten Asphalt souverän. Mit Querfugen kämpft der große Volvo ohne Luftfederung jedoch und auch kleinere Bodenwellen sind deutlicher spürbar.

Video: Volvo XC90 Facelift

Fahrmodi reduziert Volvo beim B5 AWD auf einen Offroad-Modus und verstellbares Lenkmoment. Letzteres wechselt zwischen weich und fest. Klingt gefühlvoll, lässt Gefühl jedoch weiterhin vermissen.

Der Benziner geht mit 250 PS und bereits ab 2.000/min anliegenden 360 Nm durchaus engagiert zur Sache. Dennoch hat der B5 mit rund zwei Tonnen unbeladener Siebensitzer-Masse zu kämpfen. Vor allem beim zügigen Überholen oder Auffädeln auf die Autobahn spielt sich der Vierzylinder gern akustisch auf, der 7,7 Sekunden für den Standardsprint brauchen soll. Da hilft es subjektiv wenig, dass ein kleiner Startergenerator mit 10 kW und 40 Nm Drehmoment mitboostet und die Achtgangautomatik zügig schaltet. Obwohl es hier im hohen Norden auf den Straßen eher gediegen zugeht, verlangt der Hybrid auf der Testrunde laut Bordcomputer mehr als zehn Liter pro 100 km. Doch bevor Sie fragen, einen verbrauchsärmeren Diesel gibt es nicht mehr für den SUV.

Facelift mit Elektro-Stilelementen

Damit der XC90 in Würde altert, hübschen die Designer das Exterieur dezent auf und orientiert sich dabei am Look des EX90: Thors Hammer strahlt nun filigraner mit Matrix-LEDs und ragt bis in den Kühlergrill hinein. Den Grill selbst zieren asymmetrische Streben, die in der Bright-Ausführung in Chrom glänzen. Dazu drehen sich neu gestaltete 20-, 21- oder 22-Zoll-Felgen in den Radhäusern und am Heck strahlen dezent modifizierte Leuchten. Sie merken schon, viel gab es am Schweden-Look offensichtlich nicht aufzufrischen.

Das gilt auch für den Innenraum: Serienmäßig liefert Volvo den XC90 als Siebensitzer aus, alternativ ohne dritte Reihe oder mit Fond-Einzelsitzen für sechs Personen. Dank turnhallenartiger Ausmaße können Sie statt des Großfamilientransports weiterhin schwedische Möbelhäuser plündern. Allerdings ist der edle XC90 dafür fast zu schade. Vor allem als Ultra, also in der höchsten Ausstattungsvariante tapezieren die Schweden den XC90 mit offenporigem Holz, gebürstetem Aluminium und – dem Zeitgeist entsprechend – mit recycelten Stoff- oder veganen lederartigen Bezügen.

Fahrer und Beifahrer sitzen auf straff gepolsterten, elektrisch verstellbaren Sitzmöbeln, sogar noch nach Stunden bequem. Die Mittelkonsole bietet mehr Stauraum als bisher – unter anderem einen zusätzlichen Getränkehalter. Die kabellose Ladeschale für Mobiltelefone wanderte an einen bequemer erreichbaren Platz vor dem gläsernen Wählhebel. Für Unterhaltung sorgt die grandiose Bowers & Wilkins-Anlage, die mit 19 Lautsprechern den Innenraum in Konzertsaal- oder Jazz-Club-Atmosphäre hüllt.

Infotainment-Upgrade

Die größte Neuerung des Volvo XC90 betrifft das Infotainment. Mutmaßlich aus Platzmangel und Kostendruck setzt Volvo den größeren 11,2-Zoll-Touchscreen einfach auf das Armaturenbrett auf, anstatt ihn wie bisher einzubetten. Ein kleiner Stilbruch, doch im Gegensatz zum Vorgänger-Google-System erleichtert der höher auflösende Bildschirm die Bedienung mit größeren Touchkacheln für oft genutzte Funktionen wie Navigation, Medien und Telefon. Alternativ hört der XC90 dank Google-Assistant aufs Wort. Übrigens sollen Anfang nächsten Jahres alle Volvo-Modelle mit Android-basiertem Infotainment das neue Bedienlayout via Over-the-Air-Update bekommen.

Video: Neuer Volvo FH Aero

Schade nur, dass die Auflösung der 360-Grad-Kamera der gehobenen Pixel-Anzahl im Display nicht gerecht wird. Und im monotonen Cockpit-Display, mit seinen grau-blauen Anzeigen, ändert sich nichts. Doch das sind Kleinigkeiten. Viel wichtiger: Die serienmäßig umfangreiche Fahrassistenz agiert zielsicher. Der adaptive Tempomat mit aktiver Spurführung übernimmt weiterhin aber nur bis 130 km/h das Kommando.

XC90 mit bekannten Hybridantrieben

Beim Antriebsportfolio setzt der aufgefrischte XC90 weiter ausschließlich auf die bereits im alten Modell genutzten Hybrid-Systeme. Top-Motor bleibt im XC90 T8 AWD Plug-in-Hybrid der bekannte 310 PS starke Zweiliter-Vierzylinder-Turbobenziner in Kombination mit einem 107 kW (145 PS) starken Elektromotor. Die Systemleistung liegt bei 455 PS und 709 Nm. Mit seiner 19 kWh großen Batterie schafft der SUV rein elektrisch unverändert bis zu 73 Kilometer.

Die Antriebsalternative ist im XC90 der B5 AWD – ein Mild-Hybrid-Benziner. Hier wird der 250 PS und 350 Nm starke Zweiliter-Vierzylinder-Turbo-Benziner mit einer 48-Volt-Lithium-Ionen-Batterie und einem integrierten Startergenerator kombiniert. Geschaltet wird jeweils per Achtgangautomatik, die Höchstgeschwindigkeit wird abgeregelt bei 180 km/h erreicht. Hinzu kommt noch eine leistungsgesteigerte Variante, die B6 AWD heißt und 300 PS und maximal 420 Nm Drehmoment liefert.

Preise und Marktstart

Der neue Volvo XC90 ist ab sofort bestellbar und wird voraussichtlich ab Ende des Jahres an die Kunden ausgeliefert. Das Modell wird in den drei Ausstattungslinien Core, Plus und Ultra (T8 AWD) bzw. Ultimate (B5 und B6 AWD) jeweils mit sieben Sitzen angeboten. Der Volvo XC90 B5 AWD startet bei 79.890 Euro, der Volvo XC90 T8 AWD Plug-in-Hybrid ist ab 87.490 Euro erhältlich.

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Der XC90 in der aktuellen Version wird seit 2015 angeboten und ist die zweite Generation des SUV. Das Modell verkauft sich in Deutschland in den vergangenen Jahren konstant gut. Die Zulassungen liegen seit 2016 immer – teilweise sehr deutlich – über 6.000 Fahrzeugen jährlich. 2023 konnten die Schweden 6.265 XC90 in Deutschland absetzen. Im Vergleich dazu kam der XC90 in den USA 2021 auf über 41.000 Verkäufe.  © auto motor und sport

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