Durch Starkregen überflutete Straßen bergen große Gefahren. Wir erklären, was Autofahrer beachten müssen.

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Geländewagenfahrer kennen einen ganz speziellen Wert, der bei normalen Pkw und auch SUV praktisch nie in Erscheinung tritt: die Wattiefe. Mit dieser Bezeichnung beziffern die Hersteller die maximale Wasserhöhe, durch die mit einem Auto gefahren werden kann, ohne bleibende Schäden am Material befürchten zu müssen. Gute Geländewagen erreichen hier Werte von bis zu 80 Zentimetern, teilweise sogar darüber. In einem Mittelklasse-Pkw kann man sich von solchen Angaben jedoch verabschieden, dort können schon 20 Zentimeter tiefe "Pfützen" tödlich für die Technik sein.

Video: Unwetter, Hochwasser, Sturm- und Hagelschaden

Gerade in Zeiten gehäuft auftretender Überflutungen durch Hochwasser und Starkregen wie zuletzt Mitte September 2024 treten jedoch immer wieder Situationen auf, die selbst auf normalen Straßen großflächige Überschwemmungen verursachen. Diese ungewohnte Situation zu bewältigen, erlernt man weder in der Fahrschule noch in Fahrsicherheitstrainings. Deshalb erklären wir hier die grundlegenden Techniken, Gefahren und Verhaltensweisen.

Verbrenner-Autos bei Wasserdurchfahrten

Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ist genau dieser Motor die potenziell größte und auch teuerste Schadensvariante bei falschem Verhalten. Grund dafür ist die Luftansaugung. Diese befindet sich in aller Regel weit vorne in Höhe des Kühlergrills, um möglichst kühle Ansaugluft für den Motor bereitzustellen. Hier kann bei tiefen Wasserdurchfahrten Wasser eindringen, was im schlimmsten Fall zum sogenannten Wasserschlag führt.

Mit Wasserschlag wird die Situation bezeichnet, wenn Wasser durch Ansaugung und Luftfilterkasten in den Brennraum gelangt. Weil sich Flüssigkeit nicht komprimieren lässt wie Luft, stoßen die Kolben im Verdichtungstakt gegen die Flüssigkeit. Die Folge sind in der Regel gebrochene Pleuel, beschädigte Kurbelwelle und nicht selten die Zerstörung von Ölwanne und/oder Motorgehäuse, weil sich die beschädigten Einzelteile ihren Weg ans Tageslicht bahnen. So teuer, wie sich das liest, ist es auch tatsächlich, denn praktisch immer ist danach ein Austauschmotor fällig.

Es wird teuer

Weitere Komponenten haben viele Nutzer nicht auf dem Schirm, sind jedoch genauso gefährdet. Beispiel Achs- und Hauptgetriebe: Diese verfügen über Entlüftungen, über die bei zu hohem "Pegelstand" Wasser eintreten kann. Ganz besonders, wenn die Getriebe warm gefahren sind und sie wegen des Druckunterschieds bei schlagartiger Abkühlung "einatmen". Das Perfide daran: Von einem Wasser-Öl-Gemisch im Getriebe oder Achsdifferential bemerkt man zunächst nichts, hier drohen jedoch entsprechende Langzeitschäden, wenn kein Ölwechsel erfolgt.

Vom Wasser bedroht sind außerdem Anbauteile wie tief liegende Nebel- oder Zusatzscheinwerfer, in die Wasser eindringen kann, sowie große Teile der Fahrzeugelektrik. Weiterhin kann Wasser in Hohlräume der Karosserie eindringen und dort langfristig für große Korrosionsschäden sorgen, ganz besonders bei verschmutztem oder salzhaltigem Wasser. Ist das Wasser erst einmal so hoch, dass es über der Schwellerhöhe liegt und den Innenraum flutet, sind erhebliche Beschädigungen des Kabelbaums und sehr hohe Instandsetzungskosten zu befürchten. Details zu diesem Thema und die Infos, was die jeweilige Versicherung übernimmt, haben wir im oben verlinkten Beitrag zusammengefasst.

Elektroautos bei Hochwasser

Prinzipiell sind Elektroautos bei tiefen Wasserdurchfahrten gegenüber Verbrenner-Fahrzeugen leicht im Vorteil. Schließlich benötigen sie keine Ansaugluft, das Thema "Wasserschlag" kennt eine E-Maschine nicht. Auch die wasserdichte Kapselung der Antriebseinheit und der Antriebsbatterie sind ein Vorteil. Angst vor einem Kurzschluss oder Stromschlag bei Wasserdurchfahrten muss man im Elektroauto nicht haben. Das Hochvoltsystem ist generell wasserdicht, sollte dennoch ein Kurzschluss auftreten, wird die Hochvoltbatterie sofort abgeschaltet.

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Dennoch sind auch bei Elektroautos einzelne Komponenten wie die Fahrzeugelektrik, Anbau- oder Antriebskomponenten genauso von zu hohen Wasserdurchfahrten bedroht wie bei Benziner- oder Diesel-Autos, weshalb dieselben Verhaltenshinweise gelten.

Wasserdurchfahrten – so verhalten Sie sich richtig

  • Erste und wichtigste Regel: Beachten Sie die Gefahrenhinweise und Durchfahrtsverbote, selbst wenn Sie als Anwohner ortskundig sind und die Situation anders einschätzen.
  • Wassertiefe prüfen: Orientieren Sie sich an Anhaltspunkten wie sichtbaren Gehsteig-Kanten. Im Zweifel muss wie bei Geländefahrten zu Fuß erkundet werden. Nasse Füße sind besser als ein "abgesoffenes" Auto.
  • Faustregel: Reicht der Wasserstand bei einem Pkw über den unteren Felgenrand, das sind durchschnittlich 18-20 Zentimeter, ist das bereits eine kritische Höhe.
  • Unterführungen meiden: Immer wieder sind besonders beratungsresistente Fahrer zu beobachten, die Straßenunterführungen trotz Überflutungsgefahr durchfahren und im teils meterhohen Wasser untergehen. Seien Sie schlauer und umfahren Sie solche Stellen.
  • Wenn es absolut nicht anders geht: Extrem langsam fahren. Bei plötzlich auftretenden Überschwemmungen zum Beispiel auf einer Autobahn ist alles jenseits Schrittgeschwindigkeit gefährlich. Bei schnellerer Fahrt baut sich eine Bugwelle auf, die je nach Tempo und Fahrzeug bis über die Motorhaube schwappen kann, hier droht der erwähnte Wasserschlag.
  • Keine "Heldentaten": Im Zeitalter der allzeit gezückten Smartphones für spektakuläre Social Media-Filmchen muss das besonders hervorgehoben werden. Fahren Sie langsam! Weit spritzendes Wasser beim Durchfahren einer größeren Wasserfläche sieht vielleicht spektakulär aus, ist aber einfach nur dumm.

Am allerbesten ist es natürlich, bei bestehenden oder drohenden Überschwemmungen das Auto an sicherer Stelle stehenzulassen. Bei absolut unvermeidbaren Fahrten in solchen Gebieten beachten Sie unbedingt die Gefahrenhinweise der örtlichen Behörden. Auch wenn Sie der Meinung sind, die aktuelle Situation sei gar nicht so schlimm. Mit einem fahrlässig "versenkten" Auto binden Sie nicht zuletzt Einsatz- und Rettungskräfte, deren Arbeit an dringenderen Stellen gebraucht wird.  © auto motor und sport

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